Oden an Gewalt, Tod und Teufel

Von Laf Überland |
Musik, die wehtut, kennt jeder. Aber warum tut sie weh und welche Leiden kann Musik noch verursachen? - Das haben Böse-Musik-Experten und Interpreten in Berlin besprochen und sich gegenseitig vorgeführt.
Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder? – ach was!

Das Dilemma, das sich beim "Festival Böse Musik" zeigte, lautet: Es gibt sie gar nicht – böse Musik!

"Es kommt darauf an, was man daraus macht: Es gibt Musik, die codiert ist auf eine bestimmte Art und Weise, und wenn ich diese Codes entsprechend lese, dann kann das für mich böse sein, - es kann aber für meinen Nachbarn auch eine völlig andere Bedeutung haben," sagt der Kurator Detlef Diedrichsen.

Und das heißt: Bestimmter Musik werden bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, weil sich Menschen mit dieser Musik in einer bestimmten Weise verhalten. Das heißt: Wenn nicht die Musik, so können doch die Musiker durchaus böse sein.

Nachempfinden ließ sich das bei ernüchternden oder zumindest aufweckenden Filmen und Performances über gewaltverherrlichende und menschenverachtende Neonazi-, Gangsta-Rapper oder Satanisten-Musik. Oder als neueste Errungenschaft: die Narcocorridos aus der Drogen und Gewaltkultur Mexikos mit Zigtausenden von Toten und Liedern übers Abballern in den Charts.

Mit 'ner AK-47 und 'ner Bazooka über der Schulter, musst du mir nur übern Weg laufen, und ich baller dir den Kopf weg – singt die beliebte Combo "Bucanas del Culiacan" fröhlich wie auf einem Folklorerummel...

Michael Farin: "Die richtigen Narcocorridos, die im grauen Bereich sind, die nicht für den großen Markt produziert sind, die sind gespielt für Drogenfürsten, für Kriminelle, für Politiker, die korrupt sind, und die wollen sich verherrlichen lassen. Und die Narcocorridos können das: Neulich hat man in Mexiko-Stadt Musiker entführt, die mussten drei Tage für solche Drogenbosse spielen, und dann wurden sie wieder freigelassen. Die müssen quasi wie so ein Hofkünstler den Leuten zu Willen sein und sie feiern."

Der Filmemacher, Verleger und Hörspielautor Michael Farin aus München – mit vierzigjährigem Interesse für die merkwürdigen Dinge im Leben und in der Poltik – hat mit dem Musiker Zeitblom und einer Band einen Zyklus über nachempfundene Gewalt-Polka gebastelt. Und er damit das Bundespolizeiorchester ab, das Märsche spielte im Haus der Kulturen der Welt. - Aber kein militärisches Hufftata, sondern Mozart, Verdi – und auch Mauricio Kagels "10 Märsche um den Sieg zu verfehlen".

Musik als Folterinstrument
Ein bunter Strauß an Konzerten, Vorträgen, Installationen und Gesprächen beleuchteten die Idee des Bösen in der Musik – und die meisten waren natürlich eher harmonische Gemeinschaft stiftend. Diese Idee ist übrigens schon uralt: Neben den Trommeln - meist ja mit den Fellen toter Lebewesen bespannt - galten der Wissenschaftlerin und Musikerin Ebba Durstewitz zufolge vor allem die Flöten Jahrhunderte hindurch als böse Instrumente – die Fistulae:

"Ja, die Flöten, Pfeifen – Rohrblattinstruente, Hörner gehörten auch dazu – als so genannte Windinstrumente: Weil man wohl der Vorstellung anhing, der Teufel sei in der Lage, über den Wind die Vorstellungen der Menschen zu beeinflussen, negativ zu beeinflussen. Und das ist das, wo so in der Literatur tatsächlich als Hauptgrund angegeben wird: der Wind."

Das Faszinosum des Bösen ist wahrscheinlich, Macht über Menschen zu haben. Dieses Pfeifen stammt aus einem Ultraschallwerfer - hier runtergeschraubt, damit Sie es hören können: Diese nicht-lethale amerikanische Waffe kann bis zu fünf Meilen überbrücken und dafür sorgen, dass Terroristen, feindlichen Soldaten – oder Demonstranten schlecht wird bis zum Umkippen.

Auch der gehört zum Festival Böse Musik – genau wie "Musik als Folterinstrument" - mit authentischen Playlists aus Guantanamo zum selber ausprobieren.