Nutrigenomics
Eine Reihe von Firmen aus der Gentechnik-Branche bietet der Öffentlichkeit die Nutrigenomics gegen Honorar zur Lösung individueller Ernährungsprobleme an. Angesichts der großen Verunsicherung und der inzwischen allgemeinen Einsicht, dass nicht jeder alles verträgt, hebt die Methode auf die individuelle genetische Ausstattung des Kunden ab, um ihm einen individuellen Ernährungsplan angereichert mit allerlei Nahrungsergänzungsmitteln anzudienen.
Was ist das? Nutrigenomics steht für Ernährungsgenetik. Der Patient soll sich in Zukunft diversen genetischen Tests unterziehen und die Praxis mit einem persönlich auf sein Genprofil abgestimmten Ernährungsplan verlassen. Für den Gen-Check dienen so genannte SNP (Single Nucleotide Polymorphisms)-Chips, die genetische Marker für bekannte Polymorphismen enthalten und mit der Patienten-DNA reagieren. Die Testpersonen sollen anhand ihres genetischen Profils zudem erkennen, welche ihrer Gewohnheiten zu intensivieren sind und welche sie eher vermeiden sollten (zum Beispiel wer beim Rauchen zum Lungenkrebs neigt und wer nicht).
Was steckt dahinter? Da die Wirkung aller Stoffe, die wir aufnehmen – egal ob Medikamente, Zusatzstoffe, natürliche Inhaltsstoffe unserer Nahrung usw. – von ihrer weiteren Verstoffwechselung abhängt, hat man nun begonnen, diese Mechanismen genauer zu untersuchen. Dabei zeigte sich, dass die einzelnen Enzyme, die die fraglichen Stoffumwandlungen, ihren Auf- bzw. Abbau bewerkstelligen, bei jedem Menschen in etwas anderer Form und Kombination vorliegen. Man spricht von Polymorphismen. Bei praktisch jedem Enzym gibt es mehrere Versionen, die immer etwas unterschiedlich arbeiten, mal schneller, mal langsamer, mal nehmen sie, wenn sie für mehrere Stoffe zuständig sind, ein paar mehr ins Programm auf – oder auch mal ein paar weniger.
Warum ist das so? Das hat einen evolutionären Grund. Kein Lebewesen wird gerne gefressen. Da Pflanzen nicht davonlaufen können, haben sie ein umfangreiches Arsenal an Abwehrstoffen entwickelt. Die Tiere haben jedoch immer wieder Mittel und Wege gefunden, diese Stoffe bei der Verdauung unschädlich zu machen – sonst würde die gesamte Tierwelt verhungern. Zwischen den Abwehrstoffen in der pflanzlichen Nahrung und den Entgiftungssystemen der Tiere gibt es den gleichen evolutionären Wettlauf wie zwischen den Angriffswaffen von Krankheitskeimen und den Abwehrstrategien des Immunsystems. Da die Natur ein begnadeter Chemiker ist, wartet die Pflanzenwelt ständig mit neuen Wirkstoffen oder Strategien auf. Teilweise konstruiert sie Stoffe, die völlig harmlos sind, aber von der Entgiftungsmaschinerie nicht erkannt und versehentlich in giftige Stoffe umgewandelt werden.
Deshalb gibt es immer auch ein paar Lebewesen, ein paar Menschen, denen ein bestimmtes Entgiftungssystem völlig fehlt, die können dann irgendetwas überhaupt nicht essen – egal was. (Dies hat nichts mit Allergien zu tun. Allergische Reaktionen dienen den Kampf gegen Krankheitserreger und vergreifen sich "versehentlich" auch an Nahrungsmitteln.) Jeder von uns hat eine andere enzymatische Ausstattung, andere Polymorphismen. Dadurch werden immer ein paar Individuen durchkommen, wenn den Pflanzen wieder einmal ein abwehrstrategischer Durchbruch gelungen ist. Um diesen unterschiedlichen Polymorphismen gerecht zu werden, gibt es individuelle Vorlieben und Abneigungen. Da Essen lebensnotwendig ist, unterliegen diese Vorlieben in erster Linie zwingend biologischen Gesetzmäßigkeiten. Die sozialpsychologischen Faktoren spielen kaum eine Rolle. Das ist auch der Grund warum "Beratung" auf diesem Gebiet herzlich wenig bewegen kann.
Was hat das für Folgen? Diese Polymorphismen sind auch für die "Nebenwirkungen" von Arzneimitteln verantwortlich. Man versucht nun durch Untersuchung der genetischen Ausstattung des Individuums herauszufinden, ob der Patient ein Arzneimittel "korrekt", also im Sinne der Therapie oder eben anders verstoffwechselt. Gehört der Patient zu denen, die den Wirkstoff "anders" verstoffwechseln, dann kann die Wirkung ausbleiben oder sogar eine problematische Nebenwirkung auftreten. Das ist der Grund, warum Arzneimittel, die in Europa hübsch wirkten, in Japan auf einmal zahlreiche Todesfälle verursachten.
