Ökomode jenseits von Wollsocken und Schlabberlook
Ökologische Mode sei nicht automatisch ethisch einwandfreie Mode, sagt die Journalistin Kirsten Brodde anlässlich der heute in Berlin beginnenden Messe "The Key" für nachhaltige Mode. Vor allem größere Modeanbieter konzentrierten sich auf das "Grüner-Werden".
Susanne Führer: In Berlin wird es ab heute modisch, die "Fashion Week" geht los. "Bread and Butter" auch, und dann gibt es noch "The Key", also der Schlüssel. Eine Messe für nachhaltige Mode, auch Ökomode genannt, oder sagen wir es salopp: korrekte Klamotten, die zudem noch schick sein sollen. Mir gegenüber sitzt jetzt die Journalistin Kirsten Brodde, sie ist die Autorin des Buchs "Saubere Sachen", und Frau Brodde, auf den ersten Blick sind Sie eigentlich ganz normal angezogen: weißes T-Shirt, graue Wollhose. Tragen Sie Ökosachen?
Kirsten Brodde: Ja, ich bin inzwischen von Kopf bis Fuß auf Öko eingestellt, und das war gar nicht so schwer, wie ich anfangs gedacht habe, und außerdem musste ich keinen Kredit aufnehmen.
Führer: Von Kopf bis Fuß, also das heißt, auch Socken und Schuhe sind auch öko?
Brodde: Ja. Also das gibt es inzwischen. Am Anfang dachte ich irgendwie, ich müsste möglicherweise barfuß laufen, weil Schuhe sind nach wie vor ein bisschen mau im Angebot, was öko angeht. Aber inzwischen gibt es nicht nur Turnschuhe, die bio und fair sind, und dann aus Biobaumwolle und Recyclingkautschuk in den Sohlen haben, es gibt zum Beispiel auch Leder, was pflanzlich gegerbt ist statt mit dem Schwermetall Chrom – das macht zum Beispiel einen Unterschied aus bei Schuhen. Und das ist inzwischen alles zu haben.
Führer: Da haben Sie jetzt schon ein paar Stichworte genannt. Ich wollte fragen, was ist denn nun eigentlich Biomode? Also ohne Pestizide, also Ökobaumwolle wie Bioweizen zum Beispiel? Kann man das so sagen?
Brodde: Ja, das fängt tatsächlich beim Rohstoff an, wie Sie schon gesagt haben. Also zu Anfang geht es erst mal darum, aus welcher Faser ist diese Mode eigentlich, ist es eine pflanzliche Faser wie Baumwolle oder ist es eine tierische Faser wie Wolle oder Seide, haben wir ja auch noch. Damit hört das aber nicht auf, also das ist sozusagen nur der erste Schritt, weil bis Kleidung wirklich im Schrank hängt, braucht es eine Menge von Arbeitsgängen. Und damit die dann so schön bunt ist, wie wir sie gerne haben und gerne auch noch ein bisschen bügelleicht, wird sie eigentlich regelhaft durch ein Bad von Chemikalien gezogen. Und Ökomode verzichtet auf all das oder setzt es eben nur in geringen Mengen ein und in ökooptimierter Form.
Führer: Aber heißt denn öko auch fair? Also wir wissen ja zum Beispiel alle, was die Näherinnen in Indien oder auch in Bangladesch verdienen, ein paar Cent nämlich nur, und unter welchen erbärmlichen Bedingungen sie arbeiten müssen. Ist das bei einem Ökohemd auch gesichert, dass die Menschen, die das hergestellt haben, auch anständig behandelt worden sind?
Brodde: Im besten Sinne wäre das so. Dann wäre die Ökomode sozusagen doppelt gut, nämlich ökologisch und ethisch einwandfrei. Regelhaft ist das noch kein Automatismus. Also bio bedeutet nicht per se fair und fair umgekehrt bedeutet nicht per se bio. Da sind wir also eigentlich erst bei, eine Fusion herzustellen, dass die Kleidung, die dann in meinem Sinne sozusagen korrekte Klamotte ist oder eben saubere Sache oder weiße Weste hat, wie man auch immer das formuliert, dass die dann auch ethisch einwandfrei ist. Man muss sagen, das ist noch immer nicht so – und vor allen Dingen nicht bei den Großen der Branche, die eingestiegen sind. Weil die machen erst mal das, was naheliegt und was im Trend liegt, und das ist eben umstellen auf Ökologie und Grüner-Werden.
