NSA-Reform

"Noch lange nicht den Kongress passiert"

Moderation: Jörg Degenhardt · 18.01.2014
Eine Begrenzung der NSA-Aktivitäten sei ohne den Kongress nicht möglich, sagt der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder - und das könnte ein zäher Prozess werden. Dennoch müsse Deutschland weiter ein No-Spy-Abkommen verfolgen.
Jörg Degenhardt: Vertrauen ist gut, Abhören ist besser. Nein, so funktioniert das nicht unter Freunden. Vertrauen kann nur wieder wachsen, wenn genau damit Schluss gemacht wird. Aber werden die NSA-Spähaktionen wirklich der Vergangenheit angehören. Präsident Obama hat jetzt zumindest eine Begrenzung der umstrittenen Programme angeordnet. Zudem hat er einen stärkeren Schutz der Privatsphäre ausländischer Bürger sowie ein Ende der Überwachung von verbündeten Staats- und Regierungschefs angekündigt. Als Ausnahmegrund führte der Präsident "zwingende Gründe der nationalen Sicherheit" an. Er machte zudem deutlich, dass die US-Geheimdienste weiter Daten sammeln und die Kommunikation überwachen würden. Vor dem Gespräch mit Philipp Mißfelder - er ist der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - Reaktionen auf Obamas Rede auf den Vereinigten Staaten. Gesammelt hat sie Dagmar Pepping.
Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wird sich schon bald Koordinator für die transatlantischen Beziehungen nennen dürfen. Mit ihm habe ich gesprochen. Das ist sicher mehr als weiße Salbe, was der Präsident da gestern verabreicht ist, mehr als eine Beruhigungspille. Aber reicht Ihnen das, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen?
Philipp Mißfelder: Ich glaube, der gestrige Abend und seine Rede war ein guter Tag für die Beziehungen, weil ja auch vorher spekuliert worden ist, dass gar nichts käme. Und gleichzeitig bleibt natürlich die Aufgabe, ein No-Spy-Agreement, was wir anfangs angestrebt haben, auch weiter zu verfolgen und damit auch weitergehendes verloren gegangenes Vertrauen wieder zu restaurieren.
Degenhardt: immerhin Obama auch klare juristische Ansagen gemacht. Das ist doch beachtenswert für das Reagieren der Geheimdienste, und das hat Amerika so noch nicht gehabt. Müssen wir einfach akzeptieren, dass in Sachen Geheimdienste anders ticken als die Europäer, als die Deutschen?
Mißfelder: Ich hoffe nicht, dass wir das einfach so akzeptieren müssen. Es ist schon jetzt aber auch an uns, an der deutschen Öffentlichkeit, aber auch an denen, die in Amerika politische Gespräche führen, egal, ob Parlamentarier, Regierungsvertreter oder einfach auch schlichtweg die öffentliche Meinung in Deutschland müssen dazu beitragen, Obama jetzt auch zu unterstützen. Denn all das, was er gestern angekündigt hat, hat natürlich noch lange nicht den Kongress passiert, und das, was er an Möglichkeiten hat durch präsidiales Verhalten, das will er ja tun, aber eine gesetzliche Basis für die Geheimdienste muss natürlich durch den Kongress.
"Tiefgreifender Konflikt"
Philipp Mißfelder übt Kritik am Koalitionsvertrag
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder© dpa / picture-alliance / Bernd Wüstneck
Degenhardt: Das heißt, das Problem ist, dass er etwas angekündigt hat, von dem wir auch noch gar nicht wissen, ob es Realität wird und wer es dann später kontrollieren kann?
Mißfelder: Sie können ja auf dem Verordnungswege natürlich schon das eine oder andere machen. Das ist ja schon mal sehr wichtig. Und das mächtige politische Wort eines amerikanischen Präsidenten ist auch nicht zu unterschätzen. Trotzdem haben wir ja im Fall der Schließung von Guantanamo gesehen, dass das ein sehr, sehr zäher Prozess sein kann im amerikanischen Kongress, und dass natürlich auch ein amerikanischer Präsident nicht allmächtig ist.
Degenhardt: Ihr Parteifreund, Herr Röttgen, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages, sieht bei der Abwägung zwischen den Werten Sicherheit und Freiheit einen transatlantischen Dissens. Sehen Sie den auch?
