Österreichischer Europapolitiker: EU braucht zweite Parlamentskammer

Hannes Swoboda im Gespräch mit Ute Welty |
Innerhalb der EU standen zuletzt immer wieder die langen Entscheidungswege in der Kritik. Für Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, ist insbesondere das Verfahren der wechselnden EU-Ratspräsidentschaft überflüssig. Er empfiehlt eine zweite Kammer.
Ute Welty: Die EU-Ratspräsidentschaft, was bringt das überhaupt? Und haben wir nicht schon genügend EU-Institutionen, braucht es überhaupt einen solchen primus inter pares? Darüber spreche ich jetzt mit Hannes Swoboda, er vertritt die österreichische Sozialdemokratie im Europaparlament. Guten Morgen!

Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen!

Welty: Wie hat Ihnen denn das letzte halbe Jahr unter zypriotischer Präsidentschaft gefallen, und ist es Ihnen überhaupt aufgefallen? Damit hätten Sie den meisten Bundesbürgern schon was voraus.

Swoboda: Natürlich fällt mir als Parlamentarier, insbesondere als Fraktionsvorsitzender der europäischen Sozialdemokraten, auf, wenn es eine zypriotische Präsidentschaft gibt, noch dazu, wo sie in einigen Punkten auch gut gearbeitet hat. Das Verfahren insgesamt ist allerdings nicht optimal.

Welty: Das heißt?

Swoboda: Sicherlich braucht das Europäische Parlament ja einen Partner, mit dem man die Gesetze beraten und beschließen kann. Aber sie wären natürlich vernünftig, wäre es möglich, einen Senat zu haben, ähnlich wie den Bundesrat, wenn man so will, oder den Senat der Vereinigten Staaten von Amerika, mit dem man regelmäßig ganz normal verhandeln kann, wo es nicht diese wechselnden Präsidentschaften gibt.

Welty: Könnten Sie das mit dem Senat noch mal ein bisschen genauer ausführen? Wie müsste das aussehen und wie müsste das organisiert werden?

Swoboda: Gesetze brauchen ja auf der europäischen Ebene Beschlüsse des Europäischen Parlaments und gleichlautende Beschlüsse des Rates, also in dem Sinn, wenn man so will, bei Umweltgesetzen der Minister, die für Umweltfragen verantwortlich sind. Das Verfahren ist sehr kompliziert, weil natürlich die Umweltminister viele andere Dinge zu tun haben, daher dauert das auch sehr lange. Wir kommen im Parlament üblicherweise viel früher zu Beschlüssen. Würde es aber eine zweite Kammer geben, die beschickt werden würde von den einzelnen Mitgliedsländern, je nach Größe natürlich der Mitgliedsländer unterschiedlich, so wie auch jetzt das Stimmgewicht im Rat unterschiedlich ist, je nach Größe der Mitgliedsländer, dann hätte man einen ständigen Partner, mit dem man die Gesetze behandeln kann, oder wo man parallel die Gesetze behandeln kann, und dann im Notfall auch im Vermittlungsausschuss dann diese Gesetze entsprechend beschließen könnte. Das wäre ein Verfahren, das reibungsloser wäre, das schneller wäre, wo zwei gleichberechtigte Kammern - nämlich das Europäische Parlament und der Europäische Senat - die Dinge beraten könnten. Dann würde man sich auch die wechselnden Präsidentschaften ersparen.

Welty: Aber es wäre eine EU-Institution mehr.

Swoboda: Nein, der Rat, den Rat als solches würde es ja nicht mehr geben. Es gibt ja derzeit einen Europäischen Rat, das ist, wo Herr van Rompuy der Vorsitzende ist, wo sich die Regierungschefs treffen. Das muss es weiter geben, denn Regierungschefs wollen natürlich auch Einfluss auf die wesentlichen Richtungen Richtungsentscheidungen haben. Aber statt den normalen Ratssitzungen und mit der wechselnden Präsidentschaft gibt es einfach eine Kammer, einen Bundesrat, einen Senat, wenn man mal das bezeichnen will, mit dem man normalerweise verhandelt. Sie haben hier in Deutschland auch den Bundestag und den Bundesrat, nur das fehlt auf der europäischen Ebene und wird durch verschiedene Räte ersetzt, wo dann die wechselnden Präsidentschaften den Vorsitz haben. Und das ist ein sehr kompliziertes Verfahren, es muss von einem Rat auf den anderen übergeben werden, die Minister sind zum Teil wirklich bemüht und auch fähig, zum Teil sind sie natürlich ungewohnt, diese Sitzungen auf europäischer Ebene abzuhalten et cetera. Und das würde dann alles viel einfacher werden.

Welty: Das Modell, das Sie beschreiben, würde das auch helfen, 2013 die EU besser aufzustellen? Sie selbst sagen ja, 2013 wird für die Europäische Union ein entscheidendes Jahr sein.

Swoboda: Würde uns natürlich helfen, aber jetzt ist es zu spät, das ist gar keine Frage. Man kann das ja nur durch eine Vertragsänderung erreichen. Ich muss dazu sagen, dass wir von der irischen Präsidentschaft viel erwarten. Die irische Präsidentschaft ist ja nicht ganz neu für Irland, Irland hatte schon viele, viele Präsidentschaften abgehalten. Es ist dort auch eine Koalitionsregierung am Werk, eine konservative europäische Volkspartei und Sozialdemokraten, die sich beide auskennen, sie können beide leicht auch Mehrheiten erreichen. Die Iren sind effizient, sie sind ja auch relativ effizient in der Lösung der Wirtschaftskrise, soweit sie das als einzelnes Land tun können. Also da gibt es nicht nur sehr viel guten Willen, sondern auch sehr viel Fähigkeit und Kompetenz, sodass meine Kritik am System keine Kritik an der irischen Präsidentschaft ist, sondern ich erwarte mir hier durchaus wesentliche Beschlüsse, gerade auch, was die europäische Wirtschaftsregion betrifft.

Welty: Eines der großen Probleme 2013 sind sicherlich die europäischen Budgetverhandlungen. Welchen Einfluss kann Irland da nehmen?

Swoboda: Irland kann hier nur einen Vermittler darstellen. Natürlich wird man ja nicht von der irischen Seite bestimmen können, wie ein Budget aussieht, aber es kann doch gewisser Vermittlungsfunktionen übernehmen, allerdings muss man dazu sagen, die Differenzen sind nach wie vor sehr, sehr groß zwischen den verschiedenen Mitgliedsländern, aber auch zum europäischen Parlament, sodass ich mir derzeit noch nicht vorstellen kann, wie ein Kompromiss aussehen wird und aussehen könnte. Aber Irland wird das seine dazu tun, hoffentlich, dass es zumindest bei einigen wesentlichen positiven Entscheidungen kommt, gerade auch, was Wachstumsimpulse betrifft, was Forschung und Entwicklung betrifft, aber natürlich, Wunder kann auch die irische Präsidentschaft in dieser Frage nicht bewirken.

Welty: Der österreichische Europaabgeordnete Hannes Swoboda über das Prinzip der EU-Ratspräsidentschaft. Ich danke für dieses Gespräch!

Swoboda: Bitte, sehr gerne!

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