Führer: Also bisher gibt es da nur einige, aber auf keinen Fall alle, die das so machen?
Brodde: Das ist richtig.
Führer: Dann gibt es da so verschiedene Siegel. Also zum Beispiel an meiner Bettdecke, da ist so ein grünes Ökosiegel dran, kann ich mich darauf verlassen – Oeko-Tex Standard oder was auch immer da draufsteht?
Brodde: Also Oeko-Tex hört sich ja erst mal ganz schön grün an, ist aber wirklich nur der allererste Schritt, weil Oeko-Tex verspricht erst mal nichts anderes – und das ist bei Kleidung auch so, wenn Oeko-Tex drinsteht, vor allen Dingen Oeko-Tex 100. Das bedeutet nur, dass das Endprodukt giftfrei ist. Also am ganz am Ende wird noch mal geguckt, was hängt noch wirklich in der Klamotte drin.
Führer: Ich bin enttäuscht.
Brodde: Das ist nicht mehr viel, weil, sorry, alles ist vorher schon in der Luft und im Wasser gelandet oder eben schlimmstenfalls, beispielsweise was die Pestizide angeht, in der Lunge desjenigen, der sie gespritzt hat am Anfang auf dem Acker. Dann ist Ihre Klamotte vielleicht giftfrei, aber auf dem Weg vom Acker bis in den Schrank hat sie eine Menge Chemikalien gesehen.
Führer: Also es gibt aber auf jeden Fall eine ganze Reihe von Siegeln, und kann ich mich denn auf die verlassen, also gibt es auch so ein Siegel, sagen wir mal jetzt Sie, Ihr weißes T-Shirt, das ist dann nicht nur bio, sondern auch noch Fair Trade, wie der Kaffee zum Beispiel?
Brodde: Ja, meins schon, aber auch in diesem T-Shirt ist jetzt kein Etikett drin, was mir sofort diese Entscheidung leicht gemacht hat. Das ist natürlich was, was für Leute, die nicht so Jäger des grünen Schatzes sind wie ich, viel schwieriger, diese Klamotten tatsächlich auch leicht zu finden und an einem Zeichen zu identifizieren, weil es inzwischen eben eine Menge Zeichen gibt. Wobei ich sagen muss, die halte ich in der Regel für verlässlich, weil eigentlich gibt es nichts Schlimmeres, bei dem man im Moment ertappt werden kann, als beim Etikettenschwindel. Greenwashing ist also eine Todsünde geworden. Und da passen doch schon viele Unternehmen auf. Ich hätte nur gerne trotzdem ein Zeichen, so wie bei den Lebensmitteln, das haben wir noch nicht. Aber an dieser Vereinheitlichung wird im Moment hinter den Kulissen gearbeitet.
Führer: Kirsten Brodde im Gespräch im Deutschlandradio Kultur über korrekte Klamotten, korrekte Ökoklamotten. Frau Brodde, kommen wir doch mal zur Mode. Es gibt ja eingeführte Marken, also wie "Waschbär" oder auch wie "Hess Natur", die sind – also ich muss es jetzt mal vornehm sagen – nicht gerade dafür bekannt, besonders stylisch zu sein. Hat sich das inzwischen geändert? Wer bietet denn heute Ökomode an?
Brodde: Erst mal muss ich mal in die Bresche springen für diese Pioniere der Branche, die enorm was geleistet haben und viel Know-how aufgebaut haben eigentlich, wie geht das eigentlich, wenn man wirklich ökologisch einwandfrei produzieren will. Und die haben inzwischen auch was gelernt. Wenn Sie heute mal in einen Laden gehen von "Hess Natur", dann erkennen Sie das nicht wieder. Die haben inzwischen einen spanischen Stardesigner engagiert, der auch schon in New York auf der "Fashion Week" reüssiert hat. Und die Sachen sehen heutzutage auch schon nicht mehr so schrecklich wollsockig aus, wie Sie gerade unterstellen. Richtig ist aber, dass wir vor allen Dingen so eine jüngere Generation von Modedesignern haben. Die kommen erst mal aus der Mode her. Und die Mission kommt dann erst danach.
Führer: Gibt es denn inzwischen mehr stylische, also modische Ökomode?
