Obama und das Öl

Von Klaus Remme · 02.06.2010
Nach der Katastrophe am Golf von Mexiko fürchten Pessimisten, dass auch in den kommenden Wochen mit einer sich ausbreitenden Ölpest gerechnet werden muss. Inzwischen richtet sich der Zorn der Menschen in der Region nicht nur gegen den Energiekonzern BP, sondern zunehmend auch gegen die Regierung Obama und deren Hilflosigkeit angesichts der Umweltkatastrophe.
Sonntag, 2. Mai, im Hafen von Venice im äußersten Süden von Louisiana. 12 Tage nach dem Unglück im Golf von Mexiko ist Barack Obama selbst gekommen. Seine Minister sind seit Tagen in der Region unterwegs. Im strömenden Regen versichert Obama, woran viele bis heute zweifeln:

"Eure Regierung wird alles tun, bis die Probleme bewältigt sind, so der Präsident. Doch für viele Fischer vor Ort kam Obama zu spät."

Er hätte viel früher kommen müssen, meint der eine, kein Unterschied zu George Bush und Katrina, so der andere. So unterschiedlich die Ursachen - der nahezu identische Schauplatz und die fatalen Auswirkungen der Katastrophen laden ein zum Vergleich. Versagt die Regierung erneut? Werden wieder leere Versprechen abgegeben? Noch fließt das Öl, noch richtet sich der Zorn vor allem gegen BP, das verantwortliche Unternehmen.

Doch die Meinungsumfragen zeigen, dieses ökologische Desaster kann zu einer schweren politischen Hypothek werden. Ja, 73 Prozent der Befragten bewerteten das Krisenmanagement von BP einer aktuellen Gallup Umfrage zufolge mit schlecht oder sehr schlecht, doch für 60 Prozent galt das auch für die Regierung und immerhin noch 53 Prozent gaben dem Präsident Obama schlechte Noten.

Über sechs Wochen nach dem Unglück wächst die Wut in Louisiana. James Carville ist eingefleischter Demokrat. Als politischer Berater hat er seinerzeit Bill Clinton ins Weiße Haus geführt. Er lebt in New Orleans und hat parteipolitische Rücksichten abgelegt.

"Sie verstehen uns und unseren Lebensstil hier einfach nicht, klagte Carville im US-Fernsehen über die Politiker in Washington. Mit etwas mehr Zeit hier vor Ort würde der Präsident uns besser verstehen, so Carville weiter. Sie zerstören unsere Art zu leben, uns reicht’s."

In der vergangenen Woche gab Obama dem wachsenden Druck nach, reiste erneut in die Region und lud nach Monaten wieder zu einer ausführlichen Pressekonferenz ein. Obama weiß, letztendlich wird er verantwortlich gemacht. Er bekannte sich dazu.

Doch das Misstrauen will nicht weichen. Viele Beobachter glauben, hier zeigt sich eine bereits bekannte Schwäche dieses Präsidenten. Schon während der Vorwahlen 2008 im Kampf gegen Hillary Clinton hatte Obama große Probleme im Kampf um die Stimmen einfacher Leute in von Handwerk und Industrie geprägten Bundesstaaten. Allzu große Distanz wurde ihm vorgeworfen, mangelndes Mitgefühl. Kühler Intellekt - dieses Attribut wurde damals zum Manko.

Eine Talk-Radio Show gestern bei WIST in New Orleans. Moderator Eric Asher fleht den Präsidenten an, kommen sie, sehen sie, riechen sie, was gerade noch lebte ist jetzt tot wie nach Katrina.

Präsidenten-Historiker Douglas Brinkley vermisst den politischen Instinkt. Er erinnert an Lyndon B. Johnson 1965, als der Präsident nur Stunden nach Hurricane Betsy alles stehen ließ und nach New Orleans flog.

Er stand da mitten drin, hielt sich eine Taschenlampe ins Gesicht und versicherte den Opfern sein Mitgefühl. Barack Obama in der vergangenen Woche bei seinem Besuch vor Ort.

Am besten können sie den Menschen am Golf helfen, in dem sie die Strände besuchen, so der Präsident. Warum ist er am Montag, an Memorial Day, dem traditionellen Feiertag zum Sommeranfang nicht mit gutem Beispiel vorangegangen, fragen Kommentatoren. Und auch politisch lässt Obama Chancen aus, so meinen Kritiker.

Dies ist nicht sein Katrina, es ist sein 11. September, schreibt Thomas Friedman in der "New York Times". So wie George Bush die Gelegenheit für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Außenpolitik verpasst hat, versäume Obama die Gelegenheit, jetzt eine radikale Wende in der Energiepolitik einzuläuten.

Wörtlich schreibt Friedman: Bitte sagen Sie uns nicht nur, das wir BP hassen, in Mississippi einkaufen und die Ergebnisse einer Untersuchungskommission abwarten sollen. Zitat Ende. Die schlechten Umfragewerte zeigen, von einem Präsidenten, der für die Renaissance des Regierens stehen will, wird mehr erwartet.