Nuruddin Farah: "Im Norden der Dämmerung"

Verfolgt von den Konflikten im Heimatland

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Buchcover zu Nuruddin Farahs "Im Norden der Dämmerung".
Nurrudin Farah gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Afrikas. In seinem Roman beschreibt er, wie das Leben einer somalischen Familie in Oslo aus den Fugen gerät. © Verlag Antje Kunstmann
Von Stephanie von Oppen · 14.04.2020
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Ein somalisches Diplomatenehepaar in Norwegen muss in "Im Norden der Dämmerung" von Nuruddin Farah erleben, wie ihr Sohn als islamistischer Selbstmordattentäter in Somalia stirbt. Als dessen Witwe mit zwei Kindern nach Oslo kommt, eskaliert der Konflikt.
Wie immer in den Romanen des international wohl bekanntesten Autors Somalias, Nuruddin Farah, handelt es sich auch bei den Protagonisten von "Im Norden der Dämmerung" um Somalier. Diesmal geht es um Gacalo und Mugdi, die es als Diplomatenehepaar nach verschiedenen anderen Stationen in Europa in die norwegische Hauptstadt Oslo verschlagen hat. Bei ihrer Ankunft galt Norwegen noch als Musterland der Integration von Zuwanderern. Doch inzwischen wird rechtes Gedankengut immer populärer. Das gipfelt in dem Massaker des Attentäters Anders Breivik, dem auch eine Freundin der Familie zum Opfer fällt.

Selbstmordattentat in Somalia

Gacalo und Mugdi scheinen bestens integriert, haben nicht nur internationale, sondern auch norwegische Freunde, und ihre Tochter Timiro und der Sohn Dhaqane haben eine sehr gute Schulbildung genossen. Während Timiro ebenfalls eine Diplomatenlaufbahn eingeschlagen hat und nach Genf gezogen ist, hat Dhaqane sein Studium der Kommunikationswissenschaften abgebrochen und sich den Islamisten in Somalia angeschlossen. Als er bei einem Selbstmordattentat ums Leben kommt, holen Gacalo und Mugdi seine Witwe und die beiden Kinder aus einem Flüchtlingslager nach Oslo.
Schnell wird offensichtlich, dass die Gräben zwischen dem weltgewandten Ehepaar und ihrer Schwiegertochter schier unüberwindlich sind. Es kommt sozusagen zu einem interkulturellen Konflikt unter Somaliern. Die Kinder, besonders der sehr aufgeweckte Sohn, entwickeln ein großes Interesse an der neuen Umgebung. Aber auch die Tochter, die zwar einen Hijab trägt und vor allem noch das Trauma einer Vergewaltigung im Flüchtlingslager verarbeiten muss, taut zunehmend auf. Die Witwe indessen flüchtet sich in die Religion. Dabei begibt sie sich auch in die Hände dubioser islamischer Führer. Die Kinder geraten in einen schweren Loyalitätskonflikt zwischen ihrer Mutter und den Großeltern.

Tiefer Einblick in die somalische Upperclass Community

Die Geschichte ist eher konventionell erzählt. Der Plot verspricht aber eine interessante Lektüre. Dabei kommt die Handlung zum Teil etwas sprunghaft daher. Immer wieder legt der Autor neue Fäden, die dann ins Leere laufen. So werden eigentlich sehr emotionale Ereignisse - wie die Geburt eines Kindes, der Amoklauf Andres Breiviks oder gar der Selbstmord von Gacalo - seltsam beiläufig abgehandelt.
Aber dennoch: Farah versteht es sehr gut, die Figuren mit ihren inneren Konflikten und kulturellen Ambivalenzen zu entwickeln. Und er vermittelt einen tiefen Einblick in eine somalische Upperclass Community, die sich in einem westeuropäischen Land etabliert hat, doch den Problemen des Krisen geschüttelten Heimatlandes nie entkommen wird.

Nuruddin Farah: Im Norden der Dämmerung
Aus dem Englischen von Wolfgang Müller
Kunstmann, München 2020
252 Seiten, 25 Euro

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