Nun hilft nur eines: Sparen

Von Michael Rutz, Chefredakteur Rheinischer Merkur · 12.06.2010
Ein Unglück kommt selten allein, sagt der Volksmund. Angela Merkel weiß um die Wahrheit dieses Satzes, wenn sie auf ihre Kanzlerinnen-Jahre zurückblickt. In der großen Koalition war sie 2005 gestartet mit dem Bemühen, den Bundeshaushalt in Ordnung zu bringen. Dann kam die Bankenkrise und mit ihr ein neuer Schuldenrausch, der alle Hoffnungen auf solide Finanzen zunichte machte.
2011 hatte es soweit sein sollen mit dem ausgeglichenen Haushalt, der erstmals wieder mit den Finanzmitteln auskommt, die man eingenommen hat. Für die schwarz-gelbe Koalition, die der schwarz-roten folgte, wären das ideale Voraussetzungen gewesen. Denn deren großes Projekt war eigentlich eine Steuerreform, die vor allem die mittleren Verdiener entlasten und auch das Steuersystem vereinfachen sollte. Auch damit ist es nichts geworden, Stückwerk nur, und in die ersten Überlegungen platzte dann die Finanzkrise der Euro-Staaten. - Nun hilft nur eines: Entschulden, Sparen.

Es hat eine Weile gedauert, bis auch die FDP das begriffen hat. Aus solcher Begriffsstutzigkeit erwuchsen Spannungen in der Koalition, die sich im Verein mit Zwistigkeiten auf anderen Baustellen - im Gesundheitssystem etwa, bei den Opel-Subventionen oder in der Verteidigungspolitik - zu handfestem Krach auswuchs. Dass sich die Kontrahenten dabei mit Verbalinjurien befehden, kann einen langjährigen Beobachter der deutschen politischen Szene kaum überraschen. Das war schon öfter so. Dass die CSU wie eine "Wildsau" durch politische Berlin tobe, und umgekehrt: dass sich die FDP wie eine "Gurkentruppe" aufführe, das sind koalitionäre Freundlichkeiten, über die wieder Gras wächst.

Bedenklicher schon sind die sachlichen Differenzen. Noch immer ist nicht ganz klar, welchem ordnungspolitischen Kurs diese Bundesregierung als Ganzes folgt. Auf welchen Staat soll das hinauslaufen? Auf den starken, den subventionierenden, lenkenden, fiskalistischen, alles behütenden Staat? Diesen Eindruck macht gelegentlich die CDU, insbesondere seit ihre wirtschaftspolitischen Protagonisten nun auch noch nach Steuererhöhungen rufen in einer Situation, in der schon der Facharbeiter als Gutverdiener gilt, dafür gescholten wird und man ihm den Spitzensteuersatz abknöpft.

Das Sparpaket, das die Koalition nach langem Ringen nun vorgelegt hat, ist allerdings ein Zeichen, dass die Bundesregierung nun wieder Tritt fasst. Die Kritik daran ist maßlos übertrieben: In seiner Summe von etwa 80 Milliarden Euro über fünf Jahre erfüllt es nur die dringendsten Notwendigkeiten, die sich aus der Überschuldung Deutschlands ergeben. Unser Land hat 1,6 Billionen Euro Schulden, nimmt man die nicht rückgestellten und bisher unfinanzierten Pensions- und Rentenansprüche hinzu, die sicher auf die öffentlichen Haushalte zukommen, sind es gar mehr als 6 Billionen. Nach wie vor bleibt rätselhaft, wie dieser Schuldenberg abgebaut werden könnte. Das Sparpaket ist immerhin ein erster Schritt, und es ist so geschnürt, dass es weder soziale Schieflage hat - nur ein Drittel der Sparsumme wird im Sozialetat aufgebracht, der aber die Hälfte des Bundeshaushaltes verschlingt - noch die Konjunktur beschädigt, die sich nur langsam wieder stabilisiert.

Als wären Banken- und Eurokrise nicht schon genug der Schicksalsschläge, kommt für Angela Merkel jetzt noch eine überraschende Bundespräsidentenwahl hinzu. Der bis heute unerklärliche Abgang Horst Köhlers und die Entscheidung für Christian Wulff hat eine neue Tretmine in den Weg der Koalition gelegt, denn nicht wenige FDP-Politiker sympathisieren eher mit dem hoch achtbaren Joachim Gauck. Aber: Christian Wulff ist - nimmt man alles in allem - der bessere Kandidat: Er verfügt über intensive gerade auch parteipolitische Erfahrung, er ist integrativ, und er ist Anwalt der Jüngeren in unserem Lande, deren Zukunft vor allem chancenreich gehalten werden muss in einer alternden Gesellschaft.

Das sind die Prüfsteine für diese Koalition: Wenn die Wahl Christian Wulffs gelingt, und wenn die schwarz-gelbe Koalition ihr Sparpaket in die Tat umsetzen kann, dann hat sie einen Grad der inneren Festigung erreicht, der auch die nächsten drei Jahre dieser Legislaturperiode absichert. Der umgekehrte Schluss gilt allerdings auch: Wenn nur eines dieser Vorhaben schiefgeht, dürfte die Koalition am Ende sein. Die Zeiten allerdings sind nicht so, dass man mit der Regierungsfähigkeit in Deutschland spielerisch und parteipolitisch leichtfertig umgehen dürfte. Alle Politiker stehen in der Pflicht, die Zukunft Deutschlands inmitten seiner großen Problemen ernst zu nehmen und alles dafür zu tun, dass das Land, seine Wirtschaft, seine europäische Einbindung und seine bisher stabile Währung nicht dauerhaft Schaden nehmen.
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