Ökostromanbieter Lichtblick: Stromnetz und Stromerzeugung trennen

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Geschäftsführer des alternativen Stromanbieters Lichtblick, Heiko von Tschischwitz, hat die Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Senkung der Netznutzungsgebühren beim Vattenfall-Konzern begrüßt. Es sei gut, dass endlich Bewegung in die Sache gekommen sei, sagte von Tschischwitz. Zu einer deutlichen Senkung der Strompreise aber werde es erst durch eine Trennung von Stromnetz und Stromerzeugung kommen.
Jörg Degenhardt: Heiko von Tschischwitz ist am Telefon, einer der beiden Chefs von Lichtblick - des größten unabhängigen Anbieters von alternativen Energien mit immerhin 200.000 Privatkunden. Auch die Dresdener Bank wird von der Hamburger Ökostrom-Firma versorgt. Einen guten Morgen Herr von Tschischwitz.

Heiko Tschischwitz: Schönen guten Morgen.

Degenhardt: Verglichen mit EON und den anderen sind Sie ja immer noch ein Zwerg, aber können Sie jetzt wenigsten ein bisschen schneller wachsen?

Tschischwitz: Ja, das müssen wir abwarten. Also zunächst einmal freuen wir uns, dass überhaupt Bewegung in die Sache hinein kommt. Wir kämpfen ja seit über acht Jahren für die sinkenden Netznutzungsentgelte, also seit acht Jahren ist der Strommarkt liberalisiert. Seit dem warten auch die Verbraucher darauf, dass sich endlich etwas tut in diesem Monopol-Netz, das bisher viel zu teuer für neue Anbieter abgerechnet wird. Und wir haben es in der Vergangenheit nicht geschafft. Wir haben mit Kartellbehörden versucht, etwas gegen die Energieversorger zu tun, wir haben vor ordentlichen Gerichten versucht, etwas gegen die großen Energieversorger zu tun, und waren bisher erfolgreich. Seit einem Jahr ist jetzt die Bundesnetzagentur in Amt und Würden - also das hat auch relativ lange gedauert bis der Markt davon wirklich preisrelevant etwas gemerkt hat - und gestern gab es nun die erste Entscheidung und jetzt muss man mal abwarten was daraus wird.

Degenhardt: Können sich jetzt auch möglicherweise andere Wettbewerber ermutigt sehen, weil es fairer zugeht, mehr Wettbewerb regiert auf dem deutschen Strommarkt?

Tschischwitz: Also tendenziell glauben wir das schon, dass das so ist. Aber man muss jetzt sicherlich erst mal abwarten was in den nächsten Wochen passiert. Denn die gestrige Entscheidung bezog sich ja nur auf Vattenfall. Das ist einer von 800 Stromnetzbetreibern die es in Deutschland gibt. Und was ganz entscheidend ist - es wird auch in der Berichterstattung der letzten Stunden, also gestern und heute oft durcheinander geworfen - ist, dass die Genehmigung gestern sich ja nur auf das Höchstspannungsnetz bezog. Das Höchstspannungsnetz - das sind die Netze, die Freileitungen die man von der Autobahn, von der Landstraße aus sieht - die machen aber nur einen ganz geringen Teil der gesamten Netzkosten aus. Für einen Haushaltskunden, also einen privaten Verbraucher, sind das nur etwa zehn Prozent der Netzkosten, die gestern beschieden worden sind. Das heißt, wenn wir hier von einer zehnprozentigen Reduzierung sprechen - und das ist wohl die tatsächliche Zahl, da gehen die Zahlen auch ein bisschen durcheinander in den Medien - dann bedeutet das, dass auf die gesamten Netzkosten die gestrige Entscheidung nur eine Reduzierung von einem einzigen Prozent bedeutet. Und wenn man jetzt noch beachtet, dass die Netzkosten für einen Stromverbraucher wiederum nur ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen, dann sieht man, dass die gestrige Entscheidung alleine noch überhaupt nicht irgendetwas bewirken wird.

Degenhardt: Dann bin ich Ihnen, Herr Tschischwitz, dankbar für diese Aufklärung. Aber wenn wir schon bei diesem Thema sind: Netz und Durchleitungsgebühren. Was halten Sie denn von der Idee, die ja auch so neu nicht ist, Netz und Betrieb zu trennen?

Tschischwitz: Wir halten sehr, sehr viel von der Idee und gestern hat ja Vattenfall schon verlauten lassen, dass sie mit den Netzen nach der gestrigen Entscheidung große Verluste einfahren werden, insofern erwarten wir eigentlich, dass auch Vattenfall, die sich bisher immer gegen diese Lösung gestemmt haben, möglicherweise gar nicht so unglücklich über so einen Vorschlag sein werden, der ja auch aus Brüssel kommt. Es ist ja auch nichts Neues übrigens. In Schweden beispielsweise, dem Mutterland der Vattenfall - Vattenfall ist ja ein schwedischer Konzern - ist schon seit Beginn der Liberalisierung das Höchstspannungsnetz getrennt, in staatlicher Hand und wird staatlich überwacht. Also das ist ganz bestimmt eine Lösung, die dazu beitragen kann, dass der Wettbewerb fairer vonstatten geht und der Verbraucher auch davon wirklich etwas spürt.

