Ökostrom statt Tupperware

Von Grit Krause |
Ulla Gahn steht unter Strom - unter Ökostrom. Die 35-jährige ist Erfinderin der sogenannten <papaya:link href="http://www.oekostrom-wechselparty.de" text="Ökostrom-Wechselpartys" title="Ökostrom-Wechselpartys" target="_blank" /> und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet: 2007 mit dem Klimaschutzpreis und 2008 mit dem utopia award. Das Party-Prinzip ist einfach: Bei Kaffee und Kuchen beantworten Experten Fragen zum Ökostrom. Für die Werbeindustrie will sich die ehrenamtliche Weltretterin allerdings nicht vereinnahmen lassen.
"Ich habe die erste Party gemacht, weil ich selber zu Ökostrom gewechselt habe. Und dann war ich ganz stolz und habe das allen meinen Freunden und Bekannten erzählt, und dann haben meine Freunde gemeint: Oh Ökostrom, das wollte ich auch schon lange mal machen, und kannst du uns nicht helfen beim Wechsel? Und weil das dann so viele waren, habe ich einfach gedacht, ich lade die zusammen ein - sonst muss ich es ja zehnmal erzählen. Und so ist die erste Ökostrom-Party in meiner Küche entstanden."

Überrascht war Ulla Gahn schon, als dann plötzlich 35 Leute in ihrer kleinen WG-Küche saßen und alles über Ökostrom wissen wollten. Aber sie war vorbereitet, denn zwei Dinge kann sie besonders gut: organisieren und leckeren Kuchen backen. In weiser Voraussicht hatte sie zwei Experten dazu eingeladen, und die beantworteten bei Kaffee und Kuchen alle Fragen, auch wenn sie noch so ungewöhnlich waren. Am Ende unterschrieben tatsächlich zehn Partygäste sofort einen Vertrag für Ökostrom.

"Also ich bin definitiv kein typischer Öko, und ich trage auch keine Strickpullis und esse keine sandigen Ökonudeln oder so."

Sie sieht viel eher brav aus, wie sie da so hinter dem Schreibtisch in ihrer Leipziger Weltrettungszentrale sitzt: rosa Rollkragenpullover, hellgraue Stoffhose, das blonde, glatte Haar trägt sie offen. Nur die schwarzen ausgetretenen Turnschuhe verpassen dem ganzen eine eigenwillige Note.

Ulla Gahn wurde 1973 in München geboren - an einem autofreien Sonntag. Vielleicht wurden da bereits die Weichen für ihre Karriere als Klimaschützerin gestellt, doch bis es soweit war, sollten noch 34 Jahre vergehen. Erst einmal wurde sie Tontechnikerin und machte sich als solche selbstständig.

In München war sie gut im Geschäft, wie sie sagt, tourte mit Bands und arbeitete für renommierte Unternehmen. Doch irgendwann begann sie zu zweifeln: Immer nur Schickimicki und schuften bis zum Umfallen - das kann nicht alles gewesen sein.

"Und dann habe ich beschlossen: Ich, in meinem Leben, werde jetzt meine Zeit dritteln: ein Drittel der Zeit zum Broterwerb, zum Geldverdienen, ein Drittel der Zeit für mich und ein Drittel der Zeit für die Welt.""

Ulla Gahn kehrte München den Rücken und ging 2002 nach Leipzig. Die Stadt kannte sie von kurzen Besuchen und wusste: Hier ist man trotzdem wer, auch wenn man keinen Mercedes vor der Tür stehen hat. Und hier begann dann ihre Karriere als Weltretterin.

"Ich hatte so einen Erweckungsmoment 2007, da kam der neue internationale Klimaschutzbericht raus. Und der war so krass, dass ich erschüttert war und gedacht habe: Oh Mann, jetzt muss aber ganz schön was getan werden."

