NSU-Prozess

Eine Aussage Zschäpes scheint utopisch

Die Angeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess
Die Angeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess © AFP / Foto: Michaela Rehle
Von Holger Schmidt  · 15.12.2014
Seit 20 Monaten läuft der sogenannte NSU-Prozess - Zeit für eine Bilanz. Eine Aussage der Hauptfigur Beate Zschäpe ist nicht zu erwarten, der Senat muss also selbst klären, wer für die NSU-Taten verantwortlich ist - und darf sich trotz zahlreicher Nebenklagen nicht verzetteln.
Verläuft alles planmäßig, werden es vor der Weihnachtspause 173 Verhandlungstage gewesen sein, in denen der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München den sogenannten NSU-Prozess verhandelt hat. Nicht alle sind so aufwühlend, wie der Tag Ende November, an dem das sogenannte "NSU-Bekennervideo" gezeigt wird, in dem zu Bildern der Comicserie "Der rosarote Panther" Fotos der Ermordeten und zynische Texte kombiniert werden. Zuschauer im Saal sind fassungslos:
"Ich hab immer nur ganz kleine Ausschnitte gesehen und fand es jetzt als komplettes Video so gruselig, dass mir fast schlecht geworden ist. Dieser Zynismus und das mit dem Spaß des rosaroten Panthers, der ja auch meine Kindheit erreicht hat, dann diese Lust am Morden. Das ist schon viel kräftiger, als ich gedacht hätte."
Seit 20 Monaten läuft der Prozess.
Die zentralen Fragen lauten derzeit: Ufert das Verfahren durch Anträge der Nebenklage ins Endlose aus? Wird das Gericht dem Verfahrensstoff Herr oder verzettelt es sich? Und was tut die Hauptangeklagte Beate Zschäpe?
Wieder friedlich: das Verhältnis von Zschäpe zu ihren Anwälten
Beate Zschäpe ist und bleibt die Hauptfigur des Prozesses. Als Nazibraut wurde sie vom Boulevard tituliert, ihre Gesten, ihre Kleidung, ihr Umgang mit ihren drei Anwälten sind breit thematisiert worden. Und doch bleibt ihr Inneres erstaunlich wenig fassbar – trotz eines offenkundigen Zerwürfnisses mit ihren Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm im Sommer. Zschäpe bestellte sich andere Anwälte in die Haft, erwog wohl einen Wechsel – und blieb dann doch bei den alten Anwälten.
Eine naheliegende Erklärung für diesen "Koller", wie es ein Insider nannte, dürfte sein, dass auch die anderen, zwischenzeitlich von Zschäpe befragten Strafverteidiger aus München und Mannheim ihr keine bessere Perspektive bieten konnten als die bisherigen Anwälte. Inzwischen scheint offenkundig wieder Frieden eingekehrt, Zschäpe scherzt mit ihren Anwälten, diese bringen ihr wieder Süßigkeiten mit. Eine Aussage von Zschäpe scheint utopisch.
Das scheint auch dem Senat unter dem Vorsitz von Manfred Götzl klar zu sein. Der Senat muss selbst klären, wer für die Taten des NSU verantwortlich ist. Doch die Richter gehen darüber hinaus. Akribisch versuchen sie, auch lange zurückliegende Details des Verfahrens zu ergründen. Ungewöhnlich weit entfernen sie sich dabei für einen Staatsschutzprozess von der Anklage des Generalbundesanwalts. Manchmal kann man den Eindruck bekommen, die Bundesanwälte wundern sich, wie weit der Senat mit der Befragung von Zeugen aus der Frühzeit der Neonaziszene Thüringens Mitte der 1990er-Jahre zurück geht und wie umfangreich er Zeugen vernimmt. Für die Verteidiger von Beate Zschäpe ist das schon bedenklich, sagt Rechtsanwalt Wolfgang Stahl – und macht die Nebenklage für die Verzögerung verantwortlich:
"Problem ist das Interesse der Nebenklage an einer weitest gehenden Aufklärung der rechten Szene und des Umfeldes und das führt dazu, dass der Prozessstoff, wenn man darauf nicht achtet, ins Unermessliche ausufert."
Umfassende Aufklärung als Mission der Anwälte
Viele Anwälte der Nebenkläger weisen das weit von sich. Sie haben den Eindruck, eine Mission erfüllen zu müssen, die der Generalbundesanwalt und die Untersuchungsausschüsse des Bundestages und verschiedener Landesparlamente nicht erfüllen konnten: Umfassende Aufklärung. Doch auch unter den Nebenklägeranwälten mehren sich Stimmen, die das für den falschen Weg halten. Nicht alle sagen das laut, einige Anwälte beklagen eine Stimmung der Ausgrenzung im Lager der Nebenklägervertreter. Rechtsanwalt und Nebenklägervertreter Mustafa Kaplan gehört zu denen, die das Problem offen benennen:
"Man fragt sich, warum wird jetzt dieser Beweisantrag gestellt? Was bringt uns das in Bezug auf die Angeklagten weiter? Welchen Tatbeitrag soll dadurch jetzt aufgeklärt oder neu hinterfragt werden? Mir erschließt sich das nicht und ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich im Interesse der Mandanten liegt, das Verfahren ins Unendliche zu ziehen."
Aber wie schon vor der Weihnachtspause 2013 traut sich heute niemand, eine Prognose zu wagen, wie lange das Verfahren noch gehen wird. Vorsorglich hat das Gericht bereits bis Januar 2016 mögliche Sitzungstage festgelegt.
Mehr zum Thema