Öko-Offensive

Der Rotterdamer Hafen wird grün

Bäume schwimmen jetzt schon im Hafen von Rotterdam.
Bäume schwimmen jetzt schon im Hafen von Rotterdam. © Klaus Englert
Von Klaus Englert · 02.04.2018
Rotterdam mausert sich zur Öko-City. Nachdem in den letzten Jahren die Stadtteile jenseits der Maas aufgewertet wurden, folgt nun der nächste Schritt: die nachhaltige Entwicklung des Hafens - der größte in Europa.
"Städte brauchen Räume, in denen Menschen neue Dinge ausprobieren können. Genau das zeigt sich hier im Hafen. Ich freue mich, dass Rotterdam mitten im Aufbruch ist", sagt Floris Alkemade, Reichsbaumeister der Niederlande, über das riesige Rotterdamer Hafenareal.
Der Architekt arbeitete viele Jahre in Rem Koolhaas' Karriereschmiede "Office for Metropolitan Architecture" und verfolgte die Entwicklung des Hafenviertels. Jetzt steht Alkemade am Katendrecht-Pier. Noch heute überrascht es ihn, dass es einer einfachen Fußgänger-Brücke zur benachbarten Wilhelmina-Pier gelang, dem zuvor abgeschnittene Katendrecht zu einem unverhofften Entwicklungsschub zu verhelfen. Tatsächlich sind in der Zwischenzeit trendige Galerien, Ateliers, Cafés und Restaurants in ehemalige Lagerhallen eingezogen.

Inseln aus Plastik

Von Katendrecht aus schaut Floris Alkemade den Rheinhafen hinunter, ans andere Ende des Hafenbeckens. Dort ragen zwei transparente Kuppelbauten – die Floating Pavillons – ins Wasser. Davor breiten sich die Inseln des Recycled Park aus: kleine, kreisrunde Eilande, auf denen Bäume wachsen. Für den Initiator Ramon Knoester gehört die schwimmende Parklandschaft zu den ersten ökologischen Projekten im Hafenareal. "Wir arbeiten mit der Hafenverwaltung zusammen, ebenso mit Wissenschaftlern und Architekten von Forschungsinstituten, um den Plastikabfall aus dem Fluss zu fischen, bevor er das Meer erreicht", erzählt er. "Gleichzeitig wollen wir zum Recyceln des Plastiks beitragen."
Ramon Knoester konnte Rotterdams Oberbürgermeister Ahmed Aboutaleb für seine Idee gewinnen: "Mehr städtisches Grün als spektakuläre Hochhäuser". Und so legte Knoester den Recycled Park im Rheinhafen an – kleine, auf dem Wasser treibende grüne Inseln. Auf Computeranimationen zeigt der Architekt, wie das Archipel in wenigen Jahren aussehen wird: Die künstlichen Inseln breiten sich zu einer grünen Wasserlandschaft aus, mit ausreichend Nahrung für Fische, Insekten und Vögel.

Landtierhaltung auf dem Wasser

Von den "Floating Islands" zu den "Floating Farms": Der Rotterdamer Unternehmer Peter van Wingerden setzt sich für ein Leben auf dem Wasser ein. Van Wingerden sieht darin das Zukunftsmodell der Niederländer. Mit den Hydroingenieuren vom Testlabor Aquadoc realisierte er wegweisende Projekte für den Hafen.
"Anstatt unseren Planeten mit Beton zu verbauen, sollten wir die Nahrungsmittel-Produktion verbessern", meint er. "Wir planen Floating Cities mit der Technologie von Heute." Zunächst haben sie ein Floating Hotel entworfen. "Nun arbeiten wir an der Floating Farm. Diese auf dem Wasser angesiedelte Farm ist für jeden offen, sie produziert selber die notwendige Energie. Es ist ein völlig nachhaltiges Projekt."
Peter van Wingerden möchte die holländische Metropole zur "Pilotstadt" der Floating Farms machen, er will gewährleisten, dass die landwirtschaftliche Produktion näher an die Verbraucher heranrückt. Die schwimmenden, am Ufer angedockten, zweigeschossigen Plattformen starten bereits in diesem Frühjahr und sollen danach von seiner Firma Beladon weltweit eingesetzt werden.

Neuer Touristenmagnet

Das Hafenareal wandelt sich in ein riesiges Experimentallabor für eine Architektur in den Zeiten des Klimawandels. Doch den größten medialen Wirbel erzeugt ein bislang noch gar nicht gebautes Projekt: die spektakuläre "Dutch Windwheel" vom südafrikanisch-holländischen Team Doepel Strijkers. Dabei handelt es sich weniger um ein traditionelles Windrad als um ein kurioses Hightech-Gebilde. Aber Duzan Doepel ist davon überzeugt, die "Dutch Windwheel" am Maasufer zur touristischen Ikone Rotterdams zu machen.
"Wir haben eine doppelte Ringstruktur mit vielen Service-Angeboten entworfen", erzählt er. Die Touristen-Attraktion "Dutch Windwheel" beherberge im äußeren Ring Wohnungen, Geschäfte und ein Hotel. "Gleichzeitig wird das Gebäude Energie aus Wind und Sonnenstrahlen gewinnen. Um Wind in Energie umzuwandeln, besitze dies eine Oberfläche von 15.000 Quadratmeter. Und der äußere Ring, der eine Fläche von 45.000 Quadratmetern aufweise, erzeuge durch gespeicherte Energie Wärme, Kälte und natürliche Belüftung. "Unser Ziel ist ein Plusenergiehaus, dessen Energieproduktion dreimal höher ist als der Verbrauch. Damit versorgen wir die gesamte Nachbarschaft mit Energie."

Rotterdams Experimentallabor

Doch bis zur Fertigstellung der "Dutch Windwheel" fließt noch viel Wasser die Maas hinab, und keiner weiß, ob das Gebilde tatsächlich – wie von Duzan Doepel geplant – bis zur Rotterdamer Expo 2025 fertig gestellt sein wird.
Reichsbaumeister Floris Alkemade begleitet derweil die kleinen und großen Initiativen. Er ist davon überzeugt, dass Rotterdams Experimentallabor weiter mit Hochdruck arbeiten wird. Es gebe dafür keinen "Top-Down-Masterplan", der bestimme, wohin sich das Hafenareal entwickeln solle. "Vielmehr setzte sich ein Spiel der Kräfte durch, die ihren Weg mit erstaunlichem Einsatz suchen. Die Leute kommen hierhin, um Dinge auszuprobieren. Es ist fantastisch, dass diese Experimente möglich sind. Neue Ideen und Dinge, die man nie zuvor gesehen hat, finden hier einen fruchtbaren Boden."
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