Öko und trotzdem chic

Peter Zec im Gespräch mit Britta Bürger · 17.07.2009
Der Aspekt der Nachhaltigkeit gewinnt auch in der Produktenwicklung und -gestaltung eine immer größere Rolle. Die Zeiten des typischen "Ökotouch oder Ökolook" seien vorbei, sagt Design-Professor Peter Zec.
Britta Bürger: Vorbei die Zeiten, als man beim Stichwort Ökodesign nur an Sack und Asche dachte. Der ökologische Aspekt wird in der Entwicklung von neuen Produkten immer wichtiger. Stoff für unser Gespräch über grüne Produktentwicklung mit dem Design-Professor Peter Zec. Er ist unter anderem Herausgeber des renommierten "red dot design"-Jahrbuches. Schönen guten Tag, Herr Zec!

Peter Zec: Ja, guten Morgen!

Bürger: Beschreiben Sie uns ein neueres Produkt, das Sie besitzen oder gern besitzen würden und von dem Sie sagen, das erfüllt die Kriterien für grünes Design schon ganz gut!

Zec: Es gibt also sehr viele, beispielsweise bekomme ich am Montag eine neue Heizung in mein Haus eingebaut, und bei Heizungen denkt man natürlich vordergründig zunächst mal nicht an Design, aber hierbei handelt es sich wirklich um ein hervorragend gestaltetes Produkt, und die Heizung erfüllt natürlich alle Kriterien – oder soweit es geht alle möglichen Kriterien – für grünes Design, weil sie energiesparend ist und weil ich damit auch sehr viel Kosten sparen kann, ich kann auch das Wasser effizienter erhitzen. Und das ist der nächste Punkt dann: Im Bad würde ich gerne noch eine neue Dusche installieren, die sozusagen auf Wasserersparnis umstellbar ist.

Bürger: Energie sparen, Kosten sparen und sieht gut aus – was gehört noch zum grünen Design?

Zec: Also im Grunde genommen haben Sie ja schon die Punkte genannt. Es geht um Energieersparnis, es geht aber auch um Materialeinsparung, also je weniger Material wir verwenden, um neue Produkte entstehen zu lassen, desto umweltschonender ist es, aber vor allen Dingen geht es natürlich darum, nachhaltige Produkte zu entwickeln. Und da gibt es einen kleinen Widerspruch beim Design. Design soll ja eigentlich dafür sorgen, dass mehr verkauft wird, aber idealerweise ist es natürlich so, wenn Design so gut ist, dass es lange im Gebrauch bleibt, dann ist es natürlich optimal auch für unsere Umwelt, weil wir dann nicht immer wieder mit neuen Produkten neue Materialien verschwenden.

Bürger: In welchen Bereichen des Designs wird denn derzeit ganz besonders an der Entwicklung grüner Produkte gearbeitet?

Zec: Also man kann sagen, dass eigentlich heute, ich sag mal, ein Unternehmen, was seinen Auftrag ernst nimmt und was sozusagen auch gesellschaftsfähig sich bewegt, dass also in diesen Unternehmen überall ökologische Gedanken eine Rolle spielen. Die treibende Kraft dafür sind natürlich neue technologische Entwicklungen, das heißt, das Design steht da immer erst an zweiter Stelle. Die Designer müssen technologische Innovationen aufgreifen und dann in eine Form bringen, die nicht stigmatisierend ist, sondern die sozusagen diese neuen technischen Möglichkeiten wirklich ästhetisch ansprechend und eben nicht mit so einem Ökotouch oder Ökolook in unser Leben integriert.

Bürger: Lässt sich sagen, welche Materialien unter ökologischen Gesichtspunkten wirklich out sind und was zukunftsweisend sein wird oder schon ist?

Zec: Beispielsweise natürlich erst mal alle Materialien, die Giftstoffe enthalten – Quecksilber oder arsenhaltige Stoffe, die zum Beispiel bei Computermonitoren zum Teil eingesetzt werden –, da sind Hersteller heute auf dem Weg, dass sie diese Sachen vermeiden wollen. Dann natürlich alle Materialien, die nicht abbaubar sind, ökologisch abbaubar sind, oder die nicht trennbar sind. Aber das sind alles Erkenntnisse, die wir gerade hier bei uns in Deutschland schon seit im Grunde genommen kann man sagen Jahrzehnten haben und die auch bereits in der Politik zu entsprechenden Maßnahmen geführt haben.