Was für Arzneimittel gilt, gilt für praktisch alle Stoffe, Wasser und Luft einmal ausgenommen. Es gibt immer jemanden, der anders reagiert. Es ist also Unsinn zu glauben, Naturstoffe seien, weil der Mutter Natur entnommen, besser als chemisch-synthetische Stoffe, oder chemisch-synthetische seien. harmlos, weil geprüft. Man prüft an genetisch einheitlichen Rattenstämmen. Beim nächsten Rattenstamm fällt das Ergebnis schon wieder anders aus. Wenn also wieder mal ein Stoff durch die Medien geht, der dank einer mexikanischen Rattenstudie "krebserregend" ist, ist das etwa so aufregend wie die Information, Wasser ist nass.
Und was heißt das jetzt für die Ernährung? Was in der Pharmazie, in der Medizin höchst sinnvoll ist, funktioniert bei der Ernährung leider in den allermeisten Fällen noch nicht. Das hängt damit zusammen, dass Lebensmittel der Natur entnommen sind und hunderttausende unterschiedlicher Stoffe enthalten können. Aufgrund der Polymorphismen der Pflanze, der unterschiedlichen Bildung von Abwehrstoffen je nach Standort und Schädlingsbefall, unterscheiden sich auch die einzelnen Möhren in ähnlicher Weise wie die einzelnen Menschen. Wir haben zudem so gut wie keine Ahnung wie welcher Stoff bei welchem Polymorphismus wie wirkt. Die Theorien über die Wirkungen von Nahrungsmittelinhaltsstoffen sind meist wilde Spekulationen. Insofern ist es auf absehbare Zeit zu früh seinen Speiseplan entsprechen einer Nutrigenomics-Analyse zu gestalten. In Einzelfällen, bezogen auf einzelne Stoffe wird man im Laufe der Jahre jedoch ein paar Aussagen treffen können. Aber auch dabei ist zu bedenken, dass die Aktivitäten der Enzyme nicht nur von den Genen abhängen sondern auch davon, an welche Stoffe der Organismus gewöhnt wurde, oder was er sonst noch verzehrt. Beispiel Grapefruits, die den Entgiftungsstoffwechsel vieler Menschen deutlich verändern.
Und was soll ich jetzt tun? Der Körper ist ein schlaues Kerlchen, der muss das, was die Experten heute entdecken, bereits seit Jahrmillionen wissen und in entsprechendes Verhalten umsetzen - sonst gäbe es uns Menschen nicht mehr. Deshalb haben die Menschen unterschiedliche Vorlieben.
Dahinter steckt weder Dummheit noch Ignoranz, sondern einfach jede Menge evolutionärer Erfahrung.
Quelle: Nagy T: Nutrigenomics: Essen und auf gute Gene hoffen. EU.L.E.nSpiegel 2002, Heft 2-3
Was steckt dahinter? Da die Wirkung aller Stoffe, die wir aufnehmen – egal ob Medikamente, Zusatzstoffe, natürliche Inhaltsstoffe unserer Nahrung usw. – von ihrer weiteren Verstoffwechselung abhängt, hat man nun begonnen, diese Mechanismen genauer zu untersuchen. Dabei zeigte sich, dass die einzelnen Enzyme, die die fraglichen Stoffumwandlungen, ihren Auf- bzw. Abbau bewerkstelligen, bei jedem Menschen in etwas anderer Form und Kombination vorliegen. Man spricht von Polymorphismen. Bei praktisch jedem Enzym gibt es mehrere Versionen, die immer etwas unterschiedlich arbeiten, mal schneller, mal langsamer, mal nehmen sie, wenn sie für mehrere Stoffe zuständig sind, ein paar mehr ins Programm auf – oder auch mal ein paar weniger.
Warum ist das so? Das hat einen evolutionären Grund. Kein Lebewesen wird gerne gefressen. Da Pflanzen nicht davonlaufen können, haben sie ein umfangreiches Arsenal an Abwehrstoffen entwickelt. Die Tiere haben jedoch immer wieder Mittel und Wege gefunden, diese Stoffe bei der Verdauung unschädlich zu machen – sonst würde die gesamte Tierwelt verhungern. Zwischen den Abwehrstoffen in der pflanzlichen Nahrung und den Entgiftungssystemen der Tiere gibt es den gleichen evolutionären Wettlauf wie zwischen den Angriffswaffen von Krankheitskeimen und den Abwehrstrategien des Immunsystems. Da die Natur ein begnadeter Chemiker ist, wartet die Pflanzenwelt ständig mit neuen Wirkstoffen oder Strategien auf. Teilweise konstruiert sie Stoffe, die völlig harmlos sind, aber von der Entgiftungsmaschinerie nicht erkannt und versehentlich in giftige Stoffe umgewandelt werden.