Degenhardt: Von wegen mehr Wettbewerb: Muss denn auch die Bundesnetzagentur die Energieriesen, die schon von mir erwähnten, in Zukunft noch rigoroser in die Schranken weisen?

Tschischwitz: Das muss sie ganz bestimmt. Und wie gesagt, man muss abwarten, was jetzt in den nächsten Wochen passiert. Vattenfall bekommt ja noch eine Genehmigung für die ganzen Leitungen, die in den Städten unterirdisch verlegt sind, die, wie gesagt, die wesentliche Komponente bei den Netznutzungsentgelten sind. Dann wird RWE, EON, EnBW, die ganzen Großen werden in den nächsten Wochen ihre Genehmigung erhalten. Und man wird im ersten Schritt mal abwarten müssen wie die Energieversorger damit umgehen. Bisher, in den vergangenen acht Jahren, war den Energiekonzernen das immer - salopp gesagt - relativ egal, was Kartellbehören oder Gerichte dazu gesagt haben. Die haben ihre hohen Entgelte im Markt durchgesetzt ohne dass ihnen wirklich jemand schaden konnte. Vattenfall hat gestern auch angekündigt, gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur gerichtlich vorzugehen. Insofern ist zu erwarten, dass es doch noch einige Monate dauert, bis für den Verbraucher auch eine Klarheit da ist, ob die Bundesnetzagentur in der Lage sein wird, in Zukunft sich durchzusetzen gegen die starke Lobby oder nicht.

Degenhardt: Die Wirtschaftsminister der Länder wollen die Energiekonzerne künftig stärker unter die Lupe nehmen und wichtige Daten einfordern. Wie bewerten Sie überhaupt das Engagement der Politik auf dem Strommarkt? War man bisher zu nachsichtig gegenüber den Großen?

Tschischwitz: Das ist ganz bestimmt so. Das ist ganz bestimmt so. Wir haben in Deutschland ja acht Jahre lang versucht, den Strommarkt zu liberalisieren ohne Regulierungsbehörde und waren damit das einzige Land innerhalb der EU, das diesen Weg beschritten ist. Und im Grunde hat man schon 1999, also unmittelbar nach Beginn der Liberalisierung gemerkt, dass das nicht funktionieren kann. Ein natürliches Monopol, und das Stromnetz ist ein so genanntes natürliches Monopol, es lohnt sich für einen neuen Wettbewerber nicht, parallel zu den bestehenden Netzen ein neues Netz aufzubauen. Wir sind darauf angewiesen das Netz der Exmonopolisten zu nutzen. Und da wir durch die Nutzung des Netzes dann ja grundsätzlich am anderen Ende gewissermaßen den Exmonopolisten einen Kunden wegnehmen, haben die natürlich nie ein Interesse daran, uns faire Bedingungen für die Nutzung des Netzes zur Verfügung zu stellen. Und das ist auch der Politik natürlich immer klar gewesen, aber da spielt sicherlich die enorme Lobby-Macht, die die Energiewirtschaft traditionell hat, eine ganz, ganz große Rolle.

Degenhardt: Herr von Tschischwitz, was meinen Sie denn: Wann kommen denn nun die günstigeren Strompreise für uns, für die Verbraucher?

Tschischwitz: Ja wie gesagt, man muss es abwarten. Also wir setzen uns weiter ganz intensiv dafür ein, dass die Netznutzungsentgelte sinken. Wir werden auch nicht aufhören, gerichtlich gegen die Netzbetreiber vorzugehen. Unabhängig quasi von dem, was die Bundesnetzagentur jetzt in den nächsten Wochen tut. Es ist unser höchstes Ziel, die Netznutzungsentgelte drastisch zu reduzieren. Und das wird dann sicherlich einen positiven Einfluss auf die Strompreise haben für die Endverbraucher. Ob die Strompreise tatsächlich sinken werden, das kann man aber heute noch nicht sagen weil wir a) noch gar nicht absehen können um wie viel die Netznutzungsentgelte tatsächlich sinken und wir b) auf der anderen Seite leider eine ganze Reihe von Kostenkomponenten haben, die eben doch immer weiter ansteigen. Nicht zuletzt die Mehrwertsteuer zum Jahreswechsel, die ja allein drei Prozent ausmachen wird, auch beim Strom. Und ob die Arbeit der Bundesnetzagentur und das, was wir vielleicht noch dazu beitragen können, dann hinterher ausreicht den Strompreisanstieg wirklich zu stoppen, da bin ich ehrlich gesagt nicht so sicher.

Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Am Telefon von Deutschlandradio-Kultur war Heiko von Tschischwitz. Er ist einer der beiden Chefs von Lichtblick, einer der größten Öko-Stromfirmen in Deutschland.