Brodde: Auf jeden Fall. Wir haben also eine enorme Dynamik in der Branche. Also ich würde mal das, was ich bisher auf Modewochen in den letzten Jahren gesehen habe, das konnte ich ja in Sachen grün im Schnelldurchlauf erledigen ja, da war nicht viel zu sehen. Inzwischen tritt mir schon der Schweiß auf die Stirn, und ich bin dabei, einen Messemarathon sozusagen abzureißen, um mir all das anzugucken, was inzwischen an stylischer neuer Ökomode auf dem Markt ist. Also da ist eine enorme Dynamik zu beobachten.
Führer: Wenn wir das mal wieder mit der Lebensmittelbranche vergleichen, ja, früher gab es ja den Müsli, der aß eben Müsli, trug Jesuslatschen, dazu einen von seiner Freundin selbst gestrickten Kuschelpullover zu irgendwelchen ausgebeulten Hosen. Wenn man heute in den Bioladen geht, dann trifft man dort vor allem die gut situierte und gut gekleidete Mittelschicht, und diese Biolebensmittel findet man auch beim Discounter. Meinen Sie, dass die Ökomode jetzt oder die Biomode so einen ähnlichen Weg geht?
Brodde: Ich denke schon, dass das, was da sozusagen erst mal den Kühlschrank erobert hatte, inzwischen eben auch den Kleiderschrank erobert und dass die Ökomode eine ähnliche Entwicklung macht. Das Angebot wird breiter werden, sie ist vor allen Dingen – Gott sei Dank, muss man mal sagen – ja auch in den Haupteinkaufstraßen zu erhalten und nicht mehr nur im Dritte-Welt-Laden. Da tut sich ja enorm was. Also es gibt immer mehr und sie ist immer leichter zu finden, und sie ist eben auch durchaus zu Einstiegspreislagen zu erhalten, und das ist gar nicht schlecht, finde ich. Warum soll es nicht ein fair gehandeltes T-Shirt auch beim Discounter geben?
Führer: Nun wurde ja dieser Trend zur Ökomode ja immer mal wieder ausgerufen, wenn ich mich recht entsinne, eigentlich fast schon seit 20 Jahren. Was macht Sie denn so sicher, dass es diesmal wirklich eine langlebige Entwicklung sein wird?
Brodde: Was mich so sicher macht, ist, dass dieser grüner Lifestyle eigentlich eine viel breitere Schicht von Interessenten inzwischen hat. Also der hat so sehr sich durchgesetzt in diesem Land, und eben wie gesagt ja schon lange den Kühlschrank erobert oder auch die Kosmetikregale. Und wir heizen mit Holzpellets und wir waschen unser Haar mit Kastanienshampoo, es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es auch die Mode erwischt. Und ich glaube, das hat so eine langsame, stetige Entwicklung genommen, dass das jetzt auch keine Blase ist, die wieder platzt.
Führer: Nun ist Mode ja etwas zutiefst Irrationales. Also ob die Hose nun auf der Hüfte oder auf der Taille zu sitzen hat, das lässt sich ja nun rational nicht begründen, das wechselt eben so. Und auch dass eine, sagen wir mal eine Tasche von Louis Vuitton unbedingt 1000 Euro kosten muss, lässt sich auch nicht rational begründen. Da zahle ich dann ja für den Namen, also für das Label. Das heißt, müsste die Ökomode nicht zwei Dinge tun – also zum einen natürlich modisch sein und zum anderen auch namhafte Marken aufbauen?
Brodde: Das stimmt, das ist schon was Emotionales, was die Mode da anspricht. Und unsere Lust an Abwechslung und irgendwie, man will sich verändern und man will vielleicht auch eine Bindung aufbauen an eine bestimmte Marke. Da stimme ich Ihnen zu, da muss noch einiges passieren. Vor allen Dingen aber muss die Ökomode ein bisschen Speed aus dieser ganzen Geschichte nehmen, weil bei allem Respekt, wir werden auch die Umwelt nicht retten, wenn wir weiter in diesem Tempo eigentlich Mode kaufen – das wird nicht funktionieren. Die Modebranche ist schneller als die Formel 1. Und wenn wir wirklich was tun wollen und erreichen wollen in Sachen Umwelt und Ethik, dann müssen wir auch ein bisschen Drive rausnehmen, und das bedeutet zum Beispiel, ich persönlich habe auch Lust, mich anders anzuziehen, aber ich habe durchaus Sachen, die aus dem Secondhandladen kommen, und ich habe die durchaus gerne auch inzwischen auf Tauschpartys. Ich kann modisch sein, ohne immer was Neues zu kaufen. Ich kann auch was tauschen oder leihen.