Bürger: Erstaunt hat mich, dass bei der Vergabe des diesjährigen red dot design awards, dieses wirklich bedeutenden internationalen Designpreises, die Firma Tupper ausgezeichnet wurde. Sind deren Plastikschüsseln grün und nachhaltig?

Zec: Im Prinzip kann man das so sagen, ja. Also Tupperware ist ein Unternehmen, was sich also auch sehr intensive gerade mit Nachhaltigkeit und ökologischen Konzepten beschäftigt. Die haben sehr früh sogar eingeführt Container, die man mit zum Einkaufen nehmen kann, um zum Beispiel zu vermeiden, dass man permanent Plastiktüten mitnehmen muss. Allerdings sind sie dabei an gesetzlichen Aufgaben gescheitert, also weil die Tupperware-Container nicht über den Fleischertresen ausgehändigt werden dürfen aus hygienischen Gründen. Aber das Entscheidende bei Tupperware ist eigentlich die hohe Produktqualität. Sie haben ja im Grunde genommen eine lebenslange Garantie auf die Produkte, und viele Produkte sind weit über 30 Jahre im Einsatz in den Haushalten. Und dann natürlich – weil wir es dort mit Lebensmitteln zu tun haben – müssen die Produkte alle total schadstofffrei und giftfrei entwickelt werden. Dafür gibt das Unternehmen also wirklich Millionen aus, um einen absolut hochwertigen Kunststoff herzustellen.

Bürger: Das heißt, grünes Design setzt auch einen Akzent gegen diese Wegwerfmentalität?

Zec: Absolut. Ich meine, es ist ein Riesenunterschied, ob Sie jetzt zum Beispiel Ihre Speisen in Tupper-Schüsseln aufbewahren, die Sie immer wieder benutzen können, oder ob Sie einfach mit Folie arbeiten und auf diese Art und Weise immer wieder neues Material einsetzen und damit natürlich auch verbrauchen.

Bürger: Herr Zec, mit welchen Themenfeldern befassen sich denn Designer heute jenseits der schönen Formen? Was gehört da alles zum geistigen Background?

Zec: Ja, es geht in erster Linie um Materialkunde, das heißt, Designer sind hochgradig daran interessiert, immer wieder auf dem neuesten Stand zu sein, was an neuen Materialien beispielsweise bei den Stoffen oder auch bei Kunststoffen entwickelt wird, dabei ist natürlich die Nanotechnologie eine Leitwissenschaft. Und im Einklang damit kommt es für Designer auch darauf an, dass sie neue Produktionsmethoden, neue Produktionsweisen entsprechend kennenlernen, weil sie halt mit diesem Hintergrundwissen dann eben Produktinnovationen gestalten müssen. Also ein Designer, der über dieses, ich sag mal, über diesen technischen Background nicht verfügt, wird auch langfristig oder wird überhaupt nicht in der Lage sein, fundiertes grünes Design zu machen.

Bürger: Ist die Ausbildung von Designern da wirklich auf der Höhe der Zeit?

Zec: Ja, da muss ich ein bisschen kritisch werden. Also bei uns in Deutschland sind wir zwar sehr ideologisch eingestellt, was ökologisches Design angeht, also wir führen da heute auch immer noch zum Teil eine ideologische Debatte, aber wenn es darum geht, sozusagen tatsächlich mit Know-how dagegen etwas zu setzen, dann muss ich sagen, ist momentan das Bewusstsein an internationalen Schulen sehr viel ausgeprägter als bei uns, vor allen Dingen, was zum Beispiel Materialkunde und auch Technologieeinsatz angeht. Bei uns wird Design mehr und mehr interessanterweise als eine ästhetische Disziplin verstanden, an den Hochschulen auch, und das ist eigentlich ein großer Unterschied zu den Wurzeln, die ja das Design in Deutschland hat, wo man damals bei der Ulmer Hochschule oder auch beim Bauhaus ja immer schon auch den technischen Aspekt mit dem ästhetischen verbunden hat.

