Öffentlicher Nahverkehr

"Avantgarde" fährt Bus und Bahn

07:34 Minuten
Ein Fahrgast steigt in Berlin in eine U-Bahn ein.
Gerade für junge Fahrgäste ist Mobilität wichtig, aber es gilt den Nahverkehr für sie attraktiv zu halten. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Franziska Jurczok im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 18.02.2022
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In Bus und Bahn sind vor allem bessergestellte Leute unterwegs. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt die Mobilitätsexpertin Franziska Jurczok. Wer über weniger Geld verfügt und sozial schlechter gestellt ist, erweist sich auch als weniger mobil.
Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die im Alltag das Auto nutzen oder in die öffentlichen Verkehrsmittel steigen, sagt die Mobilitätsexpertin Franziska Jurczok. Das Heidelberger Markt- und Sozialforschungsinstitut SINUS unterscheide in der deutschen Gesellschaft zwischen zehn verschiedenen Gruppen, die einen ähnlichen Lebensstil und ähnliche Einstellungen hätten. Deswegen seien sie auch unterschiedlich unterwegs.

Unterschiedliche Mobilität

"Was wir sehen, ist, dass es vor allem junge Menschen sind, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind und die gut ausgebildet sind", sagt Jurczok. Bei ihnen sei Mobilität ein Zeichen des Status und der Grundeinstellung zum Leben. "Wer morgens in die U-Bahn einsteigt, sieht, dass es eine gute Mischung gibt. Da sitzt die junge Studentin, daneben sitzt auch der Altenpfleger oder vielleicht auch der Kleinkünstler, der versucht, ein bisschen Geld zu machen." Es gebe zwar diese Mischung, aber die SINUS-Untersuchungen zeigten, dass Menschen mit sehr niedrigem sozialen Status und weniger Geld generell weniger mobil seien.
Die Berliner U-Bahn vom Typ A1 im Jahr 1902 am Schlesischen Tor.
Die Eröffnung der ersten Berliner U-Bahnstrecke war vor 120 Jahren. Der Fahrpreis kostete damals zwischen zehn und 30 Pfennigen. © picture-alliance- dpa
Im Vergleich zum Auto sei zwar der öffentliche Nahverkehr auch für Geringverdiener attraktiv, sagt Jurczok. "Man muss aber genau unterscheiden: Wer ist mit Geringverdiener gemeint oder mit sozial Schwächerem?" Die Studien zeigten, dass besser gestellte Menschen sehr gerne mit öffentlichem Nahverkehr unterwegs seien. Jurczok nennt als Beispiel die Gruppe der "Expeditiven", die mental sehr mobil seien und sich auch darüber definierten, viel unterwegs zu sein. "Wir sehen, dass diese umweltbewusste Avantgarde eben auch bewusst mit dem ÖPNV unterwegs ist."
Wenn diese Gruppe in der Gesellschaft aufsteige und über mehr Geld verfüge, werde es interessant, ob sie weiter die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, so Jurczok. "Oder steigen sie um auf das Auto oder das Mietauto?" Deshalb sei es richtig, das Angebot im ÖPNV zu verbessern, die U-Bahn sauberer und komfortabler zu halten sowie den Takt der Verkehrsmittel zu erhöhen.

Multi-Mobilität als Rezept der Zukunft

In der Coronazeit habe der öffentliche Nahverkehr gelitten und sei ins Minus geraten, sagt die Verkehrsexpertin. "Bestimmte Gruppen sind jetzt weniger mobil und mehr im Homeoffice." Für viele sei das Auto eine gute Möglichkeit gewesen, sicher unterwegs zu sein. Auch das Fahrrad habe als Alternative profitiert.
"Insofern liegt die Zukunft der Mobilität in der Stadt mit Sicherheit in der Multi-Mobilität", so Jurczok. Verkehrsmittel sollten gut miteinander kombiniert werden. Wer aus der U-Bahn aussteige, könne das letzte Stück mit dem Fahrrad oder mit dem Elektroroller fahren.
(gem)

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