Obama erhält Friedensnobelpreis

Von Klaus-Jürgen Haller · 12.12.2009
Der Nobelpreis für einen Politiker, der gerade neun Monate im Amt ist, sagt mehr über das Preiskomitee als über den Preisträger. Im Übrigen ist eine solche Auszeichnung politisch weitgehend wirkungslos. Sie schützte Wilson nicht vor der Absage an den Völkerbund und Willy Brandt nicht vor dem Versuch, ihn zu stürzen. Auf das Paradox, dass ausgerechnet der Friedensnobelpreisträger zwei Kriege führt, hat der Ausgezeichnete selbst aufmerksam gemacht.
Die ersten Einheiten, die das amerikanische Kontingent in Afghanistan auf 100.000 Mann bringen sollen, rücken noch vor Weihnachten aus. Ob die Verbündeten, 43 an der Zahl, ebenfalls ihr Engagement verstärken, ist wichtiger als die Frage, ob der Nobelpreis für Barack Obama angemessen ist.

Bemerkenswert ist natürlich, dass dieser Präsident, ohne vorherige Regierungserfahrung, fast schon das Prinzip Hoffnung verkörpert, dass er diese Welt verändern und den Vorgänger vergessen machen könnte. Obama hat die Folter verboten, die Schließung des Gefangenenlagers von Guantanamo angekündigt und die Respektierung der Genfer Konventionen befohlen. Dem Pazifismus aus Prinzip hat er in Oslo allerdings eine Absage erteilt. Der Krieg könne auch ein Mittel zur Bewahrung des Friedens sein. Im Grunde wissen wir das, seitdem der Massenmord von Srebrenica die Selbstgerechtigkeit der Friedensbewegung erschütterte.

Politisch hat sich Obama fast schon zu viel aufgeladen: die beiden Kriege, die Bekämpfung der Banken-, der Hypotheken- und der Wirtschaftskrise mit einer horrenden Neuverschuldung. Auch wenn die Bevölkerung notgedrungen den Staat als gesellschaftlichen Reparaturbetrieb akzeptierte, ist sie deshalb nicht zufrieden. Die Arbeitslosigkeit hat die Zehnprozentmarke überschritten.

Und weil in Amerika die Krankenversicherung in der Regel an den Arbeitsplatz gebunden ist, kommen Krankheiten im Arbeitslosenhaushalt einer privaten Katastrophe gleich. Über 45 Millionen Amerikaner sind nicht versichert; Obama will das ändern. Der letzte, der an diesem Vorhaben gescheitert ist, war der Demokrat Bill Clinton. Seit Monaten ringt der Kongress um eine Lösung; der Nobelpreis hilft da wenig.

Obama will, der Wirtschaftskrise zum Trotz, Ernst mit dem Klimaschutz machen. Aber auch hier sitzt der Kongress am längeren Hebel; ob er einem neuen Vertrag zustimmt – mit Zweidrittelmehrheit – ist fraglich; solange China, Indien und Brasilien keine vergleichbaren Auflagen gemacht werden. Präsident Bush hatte das Kohlendioxyd aus dem Katalog der Schadstoffe gestrichen; dies hat die Obama-Administration zu Beginn dieser Woche rückgängig gemacht. Mit dem Effekt, dass die Umweltschutzbehörde regulierend eingreifen kann, falls der Kongress immer noch nicht handeln sollte.

Obama könnte es schaffen, das lädierte Ansehen Amerikas aufzupolieren. Als er im Wahlkampf die Bereitschaft äußerte, ohne Vorbedingungen mit den Machthabern in Teheran, Caracas und Havanna zu reden, sprach selbst Hillary Clinton, die jetzige Außenministerin, von Unreife und Naivität. Der Ton in Washington hat sich geändert; aber inzwischen muss man davon ausgehen, dass Teheran über sein Atomprogramm ernsthaft überhaupt nicht reden will, nicht mit den Amerikanern und nicht mit den Europäern. Der Sicherheitsrat agiert hilflos, weil Moskau und Peking zögern, schärfere Sanktionen zu verhängen.

Was denn nun? Selbst Israel widersetzt sich der Aufforderung, den Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten zu stoppen. Dabei setzt alle Welt auf diesen Präsidenten Obama, dass er es richten möge. "Amerikanische Führung ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts", bekannte Joschka Fischer. Was doch nur heißen kann: Scheitert Obama, scheitern nicht nur die Amerikaner. Ob in Afghanistan oder anderswo.