Führer: Die Journalistin Kirsten Brodde über Ökomode und Biostoffe aus Anlass der Modemesse "The Key", die heute in Berlin beginnt. Danke für Ihren Besuch, Frau Brodde!
Brodde: Bitte schön!
Kirsten Brodde: Ja, ich bin inzwischen von Kopf bis Fuß auf Öko eingestellt, und das war gar nicht so schwer, wie ich anfangs gedacht habe, und außerdem musste ich keinen Kredit aufnehmen.
Führer: Von Kopf bis Fuß, also das heißt, auch Socken und Schuhe sind auch öko?
Brodde: Ja. Also das gibt es inzwischen. Am Anfang dachte ich irgendwie, ich müsste möglicherweise barfuß laufen, weil Schuhe sind nach wie vor ein bisschen mau im Angebot, was öko angeht. Aber inzwischen gibt es nicht nur Turnschuhe, die bio und fair sind, und dann aus Biobaumwolle und Recyclingkautschuk in den Sohlen haben, es gibt zum Beispiel auch Leder, was pflanzlich gegerbt ist statt mit dem Schwermetall Chrom – das macht zum Beispiel einen Unterschied aus bei Schuhen. Und das ist inzwischen alles zu haben.
Führer: Da haben Sie jetzt schon ein paar Stichworte genannt. Ich wollte fragen, was ist denn nun eigentlich Biomode? Also ohne Pestizide, also Ökobaumwolle wie Bioweizen zum Beispiel? Kann man das so sagen?
Brodde: Ja, das fängt tatsächlich beim Rohstoff an, wie Sie schon gesagt haben. Also zu Anfang geht es erst mal darum, aus welcher Faser ist diese Mode eigentlich, ist es eine pflanzliche Faser wie Baumwolle oder ist es eine tierische Faser wie Wolle oder Seide, haben wir ja auch noch. Damit hört das aber nicht auf, also das ist sozusagen nur der erste Schritt, weil bis Kleidung wirklich im Schrank hängt, braucht es eine Menge von Arbeitsgängen. Und damit die dann so schön bunt ist, wie wir sie gerne haben und gerne auch noch ein bisschen bügelleicht, wird sie eigentlich regelhaft durch ein Bad von Chemikalien gezogen. Und Ökomode verzichtet auf all das oder setzt es eben nur in geringen Mengen ein und in ökooptimierter Form.
Führer: Aber heißt denn öko auch fair? Also wir wissen ja zum Beispiel alle, was die Näherinnen in Indien oder auch in Bangladesch verdienen, ein paar Cent nämlich nur, und unter welchen erbärmlichen Bedingungen sie arbeiten müssen. Ist das bei einem Ökohemd auch gesichert, dass die Menschen, die das hergestellt haben, auch anständig behandelt worden sind?
Brodde: Im besten Sinne wäre das so. Dann wäre die Ökomode sozusagen doppelt gut, nämlich ökologisch und ethisch einwandfrei. Regelhaft ist das noch kein Automatismus. Also bio bedeutet nicht per se fair und fair umgekehrt bedeutet nicht per se bio. Da sind wir also eigentlich erst bei, eine Fusion herzustellen, dass die Kleidung, die dann in meinem Sinne sozusagen korrekte Klamotte ist oder eben saubere Sache oder weiße Weste hat, wie man auch immer das formuliert, dass die dann auch ethisch einwandfrei ist. Man muss sagen, das ist noch immer nicht so – und vor allen Dingen nicht bei den Großen der Branche, die eingestiegen sind. Weil die machen erst mal das, was naheliegt und was im Trend liegt, und das ist eben umstellen auf Ökologie und Grüner-Werden.
Führer: Also bisher gibt es da nur einige, aber auf keinen Fall alle, die das so machen?
Brodde: Das ist richtig.
Führer: Dann gibt es da so verschiedene Siegel. Also zum Beispiel an meiner Bettdecke, da ist so ein grünes Ökosiegel dran, kann ich mich darauf verlassen – Oeko-Tex Standard oder was auch immer da draufsteht?