Deshalb gibt es immer auch ein paar Lebewesen, ein paar Menschen, denen ein bestimmtes Entgiftungssystem völlig fehlt, die können dann irgendetwas überhaupt nicht essen – egal was. (Dies hat nichts mit Allergien zu tun. Allergische Reaktionen dienen den Kampf gegen Krankheitserreger und vergreifen sich "versehentlich" auch an Nahrungsmitteln.) Jeder von uns hat eine andere enzymatische Ausstattung, andere Polymorphismen. Dadurch werden immer ein paar Individuen durchkommen, wenn den Pflanzen wieder einmal ein abwehrstrategischer Durchbruch gelungen ist. Um diesen unterschiedlichen Polymorphismen gerecht zu werden, gibt es individuelle Vorlieben und Abneigungen. Da Essen lebensnotwendig ist, unterliegen diese Vorlieben in erster Linie zwingend biologischen Gesetzmäßigkeiten. Die sozialpsychologischen Faktoren spielen kaum eine Rolle. Das ist auch der Grund warum "Beratung" auf diesem Gebiet herzlich wenig bewegen kann.
Was hat das für Folgen? Diese Polymorphismen sind auch für die "Nebenwirkungen" von Arzneimitteln verantwortlich. Man versucht nun durch Untersuchung der genetischen Ausstattung des Individuums herauszufinden, ob der Patient ein Arzneimittel "korrekt", also im Sinne der Therapie oder eben anders verstoffwechselt. Gehört der Patient zu denen, die den Wirkstoff "anders" verstoffwechseln, dann kann die Wirkung ausbleiben oder sogar eine problematische Nebenwirkung auftreten. Das ist der Grund, warum Arzneimittel, die in Europa hübsch wirkten, in Japan auf einmal zahlreiche Todesfälle verursachten.
Was für Arzneimittel gilt, gilt für praktisch alle Stoffe, Wasser und Luft einmal ausgenommen. Es gibt immer jemanden, der anders reagiert. Es ist also Unsinn zu glauben, Naturstoffe seien, weil der Mutter Natur entnommen, besser als chemisch-synthetische Stoffe, oder chemisch-synthetische seien. harmlos, weil geprüft. Man prüft an genetisch einheitlichen Rattenstämmen. Beim nächsten Rattenstamm fällt das Ergebnis schon wieder anders aus. Wenn also wieder mal ein Stoff durch die Medien geht, der dank einer mexikanischen Rattenstudie "krebserregend" ist, ist das etwa so aufregend wie die Information, Wasser ist nass.
Und was heißt das jetzt für die Ernährung? Was in der Pharmazie, in der Medizin höchst sinnvoll ist, funktioniert bei der Ernährung leider in den allermeisten Fällen noch nicht. Das hängt damit zusammen, dass Lebensmittel der Natur entnommen sind und hunderttausende unterschiedlicher Stoffe enthalten können. Aufgrund der Polymorphismen der Pflanze, der unterschiedlichen Bildung von Abwehrstoffen je nach Standort und Schädlingsbefall, unterscheiden sich auch die einzelnen Möhren in ähnlicher Weise wie die einzelnen Menschen. Wir haben zudem so gut wie keine Ahnung wie welcher Stoff bei welchem Polymorphismus wie wirkt. Die Theorien über die Wirkungen von Nahrungsmittelinhaltsstoffen sind meist wilde Spekulationen. Insofern ist es auf absehbare Zeit zu früh seinen Speiseplan entsprechen einer Nutrigenomics-Analyse zu gestalten. In Einzelfällen, bezogen auf einzelne Stoffe wird man im Laufe der Jahre jedoch ein paar Aussagen treffen können. Aber auch dabei ist zu bedenken, dass die Aktivitäten der Enzyme nicht nur von den Genen abhängen sondern auch davon, an welche Stoffe der Organismus gewöhnt wurde, oder was er sonst noch verzehrt. Beispiel Grapefruits, die den Entgiftungsstoffwechsel vieler Menschen deutlich verändern.
Und was soll ich jetzt tun? Der Körper ist ein schlaues Kerlchen, der muss das, was die Experten heute entdecken, bereits seit Jahrmillionen wissen und in entsprechendes Verhalten umsetzen - sonst gäbe es uns Menschen nicht mehr. Deshalb haben die Menschen unterschiedliche Vorlieben.
Dahinter steckt weder Dummheit noch Ignoranz, sondern einfach jede Menge evolutionärer Erfahrung.
Quelle: Nagy T: Nutrigenomics: Essen und auf gute Gene hoffen. EU.L.E.nSpiegel 2002, Heft 2-3