Oben-ohne nur für Männer?

„Nach dem Gesetz sollten alle Brüste gleich sein“

08:35 Minuten
Eine Frau legt schützend einen Arm vor ihre nackte Brust.
Oben-ohne-Vorschriften für Frauen werden oft mit einer höheren Sexualisierung der weiblichen Brust begründet. Anwältin Leonie Thum sieht darin einen Zirkelschluss. © imago images/Ikon Images/DarrenxHopes
Leonie Thum im Gespräch mit Julius Stucke · 28.04.2022
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Frauen in Bikini oder Badeanzug, Männer oben ohne: Am Strand und im Schwimmbad ist das der Normalfall. Aber ist es auch gerecht? Die Anwältin Leonie Thum vertritt eine Frau, die sich oben ohne sonnte und deswegen aus einem Park geworfen wurde.
Der Fall aus Göttingen schlug hohen Wellen: Im vergangen Jahr war eine Frau eines Schwimmbads der niedersächsischen Universitätsstadt verwiesen worden und hatte Hausverbot erhalten, weil sie ihre Brüste nicht bedecken wollte. Zur Begründung gab sie an, sich nicht als Frau zu identifizieren. Das Schwimmbad sah es anders und sprach von einem Verstoß gegen die Badeordnung.
Politik und Gesellschaft in Göttingen diskutieren das Thema daraufhin intensiv. Als Konsequenz gibt es nun probeweise eine neue Regelung für Göttinger Schwimmbäder: Ab 1. Mai an dürfen Frauen samstags und sonntags sich dort auch ohne Oberkörperbekleidung aufhalten. Die Testphase gilt bis 31. August.

Klage gegen Bezirk und Polizei

Die Rechtsanwältin Leonie Thum vertritt eine Frau in einem ähnlichen Fall. Ihre Mandantin war im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick aus einem Park geworfen worden, weil sie sich dort oben ohne sonnte. Thum und ihre Mandantin klagen gegen den Bezirk und die Berliner Polizei.
Es gebe in Berlin mittlerweile ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG), das genau solche Diskriminierung durch öffentliches Handeln untersage, sagt Thum. Daher sei der Rechtsweg möglich. Das sei in keinem anderen Bundesland der Fall. Die Anwältin meint, dass die Länder damit europarechtliche Vorgaben nicht umsetzen.

Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts

„Nach dem Gesetz sollten alle Brüste gleich sein“, sagt Thum. Die unterschiedliche Behandlung aufgrund sekundärer Geschlechtsmerkmale stelle eine Diskriminierung dar.
„Wenn ich jemanden anders behandle aufgrund eines sekundären Geschlechtsmerkmals, heißt das automatisch, ich behandele wegen des Geschlechts anders“, so die Juristin.
Nach dem LADG und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sei dies nicht erlaubt.

Nicht jede Diskriminierung ist zwingend verboten

Laut Anwältin Thum ist nicht jede Diskriminierung zwingend immer verboten. Es gebe noch „eine zweite Prüfungsebene, wo man sehen muss: Ist das vielleicht gerechtfertigt?“
Hier brauche es aber ganz besondere Gründe und die müsse man darlegen können.
Die Oben-ohne-Vorschriften für Frauen würden oft mit einer höheren Sexualisierung der weiblichen Brust begründet, so Thum. Dies sei aus ihrer Sicht aber „quasi ein Zirkelschluss. Weil das ist ja gerade die Diskriminierung.“
Frauen hätten schließlich in der Regel nicht darum gebeten, dass ihre Brust sexualisiert werde. „Im Grunde geht es ja darum, sich frei bewegen zu dürfen.“
(tmk)

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