Brodde: Also Oeko-Tex hört sich ja erst mal ganz schön grün an, ist aber wirklich nur der allererste Schritt, weil Oeko-Tex verspricht erst mal nichts anderes – und das ist bei Kleidung auch so, wenn Oeko-Tex drinsteht, vor allen Dingen Oeko-Tex 100. Das bedeutet nur, dass das Endprodukt giftfrei ist. Also am ganz am Ende wird noch mal geguckt, was hängt noch wirklich in der Klamotte drin.
Führer: Ich bin enttäuscht.
Brodde: Das ist nicht mehr viel, weil, sorry, alles ist vorher schon in der Luft und im Wasser gelandet oder eben schlimmstenfalls, beispielsweise was die Pestizide angeht, in der Lunge desjenigen, der sie gespritzt hat am Anfang auf dem Acker. Dann ist Ihre Klamotte vielleicht giftfrei, aber auf dem Weg vom Acker bis in den Schrank hat sie eine Menge Chemikalien gesehen.
Führer: Also es gibt aber auf jeden Fall eine ganze Reihe von Siegeln, und kann ich mich denn auf die verlassen, also gibt es auch so ein Siegel, sagen wir mal jetzt Sie, Ihr weißes T-Shirt, das ist dann nicht nur bio, sondern auch noch Fair Trade, wie der Kaffee zum Beispiel?
Brodde: Ja, meins schon, aber auch in diesem T-Shirt ist jetzt kein Etikett drin, was mir sofort diese Entscheidung leicht gemacht hat. Das ist natürlich was, was für Leute, die nicht so Jäger des grünen Schatzes sind wie ich, viel schwieriger, diese Klamotten tatsächlich auch leicht zu finden und an einem Zeichen zu identifizieren, weil es inzwischen eben eine Menge Zeichen gibt. Wobei ich sagen muss, die halte ich in der Regel für verlässlich, weil eigentlich gibt es nichts Schlimmeres, bei dem man im Moment ertappt werden kann, als beim Etikettenschwindel. Greenwashing ist also eine Todsünde geworden. Und da passen doch schon viele Unternehmen auf. Ich hätte nur gerne trotzdem ein Zeichen, so wie bei den Lebensmitteln, das haben wir noch nicht. Aber an dieser Vereinheitlichung wird im Moment hinter den Kulissen gearbeitet.
Führer: Kirsten Brodde im Gespräch im Deutschlandradio Kultur über korrekte Klamotten, korrekte Ökoklamotten. Frau Brodde, kommen wir doch mal zur Mode. Es gibt ja eingeführte Marken, also wie "Waschbär" oder auch wie "Hess Natur", die sind – also ich muss es jetzt mal vornehm sagen – nicht gerade dafür bekannt, besonders stylisch zu sein. Hat sich das inzwischen geändert? Wer bietet denn heute Ökomode an?
Brodde: Erst mal muss ich mal in die Bresche springen für diese Pioniere der Branche, die enorm was geleistet haben und viel Know-how aufgebaut haben eigentlich, wie geht das eigentlich, wenn man wirklich ökologisch einwandfrei produzieren will. Und die haben inzwischen auch was gelernt. Wenn Sie heute mal in einen Laden gehen von "Hess Natur", dann erkennen Sie das nicht wieder. Die haben inzwischen einen spanischen Stardesigner engagiert, der auch schon in New York auf der "Fashion Week" reüssiert hat. Und die Sachen sehen heutzutage auch schon nicht mehr so schrecklich wollsockig aus, wie Sie gerade unterstellen. Richtig ist aber, dass wir vor allen Dingen so eine jüngere Generation von Modedesignern haben. Die kommen erst mal aus der Mode her. Und die Mission kommt dann erst danach.
Führer: Gibt es denn inzwischen mehr stylische, also modische Ökomode?
Brodde: Auf jeden Fall. Wir haben also eine enorme Dynamik in der Branche. Also ich würde mal das, was ich bisher auf Modewochen in den letzten Jahren gesehen habe, das konnte ich ja in Sachen grün im Schnelldurchlauf erledigen ja, da war nicht viel zu sehen. Inzwischen tritt mir schon der Schweiß auf die Stirn, und ich bin dabei, einen Messemarathon sozusagen abzureißen, um mir all das anzugucken, was inzwischen an stylischer neuer Ökomode auf dem Markt ist. Also da ist eine enorme Dynamik zu beobachten.
