Ökostrom-Umlage

Ohne Entlastung geht es nicht

Von Michael Brandt |
Etliche kleine Textilunternehmen in Baden-Württemberg haben sich auf Hightech-Gewebe etwa für Airbags oder Autositze spezialisiert: Sie brauchen viel Strom. Auch die Chemieindustrie kann ohne hohen Energieeinsatz nicht produzieren.
Der Lärm ist ohrenbetäubend in der vollautomatisieren Spinnerei der Firma Ettlin in Ettlingen bei Karlsruhe. Hier werden Garne gesponnen, aus denen später sogenannte technische Textilien gewebt werden, so Geschäftsführer Oliver Maetschke:
"Das ist jetzt einer dieser Maschinen, die sehr viel Energie verbraucht. An dieser Maschine werden aus Faserbändern Fäden gesponnen. Die Maschine spinnt an 300 Fäden gleichzeitig und schafft es, pro Tag ungefähr 5000 Kilogramm Garn zu erzeugen."
Die Firma, die hier am Rande des Schwarzwalds vor mehr als 100 Jahren als Spinnerei und Weberei angefangen hat, ist eine von rund 250 Unternehmen in Baden-Württemberg die derzeit von der EEG-Zulage befreit sind. Ettlin hat derzeit etwa 140 Mitarbeiter, macht einen Umsatz von 20 Millionen Euro im Jahr und verbraucht um die 15 Gigawattstunden, soviel wie eine kleinere Stadt. Durch die Befreiung von der Umlage reduzieren sich die Kosten, so Maetschke um etwa eine Dreiviertel-Million Euro. Wenn das Unternehmen nicht befreit wäre und die Kosten tatsächlich anfallen, hätte das schwerwiegende Konsequenzen:
"Das würde uns finanziell extrem stark belasten. Zumindest würde es uns die Luft nehmen, in zukunftsfähige Produkte zu investieren. das ist nämlich ungefähr die Summe, die wir pro Jahr in Forschung und auch in Vermarktung neuer Produkte investieren."
Spezialfirmen für Airbags oder Autositze
Hintergrund ist, dass die früher allgegenwärtige Textilbranche in Baden-Württemberg in den vergangenen 50 Jahren fast verschwunden ist. Grund ist die Konkurrenz vor allem aus den Billiglohnländern in Fernost. Überlebt haben im Land nur wenige Hersteller, und zwar in der Regel durch Innnovation. Ettlin etwa hat sich auf technische Textilien und auf andere Hightech-Gewebe zum Beispiel für Airbags-, Autositze oder für innovatives Wohndesign spezialisiert.
"Was nicht richtig ist, ist dass der Strom für uns billig ist. Der ist nämlich immer noch wesentlich teurer als in Nachbarländern, zum Beispiel in Frankreich. Und im weltweiten Vergleich gesehen, allemal."
Das bestätigt Gert Adler, bei den Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg für Energie zuständig. Zwar käme es auf die Branche und auf den Einzelfall an, aber generell gebe es in Baden-Württemberg viele Unternehmen, die hier für den Weltmarkt produzieren und folglich in Konkurrenz mit anderen Herstellern stehen, die deutlich weniger für Energie bezahlen.
"Wir haben Nachrichten von Unternehmen, das es zum Teil Fertigungen unwirtschaftlich machen würde, dass also das Betriebsergebnis aufgezehrt würde, wenn es nicht mehr die Entlastung von der EEG-Zulage gäbe. Das könnte natürlich Arbeitsplätze kosten, oder zu einer Verlagerung ins Ausland führen."
Klaus Mayer, Hauptgeschäftsführer beim Landesverband der Chemischen Industrie Baden-Württemberg, berichtet von einem Hersteller von technischen Gasen, der bereits Konsequenzen aus den hohen Energiepreisen in Baden-Württemberg gezogen hat, trotz Befreiung von der EEG-Umlage:
"Dort war es möglich, dem Kostendruck zu entkommen, indem ein besonders energieintensiver Bereich nach Frankreich ausgelagert wurde. Der Rest aber den Standort in Deutschland behalten konnte. Das war jetzt möglich aufgrund der günstigen Grenzlage."
Ohne EEG-Befreiung würde die Lage schwierig
