Obamas Amerika

Von Robert B. Goldmann · 15.06.2009
Knapp ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt hat Präsident Barack Obama Amerika verändert - genau wie er es in seinem zweijährigen Wahlkampf versprochen hatte. Umfragezahlen zeigen, dass die Mehrheit der Wähler seine Maßnahmen billigt.
Inwieweit dies seiner Politik zu verdanken, und in welchem Ausmaß es Obamas Ausstrahlung zuzuschreiben ist, bleibt dahingestellt. Jedenfalls hat der Präsident ein neues Kapitel in Amerikas Innen- und Außenpolitik eingeleitet.

Die vielen Milliarden, die sein "Team", wie er gerne über seine Wirtschaftsberater spricht, als erforderlich ansahen, machen den amerikanischen Steuerzahler für Großbanken, General Motors und den Versicherungstitanen AIG in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß mitverantwortlich. Wenn auch manche konservativen Stimmen vor zu viel Beteiligung des Staats an der Privatwirtschaft warnen, hat die politische Opposition wenig zu sagen, da sich Obama großer Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses erfreut. Dass diese Wirtschafts- und Finanzpolitik eine nie dagewesene Verschuldung des Staates mit sich bringt, vor allem gegenüber China, macht Sorgen. Aber Vertrauen in das charismatische Staatsoberhaupt bleibt unvermindert.

Nun hat Obama Sonia Sotomayor als Richterin für den Obersten Gerichtshof ernannt und damit einiges Stirnrunzeln in konservativen Kreisen erregt. Ihre Herkunft aus Puerto Rico hat in ihrem Berufsleben eine entscheidende Rolle gespielt. Einige Reden, die sie als Richterin hielt, weisen ein klares Bekenntnis zu "affirmative action", oder positiver Diskriminierung benachteiligter Minderheiten, auf. Es geht um mehr als um eine Person. Eher geht es darum, ob der Präsident, der gewählt wurde, weil er sich über ethnische Herkünfte hinweggesetzt hatte, seinen Prinzipien als Einiger der vielen Gruppen, aus denen sich die Vereinigten Staaten zusammensetzen, treu bleibt.

Außenpolitisch hat der für Diplomatie und weniger Pochen auf Amerikas militärische Macht eintretende Präsident bisher wenig Erfolg aufzuzeigen. Vielleicht hat er die Bereitschaft seiner potenziellen Gesprächspartner im Iran überschätzt. Afghanistan und Pakistan werden selbst mit mehr amerikanischen Streitkräften und einer gegen die Taliban kampfwilligen pakistanischen Armee nur schwer, wenn überhaupt, zu bezwingen sein.

Der Nahe Osten trotzt den Lösungsversuchen amerikanischer Diplomaten und Vermittler. In seiner Rede in Kairo bemühte sich Barack Hussein Obama, in der moslemischen Welt ein positives Echo hervorzurufen. Er hat damit ein neues Kapitel im Verhältnis Amerikas zum dem friedlichen Teil des Islam, im Gegensatz zu den Radikalen und Gewalttätern, begonnen. Der Präsident forderte von Israel einen Stopp beim Siedlungsbau im Westjordanland. Sein Ton war auch in der israelisch-amerikanischen Beziehung neu und ernst. Man sieht es an der besorgten Reaktion gemäßigter israelischer Stimmen und erster amerikanisch-jüdischer Verlautbarungen, die finden, dass der Präsident zu einseitig Druck auf den jüdischen Staat ausübt.

Der Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald galt der Erinnerung an die millionenfache Ermordung der Juden vor fast 70 Jahren. Ein Onkel des Präsidenten hatte als US-Soldat an der Befreiung der wenigen Überlebenden teilgenommen. Aber die Ehrung der Opfer des Holocausts kann kaum die Sorge um die Sicherheit neuen jüdischen Lebens im Staat Israel entschärfen.

Amerikas junger Präsident kennt die Einzelheiten seiner Herausforderungen und die damit einhergehenden Nuancen, die zu politischen Entscheidungen führen. Seine Mitarbeiter, darunter Kabinettsmitglieder, einschließlich der Außenministerin Hillary Clinton, sind mehr Berater als Chefs halb-unabhängiger administrativer Bereiche. Obama ist der Chef, und er fühlt sich für alle Entscheidungen verantwortlich. Er hat in der Tat den von ihm versprochenen Wandel eingeleitet.

Robert B. Goldmann wurde 1921 als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes in einem Odenwalddörfchen geboren. Er machte in Frankfurt am Main Abitur. Kurz darauf verließ die Familie Deutschland und kam 1940 über Großbritannien nach New York. Goldmann schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, um sein Studium zu finanzieren. Er war viele Jahre lang Journalist, bevor er sich sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der Dritten Welt widmete und schließlich ein Wegbereiter für die deutsch-jüdische Verständigung wurde. 1996 veröffentlichte er sein vielbeachtetes Buch "Flucht in die Welt", eine Lebens- und Familiengeschichte. Goldmann arbeitete lange für die Anti-Defamation League in New York und publiziert noch immer in amerikanischen und deutschen Medien.