Nichts unnötig zu verschwenden, dass hatte Ulla Gahn schon von zu Hause mitbekommen, und für ihren ganz persönlichen Mikrokosmos gab es ebenfalls klare Regeln. Lieber Urlaub an der Mecklenburger Seenplatte, als in den sonnigen Süden zu fliegen, und Äpfel aus der Region schmecken sowieso besser. Ein Auto brauchte sie in Leipzig auch nicht, sie erfuhr sich die Stadt mit dem alten Fahrrad ihrer Mutter. Doch jetzt galt es, die Welt zu retten, und aus dem gemütlichen Kaffeeplausch in ihrer Küche wurden plötzlich große Partys in Leipzig, München und Düsseldorf.

"Ich selber bin ja immer ein bisschen puristisch unterwegs und sage: Wenn ich was machen kann, dann - zack - mache ich es auch. Also manche Leute sagen, bei mir ist die Tat nicht so weit entfernt vom Gedanken und das stimmt auch."

Das Party-Prinzip ist einfach: Bei Kaffee und Kuchen beantworten Experten Fragen zum Ökostrom. Jeder kann sich ausrechnen lassen, was ihn das Ganze kosten würde. Und wer will, kann gleich vor Ort einen Ökostrom-Vertrag unterschreiben. Allerdings wirbt Ulla Gahn nur für echten Ökostrom, der also unabhängig von der Atom- und Kohleindustrie ist - und da gibt es in Deutschland vier Anbieter.

Zurzeit geniest Ulla Gahn den Luxus, allein in der Leipziger Drei-Raum-WG zu wohnen. Ein Zimmer hat sie zur "Kommandozentrale" ihres inzwischen gegründeten Vereins "Weltrettung sofort und hausgemacht" umfunktioniert. Ein Riesen-Metaplan mit den Aufgaben für die nächsten Wochen hängt an der Wand, daneben eine Deutschlandkarte, auf der die Party-Orte markiert sind.

Das Lebensdrittel, das Ulla Gahn für die Weltrettung vorgesehen hatte, ist inzwischen zur Hälfte geworden. Und weil sie daran nichts verdient, muss sie ab und zu Jobs als Tontechnikerin annehmen, um die Miete bezahlen zu können.

"Seitdem ich jetzt sozusagen berühmt in Anführungszeichen geworden bin mit meinen Ökostrompartys, werde ich natürlich von unterschiedlichen Leuten irgendwie angesprochen, ob ich denn nicht doch hinten herum Geld kriege. Und natürlich habe ich auch schon Angebote aus der Industrie bekommen, ob ich denn nicht diese tolle Partyidee, also im Tupperwarestil, mit Verkaufsveranstaltung kombinieren könnte. Und das möchte ich einfach nicht, das ist nicht meine Partyidee."

2008 musste die Partyttour ausfallen, denn Ulla Gahn hatte sich beim Fußballspielen die Schulter gebrochen. Aber jetzt steht sie wieder unter Strom - unter Ökostrom natürlich - und plant die Partys für nächstes Jahr.

Da sie nicht überall sein kann, hat sie die Geschichte ihrer hausgemachten Weltrettung aufgeschrieben: Die Story, wie sich Ulla Gahn von einer spaßorientierten Gelegenheitsklimaschützerin in die "Jeanne d’Arc der erneuerbaren Energien" verwandelte - wenn man so will, eine Gebrauchsanweisung für die eigene Ökostrom-Wechselparty.

"Ich weiß, dass ich die Welt allein nicht retten kann, und deswegen sehe ich mich so als Anstoß zur Weltrettung. Also mit ganz vielen Leuten zusammen glaube ich schon, dass wir es noch rumreißen können, das Ruder - also dass noch nicht alles verloren ist."

Ende Januar findet in Berlin die nächste Ökostrom-Wechselparty statt.
Ulla Gahn: Unter Strom
PendoVerlag 2008,
200 Seiten, 16,90 Euro