OECD-Studie

So tickt die Generation Fridays for Future

06:52 Minuten
Leerer Schreibtisch in einem Klassenzimmer vor einer Weltkarte.
Offen für die Welt? Laut einer OECD-Studie haben deutsche Jugendliche vergleichsweise wenig Interesse, etwas über andere Kulturen zu lernen. (Symbolbild) © imago images / Panthermedia / Cerrophotography
Mathias Albert im Gespräch mit Julius Stucke |
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Deutsche Schüler haben ein hohes Verständnis für globale Zusammenhänge, engagieren sich aber weniger als Gleichaltrige in anderen Ländern: Das besagt eine neue OECD-Studie. Sie basiert auf Daten von 2018. Gilt das heute noch, trotz Fridays for Future?
Wie steht es um die "globale Kompetenz" – also das Über-den-Tellerrand-schauen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern? Wie gut verstehen sie interkulturelle und globale Zusammenhänge, können sich in andere Menschen hineinversetzen und: Wie sehr engagieren sie sich, um die Probleme, die sie wahrnehmen, zu beseitigen?
Diese Fragen stellt eine Studie der OECD, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Grundlage sind die Daten der internationalen PISA-Studie von 2018. Wie wichtig die Rolle der Schulen in der Vermittlung dieser Kompetenzen ist, betont Andreas Schleicher von der OECD und Leiter der PISA-Studie bei der Onlinevorstellung der Ergebnisse. Die Schulen, die die beste Vermittlungsarbeit leisteten, hätten einiges gemeinsam:
"Ihr Lehrplan wertschätzt Weltoffenheit, sie bieten ein positives und inklusives Lernumfeld, ihre Lehrkräfte können sich fortbilden. Sie bieten Möglichkeiten zum Kontakt mit anderen Kulturen, sei es über Schüleraustausche oder auch durch einfachere Mittel. Und sie haben Lehrkräfte, die wirklich darauf vorbereitet sind, globale Kompetenzen zu vermitteln."

Wenig Interesse an anderen Kulturen

Deutsche Schülerinnen und Schüler zeigten der Studie nach vergleichsweise wenig Interesse, etwas über andere Kulturen zu lernen und engagierten sich auch weniger politisch oder sozial als der Durchschnitt.
Gleichzeitig zeigten sie aber überdurchschnittlich großes Verständnis für globale Zusammenhänge – sagten beispielsweise von sich, sie könnten erklären, warum bestimmte Regionen stärker vom Klimawandel betroffen sind als andere. Und: Deutsche Jugendliche sind positiver eingestellt gegenüber Einwanderinnen und Einwandern als der internationale Durchschnitt.
Der Kulturhistoriker Thomas Macho könne diese Einstellungen auch bei seinen Studierenden erkennen, sagt er. Die Studierenden hätten ein – wie er es nennt – "migrantisches Bewusstsein":
"Dieses Gefühl, dass man gerne in ein Austauschjahr geht – das hat mich bei meinen Studierenden auch immer sehr beeindruckt. Ich weiß, die sind älter als 15, ich habe aber das Gefühl, dass sich das zwischen 1993, wo ich in Berlin begonnen habe zu unterrichten, und sagen wir mal schon den Nullerjahren sehr verändert hat."

Veränderungen seit 2018

Allerdings: Die Studie bezieht sich auf Befragungen aus dem Jahr 2018 – als Fridays for Future gerade erst startete. Hat sich das Engagement deutscher Schülerinnen und Schüler seitdem verändert? Und was bewegt Jugendliche in Deutschland dazu, sich politisch oder sozial zu engagieren?
Mathias Albert, Politikwissenschaftler an der Universität Bielefeld, forscht zur Lebenswirklichkeit von Jugendlichen, unter anderem mit der Shell-Jugendstudie. An der festgestellten Offenheit und der globalen Orientierung der Jugendlichen würde sich bei einer erneuten Untersuchung im Jahr 2020 mutmaßlich kaum etwas ändern, vermutet er. "Allerdings sehen wir, und dafür steht Fridays for Future sinnbildlich, dass sich doch mehr junge Leute heute politisch engagieren", so Albert. "Ich denke, da hat sich schon etwas leicht verändert."
Die OECD-Studie richte relativ undifferenziert den Blick auf ganze Länder und vergleiche sie miteinander, sagt Jugendforscher Albert. Doch auch innerhalb einzelner Länder gebe es erhebliche Unterschiede zwischen Jugendlichen, ob bei der Aufgeschlossenheit für andere Kulturen oder beim politischen Engagement.

Die Erfahrung, etwas bewirken zu können

Die beobachtete Intensivierung politischen Engagements bedeute nicht, dass sich insgesamt mehr Jugendliche für Politik interessierten. "Aber diejenigen, die es tun, tun es intensiver und sind stärker bereit sich zu engagieren", erklärt der Politikwissenschaftler.
"Fridays for Future hat eine Selbstwirksamkeitserwartung hervorgerufen", so Albert. "Man merkt jetzt: Man kann Teil einer Bewegung sein, die etwas bewirkt, die wirklich wahrgenommen wird. Hier kann ich möglicherweise etwas mitbewegen."
(jfr)
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