Von den rund 250 Unternehmen, die in Baden-Württemberg von der EEG-Umlage befreit sind, gehören zehn zur traditionell energieintensiven Chemieindustrie und für viele von ihnen wäre die Situation schwierig, wenn sie die Umlage zahlen müssten. Und dies, obwohl die Chemieunternehmen in Baden-Württemberg im Vergleich mit anderen eher sparsam mit Energie sind.
"Es ist richtig, dass Baden-Württemberg kein Land der Großchemie ist. Trotzdem gibt es auch viele Mittelständler, die einen erheblichen Stromverbrauch haben, gerade auch um Produkte herzustellen, die dann wiederum zum Energiesparen verwendet werden. Insofern trifft es die Branche in Baden-Württemberg auch heftig."
Zumal ein Teil der Chemieunternehmen für die in Baden-Württemberg fast allgegenwärtige Automobilindustrie arbeitet. Und hier gibt es einen Preiskampf der ganz eigenen Art. Das berichtet auch ein Oberflächenveredler von der Schwäbischen Alb. Metalle werden häufig durch Wärme gehärtet und die wird häufig durch Strom erzeugt. Seinen Namen will der kaufmännische Geschäftsführer des Betriebes nicht nennen, aber er drückt die Situation seiner mittelständischen Firma schwäbisch-deutlich so aus:
"Ohne die Befreiung von der EEG-Zulage können wir zumachen."
Die Zahl der befreiten Unternehmen steigt um 20 Prozent
Gestern hat die EU-Kommission angekündigt, ein Untersuchungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Es geht um die Frage, ob die Befreiung von der Zulage möglicherweise eine wettbewerbswidrige Vergünstigung ist. Der grüne baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller, hat sich daraufhin dafür ausgesprochen, die Ausnahmeregelungen für Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, beizubehalten. Andererseits äußert er sich kritisch zu der Tatsache, dass die Zahl der befreiten Unternehmen vom Jahr 2012 nach 2013 stark angestiegen ist.
"Fakt ist: Wir müssen die heutige Regelung überdenken. In der festen Überzeugung, wenn wir es nicht selber machen, wird es die EU-Kommission machen. Es kann nicht sein, dass immer mehr Unternehmen vollkommen von der Umlage befreit werden. 2014 sind es noch mal 20 Prozent mehr als in diesem Jahr. Daher müssen wir das überdenken."
Für Klein- und Mittelständler wie den Oberflächenveredler von der Schwäbischen Alb oder die Spinnerei in Ettlingen allerdings gilt, dass sie die Leidtragenden wären, wenn die EU-Kommission die Befreiung von der EEG Umlage tatsächlich als unzulässige Unterstützung bewertet. Und das trifft natürlich erst recht zu, wenn eine Befürchtung wahr wird, die bei betroffenen Unternehmen hinter vorgehaltener Hand bereits als Katastrophenszenario diskutiert wird: Dass die Zulage nach dem angekündigten Prüfverfahren der EU-Kommission nicht nur abgeschafft werden könnte, sondern, dass bereits gewährte Vergünstigungen zurückerstattet werden müssen. In diesem Fall, so Oliver Maetschke von der Spinnerei Ettlin, gäbe es für sein Unternehmen nur einen Weg:
"Wenn wir Rückzahlungen leisten müssten, das wären bei uns einige Millionen Euro. das würde für uns bedeuten, dass wir relativ zeitnah den Weg zu Insolvenzgericht gehen müssten."

Hintergrund:Die EU-Kommission hat wegen der Stromrabatte für deutsche Unternehmen ein Untersuchungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Sie vermute wegen der Befreiung zahlreicher Unternehmen von der sogenannten EEG-Umlage Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, erklärte die Behörde.Im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden für jede Kilowattstunde Strom aus Solar-, Wind- und Biomasseanlagen auf 20 Jahre garantierte Vergütungen festgelegt. Die Höhe ist abhängig vom Anschlussdatum. Die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und der festen Vergütung bildet die EEG-(Ökostrom)-Umlage.Die Stromkosten steigen auch, weil es immer mehr Industrierabatte für stromintensive Unternehmen gibt.

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