Bürger: Sagen Sie noch genauer, wo auf der Welt ist man da schon sehr viel weiter?

Zec: Also beispielsweise in England, am Royal College of Art, aber auch interessanteweise gibt es sehr viel interessante Schulen in Australien, auch in Singapur, Amerika das Pratt Institute und beispielsweise Pasadena in Kalifornien, da macht man sich zum Beispiel Gedanken mit energiesparenden Modellen im Automobilbereich und so. Und es ist ja auch interessant, dass der erste richtige Ökosportwagen, ein Elektrowagen, in Amerika gebaut worden ist, das hätte man gar nicht so erwartet eigentlich.

Bürger: Sie haben das Stichwort Bauhaus eben genannt. Vor 90 Jahren wurde es gegründet, damals ja auch schon mit der Idee, dass die Form eines Gegenstandes der Funktion folgen sollte. Insofern ist das Bauhaus noch heute wegweisend. Wie aber würde ein heute entstehendes Bauhaus aussehen? Was gäbe es dort anstelle von Keramik, Metall und Möbelwerkstatt?

Zec: Das Besondere am Bauhaus war ja, dass man auch sich technisch auf dem höchsten Niveau bewegt hat, und man hat also beispielsweise Leichtbautechniken dort genutzt im Möbelbau, also die Stahlrohrtechnik und so weiter. Heute würde das bedeuten, dass man eben auch mit den neusten Materialien arbeitet, also zum Beispiel mit Karbonfasern oder eben mit Stoffen, die mithilfe von Nanotechnologie entwickelt worden sind, oder im Bereich Licht mit LED-Techniken und so weiter. Und man würde diese neuen Materialien und Verarbeitungsmöglichkeiten in Kontext setzen mit Informationstechnologie, das heißt also, die Produkte … Für mich wäre heute ein Bauhaus ein Bauhaus, was Rohstoffinformationen gestaltet, sodass er sozusagen für uns, für jedermann ganz leicht anwendbar wird und dass sehr viele intelligente Produkte erhalten, die unser Leben begleiten und auch sehr viel vereinfachen.

Bürger: Diese intelligenten Produkte sind gleichzeitig sehr hochwertige Produkte. Welche Rolle spielt so hochwertiges Design jetzt in Zeiten der Krise, wo viele Leute doch einfach nur ein Schnäppchen kaufen wollen?

Zec: Ja, ich glaube, also meine Mutter hat immer gesagt, wir können uns billig nicht leisten, weil wir zu arm sind. Das heißt also, wer sozusagen meint, dass er spart, indem er sozusagen sehr wenig Geld für eine Neuanschaffung ausgibt, legt langfristig gesehen eigentlich immer mehr auf den Tisch, weil die Sachen dann doch schneller verschleißen und man dann schnell wieder was Neues kaufen muss. Und ich glaube, viele Leute erkennen jetzt, dass es darauf ankommt, auf nachhaltige Produkte zu setzen. Außerdem merkt man ja auch, dass zum Beispiel die Häuslichkeit zunimmt, man geht nicht mehr so oft außerhalb essen, so heißt es, und so muss man eben das eigene Zuhause ein bisschen schöner machen. Und dabei setzen mehr und mehr Konsumenten einfach auf höhere Qualität und sind dann auch in der jetzigen Krise bereit, ein bisschen mehr auszugeben, nicht zuletzt deshalb, weil, wenn man das Geld auf der Bank hat, kriegt man ja heute kaum noch Zinsen dafür, da lohnt es sich schon besser, in gute Produkte zu investieren.

Bürger: Eine Designerin hat gesagt, es geht heute im Grunde darum, moderne Produkte herzustellen, die wieder zur Antiquität werden dürfen. Design-Professor Peter Zec über grünes Design, Umweltbewusstsein gepaart mit anspruchsvoller Ästhetik, ein Markt mit Zukunft. Ich danke Ihnen sehr fürs Gespräch, Herr Zec!

Zec: Ich danke Ihnen auch!

Bürger: Tschüss!

Zec: Tschüss!