Nur die Opfer sind gleich
Brigitte Mohnhaupt kommt frei. Man liest, was die Angehörigen der Opfer Frau Mohnhaupts und ihrer RAF-Kollegen zu sagen haben und ist gezwungen, ihre Entrüstung zu teilen. Kurz darauf sieht man den Film "Das Leben der Anderen", und man erfährt fast täglich Neues über Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Russland unter Wladimir Putin, gipfelnd im unaufgeklärten Tod der Journalistin Anna Politkowskaja. Auf den ersten Blick scheint all dies nicht zusammenzuhängen. Aber es hängt sehr wohl zusammen, und darin liegt eine Herausforderung, der sich demokratische Gesellschaften stellen müssen.
Vielleicht bedarf es der Erfahrung eines Flüchtlings aus Nazi-Deutschland, der auf alle Diktaturen gleich allergisch reagiert, für die Enttäuschung eines Clais von Mirbach, des Sohns des in der deutschen Botschaft in Stockholm ermordeten Verteidigungsattachés, und Hanns-Eberhard Schleyers über die Ermordung seines Vaters Verständnis aufzubringen. Clais von Mirbach bezieht sich dabei auf "Selbsterklärungen und Verharmlosungen" der RAF-Morde und wünscht sich, dass die deutsche Öffentlichkeit diesen entschiedener entgegenträte. Der Sohn des ermordeten Hanns-Martin Schleyer tritt den "plakativen Positionen" vieler Intellektueller ähnlich entgegen und findet, dass "eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Meinungsbildern der Studentenbewegung … erst nach den Morden des Jahres 1977 begann."
Wohl gab es diese Auseinandersetzung, aber "die Aura der Nachsicht und des Verständnisses" für Linksradikale lebt weiter. "Das Leben der Anderen" wurde als künstlerische Leistung mit einem Oscar geehrt. Die Hollywood-Akademie und Kritiken in den großen amerikanischen Zeitungen hatten viel über die Schauspieler und den Direktor zu sagen und wenig über die Diktatur, die der Film dokumentiert. Es wäre unwahrscheinlich, dass die Kritik an einem Film über die Gestapo nicht der Anlass zu umfangreichen Betrachtungen über die Geschichte der dreißiger und vierziger Jahre wäre. Dann kommt fast unweigerlich der Refrain: "Aber es ist doch nicht dasselbe".
Aber dabei kann man es nicht belassen, und es hat wenig Sinn, den Historikerstreit neu zu beleben. Der Genozid der Juden war einzigartig, weil er mit dem Ziel, ein ganzes Volk systematisch auszurotten, begangen wurde. Aber dass der Holocaust einzigartig ist, sollte nicht dazu führen, die Verletzungen der Menschenrechte in der Nachkriegszeit mit verschiedenen Maßstäben zu messen. In linken Diktaturen werden zahllose Menschen bespitzelt, in Konzentrationslager verbannt oder zum Tod verurteilt, was damit begründet wird, dass das System der "sozialen Gerechtigkeit" diene, und wenn man es auch nicht gutheiße, so sei es doch "nicht dasselbe". Diese Denkart ist tief in die westliche Gesellschaft eingedrungen. Wolfgang Thierse, der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, ging so weit, die Zustände in der DDR in Zusammenhang mit dem Abhören von Telefonaten und anderen so genannten "Sicherheitsmassnahmen" unter Präsident Bush zu bringen, die zu wochenlangen Debatten im Kongress und den Medien führten und Bush zwangen, sich dem Urteil der Öffentlichkeit zu beugen.
Die politisch Korrekten sind stets bereit, Amerika unter Bush als Quasi-Diktatur einzustufen, während sie Putins Entmachtung der Opposition und die Verletzung grundsätzlicher demokratischer Prinzipien nur schulterzuckend kritisieren. Aber politische Ethik duldet keinen doppelten Standard. Es geht um Aufrichtigkeit, die nicht erlaubt, Verbrechen nur dann zu verurteilen, wenn sie ins ideologische Feindbild passen. Nie ist ein Verbrechen oder ein politisches System "das selbe" wie ein anderes. Was das selbe ist und bleibt, sind die schuldlosen Opfer des Terrors und Genozids der Nachkriegszeit - seien es die von der RAF Erschossenen, von DDR-Schergen an der Mauer Getöteten und die Hunderttausende von Toten und Vertriebenen in Ruanda und Darfur. Unter ihren Grabsteinen oder in namenlosen Massengräbern sind sie alle gleich. Ihr Tod erlaubt weder Verharmlosungen noch Erklärungen. Und Brigitte Mohnhaupt verdient nicht, frei zu kommen.
