Oberfaules über das Krankenhausessen

Derzeit findet in 21 Ländern eine große Befragung in den Krankenhäusern zum Ernährungszustand der Patienten statt, der <em>Nutrition day in European Hospitals</em>. Grund ist das Ergebnis der letzten Befragung: Wer mangel- beziehungsweise unterernährt ist, braucht länger zur Genesung.
Gibt es bei uns Unterernährung? Ja. Untergewicht ist bekanntlich mit einer deutlich höheren Sterblichkeit verbunden als Übergewicht. Einfach deshalb weil die Dicken etwas zuzusetzen haben. Das ist im Krankheitsfalle von erheblicher Bedeutung. Speziell bei alten Menschen ist Untergewicht ein wichtiger Risikofaktor. Etwa ein Viertel der Krankenhauspatienten werden schon unterernährt eingeliefert.

Warum das denn? Gerade ältere Menschen sind gehbehindert und gehen deshalb selten einkaufen. Sie können nicht kauen, leiden an Schluckbeschwerden oder unter Übelkeit durch Medikamente. Sie haben Malabsorptionen - was im Alter häufiger vorkommt - werden aber veranlasst Dinge zu essen, die ihnen Beschwerden verursachen.

Sie können nicht selbst essen und werden von ihren Mitmenschen nach deren Vorstellungen versorgt. Erkrankungen wie Demenz tun das ihre. Wenn es im Krankenhaus zu einer Gewichtsabnahme kommt, verzögert das nicht nur den Genesungsprozess - so das Ergebnis des letzten Nutrition day in European Hospitals. Auch die Liegedauer ist wesentlich länger und die Sterblichkeit liegt zwei bis dreimal so hoch wie bei denen, die ihr Gewicht hielten.

Welche Probleme gibt es denn bei der Verpflegung? Viele Patienten haben keinen Appetit, was aber nicht unbedingt mit dem Speisenangebot zusammenhängen muss, sondern von der Krankheit oder der Medikation hervorgerufen sein kann. Zudem ist es üblich, die Patienten ganz pauschal "nüchtern" zu den Untersuchungen zu beordern, eine Praxis, die nicht immer sinnvoll ist.

Manche Patienten können nicht mehr aus eigener Kraft essen, oft fehlt das Personal zum Füttern. Angeblich sind laut Umfragen fast alle Patienten mit der angebotenen Kost zufrieden - ein eher zweifelhaftes Ergebnis. Es hängt beispielsweise damit zusammen, dass ältere Menschen nicht gerne am Essen nörgeln.

Welche Probleme sehen Sie denn beim Essen - ein Mangel an Vitaminen? Vitamine oder Mineralstoffe nähren nicht. Was bei Unterernährung fehlt, sind schlicht Kalorien. Wenn ich auf Fortbildungen für Köche aus Krankenhausküchen bin, dann kann ich mir regelmäßig die zahlreichen Klagen über die Ernährungsberaterin anhören, die die Patienten möglichst auf Abnehmdiät setzen will und unnachsichtig Fett und Salz aus den Rezepten streicht. (Es ist nach wie vor weit verbreitet, Patienten, ja sogar Schwangeren, zum Abnehmen zu raten.)

Die zweite Klage gilt der Geschäftsführung der Klinik. Sie stelle nur minimale Beträge zur Verpflegung der Patienten zur Verfügung, mit denen ein vernünftiges Angebot nicht möglich sei. Da müsse man dann die billigeren Lightprodukte oder äußerst Preisgünstiges nehmen.

Was fordern die Fachleute aus ihren Ergebnissen? Professor Michael Hiesmayr vom AKH in Wien fordert eine routinemäßige Ernährungserhebung bei der Aufnahme im Krankenhaus. Dort sollte überprüft werden, ob der Patient auch ausreichend isst.

Reicht das? Viele Patienten - vor allem ältere - würden mehr essen, wenn ihnen vertraute Speisen anbieten würde. Es kann doch nicht sein, dass die Essenszeiten beliebig an den Betriebsablauf angepasst werden. Wenn das Abendessen bereits um 16 Uhr 30 serviert wird, dann ist das halt nicht die gewohnte Essenszeit. Kein Wunder wenn Menschen, die Jahrzehntelang um 20.00 Uhr gespeist haben, dann noch keinen Hunger haben.

Da das Krankenhaus seinen Umsatz mit der Auslastung teurer Geräte erzielt und nicht mit der Küche, wird eben in Computertomographen investiert und dafür beim Essen gespart. Zudem ist die Ernährung des Kranken anspruchsvoller als des Gesunden. Ein Kranker ist wesentlich heikler beim Essen, weil sein Stoffwechsel andere Bedürfnisse hat. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse ist bei nicht wenigen Krankheiten ein wichtiger Schritt zur Genesung.

Literatur
Löser C: Mangelernährung im Krankenhaus. Hessliches Ärzteblatt 2002; (5) 271-6
Romero-Corral A et al: Association of bodyweight with total mortality and with cardiovascular events in coronary artery disease: a systematic review of cohort studies. Lancet 2006; 368: 666-78
Ärzte Zeitung v. 4. Juli 2007: Nach einem Herzinfarkt haben Dicke bessere Chancen.
Die Welt v. 10. August 2006: Fehlernährung bringt Klinikpatienten höhere Sterblichkeit.
Hoff F: Instinktive Nahrungswahl als Regulationsfaktor bei Krankheiten. Münchener Medizinische Wochenschrift 1966; 108: 85-92