Nur die Top 10 zählen

Zum 50. Mal geht heute Abend der "Eurovision Song Contest", ehemals "Grand Prix d` Eurovision de la Chanson" in Kiew über die Bühne. Aber der Traum von "Germany 12 points" dürfte wohl geplatzt sein. Der Manipulationsskandal rund um den deutschen Sieger-Titel "Run and hide" der Sängerin Gracia hat der Branche einmal mehr Schaden zugefügt.
Glaubt man Insidern wird in der Musikszene geschummelt und geschoben, werden CDs aufgekauft und gezielt die Musik-Downloads im Internet genutzt, um die Künstler in die Top 100 zu bringen. Denn nur, wer in den Charts vertreten ist, wird in den Radiosendern gespielt und in Fernsehsendungen eingeladen. Und wer bekannt ist, wird gekauft.

Diese Mechanismen kennt Tim Renner nur zu gut. Der 40-Jährige galt lange als das "Wunderkind" der Musikbranche. Mit 15 hatte der gebürtige Berliner schon ein eigenes Musikmagazin, das er auf Kassette herausbrachte. Von dort aus arbeitet er sich schnell und steil nach oben - bis hin zum jüngsten Chef des größten hiesigen Musikkonzerns Universal Music Deutschland, ein Posten, den er seit 2001 bekleidete. Anfang 2004 kam der Bruch: Renner verließ das Unternehmen. Auf das "McDonalds-Prinzip", also mehr gängige Musik zu produzieren, wollte er sich nicht mehr einlassen.

Fast 18 Jahre lang hatte der Selfmade-Musikmanager in der Branche gearbeitet und bekannten deutschen Bands wie "Element of Crime" oder "Rammstein" zum Erfolg verholfen. Er gilt als einer der kreativsten und profiliertesten Köpfe der Musikindustrie. Im Jahr 2003 wurde er als einer von weltweit hundert Managern zum "Global Player of Tomorrow" gekürt.

Nach dem Weggang bleib er seiner Erfolgsstrategie treu: Musik als ein Produkt mit hohem emotionalem Potenzial zu entwickeln, vor allem auch lokale Musik zu unterstützen und neue nationale Talente zu fördern. Gemeinsam mit seiner Frau, der Musikmanagerin Petra Husemann, gründete er sein eigenes unabhängiges Label, "Motor Music". Seine Radiostation "Motor FM" startete er vor kurzem in Anspielung auf die Märzrevolution um 18 Uhr 48.

Seine Erfahrungen in der Musikbranche hat er sich in einem Buch von der Seele geschrieben, mit dem beziehungsreichen Titel "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie", das 2004 im Campus-Verlag heraus gekommen ist.

Wie aber kann sich der musikalische Nachwuchs in der hart umkämpften Branche durchsetzen? Welche Chance haben unbekannte Bands gegen Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar"? Wie werden überhaupt Musikstars gemacht?

Gisela Steinhauer wirft heute gemeinsam mit Tim Renner einen Blick hinter die Kulisse des Musikgeschäfts, von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr in der Sendung "Radiofeuilleton - Im Gespräch" von Deutschlandradio Kultur. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen über Tim Renner unter: motor.de

Literaturhinweis: Tim Renner, "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm". Campus-Verlag, 2004.