Mißfelder: Es gibt in Amerika eine grundsätzlich andere Interpretation, wie weit der Staat gehen darf, wenn es um die Garantie der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht. Und dieses Verständnis ist eben nach Nine-Eleven noch weiter auseinander gegangen. Und das ist natürlich nicht in unserem gemeinsamen Interesse, weil die Beschwerden, die hier in Europa sind und aber auch an anderen Orten der Welt - aber wir konzentrieren uns ja erst mal auf das, was wir repräsentieren -, die sind ja nicht irgendwie herbeigerufen, sondern es ist ja tatsächlich, dass die Menschen wirklich empört sind. Und die Langfristigkeit dieser Diskussion zeigt jetzt auch gerade, dass das Thema nicht eine Eintagsfliege ist, sondern tatsächlich ein tiefgreifender Konflikt, den man sehr ernst nehmen muss.
Degenhardt: Macht es Sie nicht stutzig, dass der amerikanische Präsident ein mögliches No-Spy-Abkommen mit keiner Silbe erwähnt hat?
Mißfelder: Ja, das wurde uns vorher schon signalisiert durch die Medienberichterstattung in den USA und auch in den Tagen vorher haben wir viele Gespräche geführt, dass vielleicht die Erwartungshaltungen auf deutscher Seite etwas zu hoch gegriffen sein könnte, rasch ein solches Abkommen zu bekommen. Es wird ja sogar über den Begriff hier diskutiert – wer hat den Begriff zuerst gebraucht oder wer eben nicht. Also ich kann nur sagen, aus deutscher Sicht ist es natürlich so, das Bedürfnis nach einer Regelung ist sehr ausgeprägt, aber diese Regelung muss natürlich dann auch greifen und sie muss in der Realität sich umsetzen. Und letztendlich kommt es darauf an, kann man die einzelnen Freiheitsrechte des Bürgers, und dabei ist es egal, ob es das Handy der Bundeskanzlerin ist oder das Handy eines x-beliebigen Bürgers – kann man diese Freiheitsrecht grundsätzlich garantieren, oder ist die Frage von Sicherheit überlappend.
"Im ureigensten amerikanischen Interesse"
Degenhardt: Die Bundeskanzlerin wird demnächst schon nach Washington reisen. Macht die Reise überhaupt Sinn, wenn gar nicht feststeht, dass es in Sachen Anti-Spionage-Abkommen überhaupt Bewegung geben könnte?
Mißfelder: Ich würde mich darauf nicht festlegen, weil die Reise macht definitiv Sinn. Ich habe die Tage in einem Pressegespräch mit Journalisten gesagt, wo sollen wir denn uns sonst treffen, als wenn wir uns wechselseitig in Berlin und Washington besuchen? Das ist doch schon ganz zentral, dass wir miteinander reden, dass wir, wenn wir politischen Druck aufbauen wollen, auch dort hinfahren, wo unser Partner sitzt. Und die Amerikaner sind doch nach wie vor unser engster Verbündeter und einer unserer treuesten Freunde, die wir haben. Und insofern gibt es überhaupt keinen Grund, an der Reise der Kanzlerin zu zweifeln.
Degenhardt: Und glauben Sie, Herr Mißfelder, noch daran, dass es je zu einem No-Spy-Abkommen kommen wird?
Mißfelder: Ja. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn egal, wie gering auch unsere Druckpotenziale sind – bleiben wir mal realistisch, es wird ja nicht so sein, dass, wenn wir uns hier aufplustern, das in irgendeiner Form jetzt großartiges Drohpotenzial entwickelt. Aber es ist in der Tat ja so, das ist im Grunde unser stärkstes Argument: Die Amerikaner selbst müssen ja ein Interesse haben, mit den wichtigsten Ländern in Europa dauerhaft und vertrauensvoll und freundschaftlich zusammenarbeiten. Und bevor der Riss größer wird zwischen den Ländern, muss dieser Graben zugeschüttet werden, und insofern, denke ich, ist das im ureigenen amerikanischen Interesse.
Degenhardt: Philipp Mißfelder, der künftige Transatlantik-Koordinator zur gestrigen Obama-Rede in Sachen NSA-Spähaffäre.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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