Führer: Wenn wir das mal wieder mit der Lebensmittelbranche vergleichen, ja, früher gab es ja den Müsli, der aß eben Müsli, trug Jesuslatschen, dazu einen von seiner Freundin selbst gestrickten Kuschelpullover zu irgendwelchen ausgebeulten Hosen. Wenn man heute in den Bioladen geht, dann trifft man dort vor allem die gut situierte und gut gekleidete Mittelschicht, und diese Biolebensmittel findet man auch beim Discounter. Meinen Sie, dass die Ökomode jetzt oder die Biomode so einen ähnlichen Weg geht?
Brodde: Ich denke schon, dass das, was da sozusagen erst mal den Kühlschrank erobert hatte, inzwischen eben auch den Kleiderschrank erobert und dass die Ökomode eine ähnliche Entwicklung macht. Das Angebot wird breiter werden, sie ist vor allen Dingen – Gott sei Dank, muss man mal sagen – ja auch in den Haupteinkaufstraßen zu erhalten und nicht mehr nur im Dritte-Welt-Laden. Da tut sich ja enorm was. Also es gibt immer mehr und sie ist immer leichter zu finden, und sie ist eben auch durchaus zu Einstiegspreislagen zu erhalten, und das ist gar nicht schlecht, finde ich. Warum soll es nicht ein fair gehandeltes T-Shirt auch beim Discounter geben?
Führer: Nun wurde ja dieser Trend zur Ökomode ja immer mal wieder ausgerufen, wenn ich mich recht entsinne, eigentlich fast schon seit 20 Jahren. Was macht Sie denn so sicher, dass es diesmal wirklich eine langlebige Entwicklung sein wird?
Brodde: Was mich so sicher macht, ist, dass dieser grüner Lifestyle eigentlich eine viel breitere Schicht von Interessenten inzwischen hat. Also der hat so sehr sich durchgesetzt in diesem Land, und eben wie gesagt ja schon lange den Kühlschrank erobert oder auch die Kosmetikregale. Und wir heizen mit Holzpellets und wir waschen unser Haar mit Kastanienshampoo, es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es auch die Mode erwischt. Und ich glaube, das hat so eine langsame, stetige Entwicklung genommen, dass das jetzt auch keine Blase ist, die wieder platzt.
Führer: Nun ist Mode ja etwas zutiefst Irrationales. Also ob die Hose nun auf der Hüfte oder auf der Taille zu sitzen hat, das lässt sich ja nun rational nicht begründen, das wechselt eben so. Und auch dass eine, sagen wir mal eine Tasche von Louis Vuitton unbedingt 1000 Euro kosten muss, lässt sich auch nicht rational begründen. Da zahle ich dann ja für den Namen, also für das Label. Das heißt, müsste die Ökomode nicht zwei Dinge tun – also zum einen natürlich modisch sein und zum anderen auch namhafte Marken aufbauen?
Brodde: Das stimmt, das ist schon was Emotionales, was die Mode da anspricht. Und unsere Lust an Abwechslung und irgendwie, man will sich verändern und man will vielleicht auch eine Bindung aufbauen an eine bestimmte Marke. Da stimme ich Ihnen zu, da muss noch einiges passieren. Vor allen Dingen aber muss die Ökomode ein bisschen Speed aus dieser ganzen Geschichte nehmen, weil bei allem Respekt, wir werden auch die Umwelt nicht retten, wenn wir weiter in diesem Tempo eigentlich Mode kaufen – das wird nicht funktionieren. Die Modebranche ist schneller als die Formel 1. Und wenn wir wirklich was tun wollen und erreichen wollen in Sachen Umwelt und Ethik, dann müssen wir auch ein bisschen Drive rausnehmen, und das bedeutet zum Beispiel, ich persönlich habe auch Lust, mich anders anzuziehen, aber ich habe durchaus Sachen, die aus dem Secondhandladen kommen, und ich habe die durchaus gerne auch inzwischen auf Tauschpartys. Ich kann modisch sein, ohne immer was Neues zu kaufen. Ich kann auch was tauschen oder leihen.
Führer: Die Journalistin Kirsten Brodde über Ökomode und Biostoffe aus Anlass der Modemesse "The Key", die heute in Berlin beginnt. Danke für Ihren Besuch, Frau Brodde!
Brodde: Bitte schön!