Öffentlich-rechtliche Medien in Europa

Staatsfern, staatsnah oder was?

21:43 Minuten
Eingang des Broadcasting House in London, das seit 2013 der Hauptsitz der British Broadcasting Corporation (BBC) ist.
Hauptsitz der BBC in London: Die British Broadcasting Corporation steht heftig in der Kritik. © picture alliance / dpa / Daniel Kalker
Von Kilian Kirchgeßner, Burkhard Birke und Uwe Hasebrink  · 23.09.2020
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Lügenpresse, Staatsfunk. Zu teuer, veraltet, parteiisch. Gleichgültig, in welches Land man schaut: Die Meinungen über die öffentlich-rechtlichen Medien in Europa spalten die Bevölkerung. Gibt es länderspezifische Unterschiede? Wenn ja, warum?
Was sind die Vorteile, wo liegen die Probleme der Öffentlich-Rechtlichen? Oft wird kritisiert, dass sie von Politikern instrumentalisiert werden. Wie können öffentlich-rechtlichen Medien dem eigenen Anspruch nach Ausgewogenheit und Unvoreingenommenheit gerecht werden, wenn man sowohl sparen muss, als auch auf Gebühren beziehungsweise Steuern angewiesen ist? Und ist dieser Anspruch europaweit gleich?

Tschechien: Bevölkerung vertraut Öffentlich-Rechtlichen

Im ehemaligen Ostblock werden sehr häufig Ungarn und Polen genannt, die für die Entwicklung Richtung Staatsfunk stehen. Aber Osten ist eben nicht gleich Osten: Tschechien ist da ein gutes Beispiel.
Zwar stehen auch hier die Öffentlich-Rechtlichen in der Schusslinie. Aber viele Menschen erinnern sich noch gut an die Besetzung des Sendegebäudes durch die Warschauer-Pakt-Truppen im Jahr 1968, und halten zu ihm, wie Kilian Kirchgeßner erfahren hat.

Großbritannien: BBC setzt auf neue Akzente

Burkhard Birke dagegen hat sich im Urland des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in Großbritannien, umgeschaut. Die BBC – weltweit bisher für Journalisten und Journalistinnen Vorbild – steht unter massivem Beschuss. Dabei hat sie sich inzwischen komplett reformiert, die Zahl der Mitarbeiter verkleinert, sich eine neue Führungsstruktur gegeben. Neben vielen anderen Gründen für die nicht versiegende Kritik sind auch die Brexit-Diskussionen dafür verantwortlich.
Zwei Beispiele: Großbritannien und Tschechien, die für sich stehen, aber auch die Breite und Vielfalt des Themas zeigen.

Europa und der öffentlich-rechtliche Rundfunk

Beeinflusst die Art der Finanzierung den Erfolg der Öffentlich-Rechtlichen in Europa? Darüber spricht Margarete Wohlan mit dem Medienwissenschaftler Uwe Hasebrink, der das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg leitet. Die Modelle sind unterschiedlich.
Finnland stellte 2013 von einer Rundfunkgebühr auf eine Rundfunksteuer um. In Deutschland gilt seit 2013 eine Haushaltsabgabe, die 2019 auch in der Schweiz eingeführt wurde. Zuvor hatte die Schweizer Bevölkerung die Abschaffung der Rundfunkgebühren nach einem viel beachteten Referendum abgelehnt.
In Dänemark erfolgt die Finanzierung seit 2018 aus dem staatlichen Budget, und auch in Österreich wird regelmäßig über ein Ende der Gebührenfinanzierung diskutiert. Ein Blick über die Ländergrenzen kann nützlich sein, um nicht voreilig falsche Entscheidungen zu treffen.
Eine andere Frage ist, ob die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen beziehungsweise das Vertrauen in sie auch etwas mit der Geschichte des jeweiligen Landes, den Erfahrungen der Gesellschaft und ihrer Kultur zu tun hat. Immerhin haben die Tschechen mit ihrer Geschichte in der sogenannten Fernsehkrise im Jahr 2000 auf dem Wenzelsplatz in Prag zu Tausenden gegen die Einflussnahme durch die Politik demonstriert.
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