Robert B. Goldmann wurde 1921 als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes in einem Odenwalddörfchen geboren. Er machte in Frankfurt am Main Abitur. Kurz darauf verließ die Familie Deutschland und kam 1940 über Großbritannien nach New York. Goldmann schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, um sein Studium zu finanzieren. Er war viele Jahre lang Journalist, bevor er sich sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der Dritten Welt widmete und schließlich ein Wegbereiter für die deutsch-jüdische Verständigung wurde. 1996 veröffentlichte er sein viel beachtetes Buch ‚Flucht in die Welt’, eine Lebens- und Familiengeschichte. Goldmann arbeitete lange für die Anti-Defamation League in New York und publiziert noch immer in amerikanischen und deutschen Medien.
Wohl gab es diese Auseinandersetzung, aber "die Aura der Nachsicht und des Verständnisses" für Linksradikale lebt weiter. "Das Leben der Anderen" wurde als künstlerische Leistung mit einem Oscar geehrt. Die Hollywood-Akademie und Kritiken in den großen amerikanischen Zeitungen hatten viel über die Schauspieler und den Direktor zu sagen und wenig über die Diktatur, die der Film dokumentiert. Es wäre unwahrscheinlich, dass die Kritik an einem Film über die Gestapo nicht der Anlass zu umfangreichen Betrachtungen über die Geschichte der dreißiger und vierziger Jahre wäre. Dann kommt fast unweigerlich der Refrain: "Aber es ist doch nicht dasselbe".
Aber dabei kann man es nicht belassen, und es hat wenig Sinn, den Historikerstreit neu zu beleben. Der Genozid der Juden war einzigartig, weil er mit dem Ziel, ein ganzes Volk systematisch auszurotten, begangen wurde. Aber dass der Holocaust einzigartig ist, sollte nicht dazu führen, die Verletzungen der Menschenrechte in der Nachkriegszeit mit verschiedenen Maßstäben zu messen. In linken Diktaturen werden zahllose Menschen bespitzelt, in Konzentrationslager verbannt oder zum Tod verurteilt, was damit begründet wird, dass das System der "sozialen Gerechtigkeit" diene, und wenn man es auch nicht gutheiße, so sei es doch "nicht dasselbe". Diese Denkart ist tief in die westliche Gesellschaft eingedrungen. Wolfgang Thierse, der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, ging so weit, die Zustände in der DDR in Zusammenhang mit dem Abhören von Telefonaten und anderen so genannten "Sicherheitsmassnahmen" unter Präsident Bush zu bringen, die zu wochenlangen Debatten im Kongress und den Medien führten und Bush zwangen, sich dem Urteil der Öffentlichkeit zu beugen.
Die politisch Korrekten sind stets bereit, Amerika unter Bush als Quasi-Diktatur einzustufen, während sie Putins Entmachtung der Opposition und die Verletzung grundsätzlicher demokratischer Prinzipien nur schulterzuckend kritisieren. Aber politische Ethik duldet keinen doppelten Standard. Es geht um Aufrichtigkeit, die nicht erlaubt, Verbrechen nur dann zu verurteilen, wenn sie ins ideologische Feindbild passen. Nie ist ein Verbrechen oder ein politisches System "das selbe" wie ein anderes. Was das selbe ist und bleibt, sind die schuldlosen Opfer des Terrors und Genozids der Nachkriegszeit - seien es die von der RAF Erschossenen, von DDR-Schergen an der Mauer Getöteten und die Hunderttausende von Toten und Vertriebenen in Ruanda und Darfur. Unter ihren Grabsteinen oder in namenlosen Massengräbern sind sie alle gleich. Ihr Tod erlaubt weder Verharmlosungen noch Erklärungen. Und Brigitte Mohnhaupt verdient nicht, frei zu kommen.
Robert B. Goldmann wurde 1921 als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes in einem Odenwalddörfchen geboren. Er machte in Frankfurt am Main Abitur. Kurz darauf verließ die Familie Deutschland und kam 1940 über Großbritannien nach New York. Goldmann schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, um sein Studium zu finanzieren. Er war viele Jahre lang Journalist, bevor er sich sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der Dritten Welt widmete und schließlich ein Wegbereiter für die deutsch-jüdische Verständigung wurde. 1996 veröffentlichte er sein viel beachtetes Buch ‚Flucht in die Welt’, eine Lebens- und Familiengeschichte. Goldmann arbeitete lange für die Anti-Defamation League in New York und publiziert noch immer in amerikanischen und deutschen Medien.