NSU-Prozess

Vom Bekennermut verlassen

Der Angeklagte im NSU-Prozess, Ralf Wohlleben, vor dem OLG am 14.7.2015.
Der Angeklagte im NSU-Prozess, Ralf Wohlleben, vor dem OLG am 14.7.2015. © picture alliance / dpa / Andreas Gebert
Von Rolf Clement  · 16.12.2015
Nachdem schon Beate Zschäpes Aussage wenig Erhellendes zu Tage gefördert hatte, hat sich jetzt auch Ralf Wohlleben vor Gericht als jemand präsentiert, der nie etwas von Gewalt habe wissen wollen. Das sei wenig glaubwürdig, meint Rolf Clement.
Kann es wirklich sein, dass in München seit zweieinhalb Jahren ein Prozess um ein Phantom geführt wird? Soll es den NSU, den Nationalsozialistischen Untergrund gar nicht gegeben haben? Beate Zschäpe bestritt die Existenz, aber auch Ralf Wohlleben heute in seiner Aussage sagte, er habe davon nichts gewusst. Also keine terroristische Vereinigung? Und noch eine Gemeinsamkeit der Aussagen: Zumindest Uwe Böhnhardt hat im Fall seiner Festnahme mit Selbstmord gedroht – und darauf bauen die beiden Angeklagten ihre These: Das wollten sie nicht riskieren, und deshalb sind sie in den Strudel der Gewalt geraten, in den sie eigentlich nicht wollten.
Das kann das Gericht nicht mehr überprüfen, weil Böhnhardt und auch sein Komplize Uwe Mundlos tot sind. Während Zschäpe ihre Mitangeklagten nicht erwähnt hat, geht Wohlleben auf den Angeklagten Schulz los, dessen Aussage sei falsch gewesen. Der hatte Wohlleben des Kaufs der Tatwaffe bezichtigt, Wohlleben bestreitet dies. Heute ist sehr wenig Neues über die Tatbeteiligung Zschäpes ans Licht gerückt.
Wohllebens Aussage zielt nur auf Reduzierung des Strafmaßes
Jedenfalls wurde ihre These von der vor in Liebe untertauchenden jungen Frau nicht bestätigt. Auf diese – ach so durchsichtige – Darstellung wollte sich dieser Angeklagte offenkundig nicht einlassen. Er ging einen anderen Weg: Wohlleben räumt gewisse Unterstützungshandlungen ein, die aber deutlich unter dem bleiben, was ihm die Bundesanwaltschaft vorwirft. Auch er ist sehr bemüht, seine Verbindungen zu dem untergetauchten NSU-Trio klein zu reden und damit jegliche Beteiligung an den Mordtaten zu bestreiten. Das soll das Strafmaß reduzieren.
Nach vier Jahren Untersuchungshaft peilt Wohlleben damit eine Strafzumessung an, die ihn nach dem Urteil schnell wieder auf freien Fuß bringt – die U-Haft wird angerechnet, und zumeist wird ein Verurteilter nach zwei Drittel der Strafe begnadigt. Darauf zielt offenkundig diese Aussage, und das Ziel ist aus Wohllebens Sicht verständlich.
Die Indizien sprechen eine andere Sprache
Dennoch bleibt eines: Beide, Zschäpe wie Wohlleben, hat der Bekennermut für ihre Einstellung verlassen. Sie stehen nicht oder nicht mehr zu ihrer Gesinnung. Es wäre vielleicht glaubhaft, wenn sie jetzt der Gewalt abschwörten. Aber nun zu behaupten, sie hätten nie etwas von Gewalt wissen wollen, ist wenig glaubwürdig. Woher kommen denn dann die Waffen, mit denen beide zu tun hatten, auch wenn Wohlleben nun betont, er habe sie nicht bestellt? Beide haben damit auch die Anwendung von Gewalt nicht verhindert, vielleicht sogar unterstützt. Da setzen die Angeklagten darauf, dass ihnen das Gegenteil dessen, was sie sagen, nicht bewiesen werden kann.
Allerdings sprechen die Indizien, die das Gericht in den letzten zweieinhalb Jahren zusammengetragen hat, eine andere Sprache. Das gilt allemal für Beate Zschäpe, aber auch für Ralf Wohlleben, wenngleich dessen Aussage authentischer wirkt, weil er sie selbst vorgetragen hat. Er hat im Moment die bessere Verteidigungsstrategie.
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