Obamas Großväter

Von Peter Köpf |
Knapp zwei Monate ist Barack Obama im Amt, und es erscheint uns heute selbstverständlich, dass der mächtigste Mann der Welt kein Weißer ist. Vor zwei Jahren hätte das noch niemand für möglich gehalten. Zwei Generationen zuvor erlebten Hunderttausende GIs, was sie nicht für möglich gehalten hätten, unter ihnen auch 30.000 mit afrikanischen Wurzeln: Gleichberechtigung.
Sie waren nach Europa gezogen, um den Kontinent vom Faschismus zu befreien. Ausgerechnet in dem Land, das den Rassismus auf die Spitze getrieben hatte, im Land der Nazis, das zu besiegen sie beigetragen hatten, fühlten sie sich von 1945 an erstmals wie gleichberechtigte Menschen.

Einer dieser Soldaten war der junge Journalist William Gardner Smith. In seinem längst vergessenen Roman "Last of the conquerors" lässt er einen schwarzen Soldaten sagen: "Weißt Du, was ich hier gelernt habe? Dass ein Nigger sich von anderen nicht unterscheidet. Um das zu lernen, musste ich hier herüberkommen. Ich musste hierherkommen, damit die Nazis mich das lehren konnten.”

Unter Deutschen waren die schwarzen Soldaten nach anfänglichem Misstrauen sehr beliebt, zumindest bei denen, die direkten Kontakt mit ihnen hatten. In einer 1954 von der Internationalen Vereinigung für Jugendhilfe, Genf, herausgegebene Studie heißt es: "Die farbigen Soldaten waren besonders gesucht als Quelle von Lebensmitteln, Süßigkeiten und Rauchwaren, denn ihre Gutmütigkeit und Freigebigkeit war bekannt." Freundlich zu Kindern waren sie außerdem. "Durch dieses Verhalten", so die Studie, "waren sie in jeder Familie bekannt, beliebt und knüpften hier und da engere Bande innerhalb der Familie an."

Und natürlich auch sehr enge mit deutschen Frolleins. In den meisten Staaten der USA wäre ein Treffen mit einer weißen Frau damals undenkbar gewesen. In Deutschland war es Alltag. In den ersten Jahren nach dem Krieg entstanden so mehr als 3000 "Mischlinge", wie es damals hieß, "brown babies".

Wir brauchen nicht zu beschweigen, dass die Frauen auch verspottet, beschimpft und geschlagen wurden, nicht nur von Kriegsheimkehrern. Wir brauchen nicht darüber zu reden, dass die Soldaten in einer überlegenen Position waren, manche "Fraternization" auch nicht freiwillig erfolgte und dass einige Frauen sich für Lebensmittel und Zigaretten hergaben.

Entscheidend ist, dass die Soldaten sahen, wie es auch gehen könnte, zu Hause, wo Lynchjustiz noch üblich war, gerade gegen Schwarze. Die Zeitschrift "Ebony" beschrieb immer wieder, was diese Männer beispielsweise in Berlin fanden: "mehr Freundschaft und Gleichheit als in Birmingham oder am Broadway".

Weshalb sollte, was im Land der Mörder möglich war, nicht auch zu Hause möglich sein: mehr Freundschaft und Gleichheit?

Das war allerdings nicht für alle ein begehrenswertes Ziel: Nehmen wir beispielsweise jenen Sommertag im Jahr 1946, als im entertainment club der U.S. Army in einer kleinen bayerischen Stadt ein paar afroamerikanische Soldaten mit deutschen Frauen tanzen. Irgendwann stoßen fünf weiße US-Soldaten dazu. Was sie sehen, empört sie offenbar. Weiße Frauen, so ihre Meinung, gehören weißen Männern. Es kommt zu einem Disput. Nach einer Weile schleudert einer, er heißt Floyd D. Hudson, eine Bierflasche auf die Tanzfläche. Die Angegriffenen verlassen das Lokal, kehren aber wenig später mit Waffen zurück und schießen ihre Kontrahenten nieder. Hudson stirbt, vier weitere bleiben verletzt liegen.

Danach nimmt alles den unvermeidlichen Gang: Ein Militärgericht verurteilt drei der Täter zum Tod am Galgen.

Normal war auch, dass bis September 1947 genau 908 afroamerikanische Soldaten den Antrag stellten, ihre deutsche Freundin heiraten zu dürfen. 14 durften, 1,5 Prozent. Kein Wunder: Bis 1967 waren solche "interracial marriages" in 30 von 48 Bundesstaaten verboten.

Das hat sich geändert, zumindest die transatlantische Welt ist seit 1945 toleranter geworden, die USA haben einen neuen Präsidenten und sogar die Finanzkrise hat ihr Gutes: Einige US-Staaten überlegen, die Todesstrafe abzuschaffen, weil Hinrichtungen zehnmal teurer sind als lebenslange Haft. Sage niemand, es gebe keinen Fortschritt.


Peter Köpf ist stellvertretender Chefredakteur von "The German Times" und "The Atlantic Times". Er schrieb zahlreiche Sachbücher, zuletzt "Hilfe, ich werde konservativ. Die Zeiten ändern sich – meine Überzeugungen nicht". Mehr: www.denk-bar.de