NRW-CDU für stärkere Werteorientierung in der Schule
Franz Xaver Ohnesorg, Mitarbeiter am Kulturprogramm der NRW-CDU, hält ein christliches Weltbild in den Schulen für besonders wichtig bei der Heranbildung junger Menschen. Dementsprechend werde die CDU unter Jürgen Rüttgers in den Schulen in NRW verstärkt eine Werteorientierung einführen. Gleichzeitig sollen auch Künstler zu Bildungsaufgaben in Schulen herangezogen werden.
Heise: Franz Xaver Ohnesorg hat mitgearbeitet am Kulturprogramm der CDU in Nordrhein-Westfalen. Schönen guten Morgen, Herr Ohnesorg.
Ohnesorg: Guten Morgen, Frau Heise.
Heise: Haben Sie denn gestern mit einem so eindeutigen Ergebnis gerechnet?
Ohnesorg: Gehofft habe ich es schon, aber dass es so eindeutig ausfallen würde, fand ich eine spektakuläre Leistung und man kann allen nur gratulieren, die dazu beigetragen haben.
Heise: Der Kanzler lässt sich das Heft des Handels nun aber nicht aus der Hand nehmen, drängt auf Bundestagsneuwahlen in diesem Herbst. Hat Sie das wiederum überrascht?
Ohnesorg: Schauen Sie, alle die an politischer Leadership interessiert sein müssen, und genau das braucht Deutschland ja, unabhängig jetzt mal von einzelnen Parteifragen, alle die an solcher Leadership interessiert sind, müssen sich ja überlegen, wie sie ihre Volksparteien zusammenhalten können. In einer so kritischen Situation für die SPD ist das, glaube ich, eine kluge Überlegung, die eben vor allem natürlich auch das deutsche Interesse an sich im Blickfeld hat.
Insofern halte ich es für verantwortungsbewusst und auch für von der Sache her richtig, denn die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und insbesondere natürlich auch die weitere Führungsfrage innerhalb der SPD kann man nicht anderthalb Jahre lang hängen lassen.
Heise: Und er erwischt natürlich die Opposition in Berlin auf dem falschen Fuß?
Ohnesorg: Das würde ich so auch nicht sagen, denn natürlich gibt es Planspiele. Schauen Sie, das ist jetzt der Plan B, der da greift. Dieser hat ein anderes Timing und er wird sicherlich natürlich auch der Volkspartei CDU helfen, schnell und zügig ihr eigenes Profil herauszuarbeiten. Dieser Zeitdruck schadet gar nichts.
Heise: Der Zeitdruck schadet nicht. Jetzt gehen wir mal auf das, was gestern entschieden worden ist. "Vorfahrt für Arbeitsplätze", so hieß das entscheidende Thema, Kunst und Kultur hat eigentlich kaum eine Rolle gespielt, sicherlich auch bei der Wahlentscheidung nicht. Wie gehen Sie damit um als Mensch der Kultur?
Ohnesorg: Natürlich muss man die taktischen Überlegungen zum einen sehen, die zum Beispiel bei so einem Fernsehduell im Vordergrund stehen, und es hat sich ja wohl bewahrheitet, dass die Strategie richtig war, auf das Thema Arbeit, auf das Thema Wirtschaft, was ja nun so viele Menschen auch ganz elementar bewegt, zu konzentrieren, allein schon der Sendezeit wegen. Natürlich hätte ich es persönlich auch nicht so schlecht gefunden, wenn ein oder zwei Fragen auch zur kulturpolitischen Profilierung beigetragen hätten. Denn die CDU kann da ja einiges herzeigen, eines der ersten Papiere, die Jürgen Rüttgers hat erarbeiten lassen, betraf das Thema Kultur. Da haben wir eben gemeinsam mitgearbeitet.
Heise: Genau das holen wir also jetzt nach, was im Wahlkampf nicht geschehen ist. Kommen wir also zur Kultur in Nordrhein-Westfalen. Die CDU spricht von einer geistig-moralischen Wende nach 39 Jahren. Was hat denn die SPD kulturell versäumt in den letzten Jahrzehnten?
Ohnesorg: Naja, es gab sicher eine gewisse Beliebigkeit in der Frage, wie man Schulinhalte, also Lehrinhalte, ausrichten sollte. Da gab es ja auch innerhalb der SPD großen Streit und Austritte, beziehungsweise Abschiede aus dem Kabinett und so weiter. Das heißt, es gab verschiedene Richtungsfragen und die Wertorientierung ist darunter sicher ein bisschen zu kurz gekommen. Das muss man wieder neu ins Bewusstsein rücken, denn ich glaube, dass ein christliches Weltbild in unseren Schulen sicher ein ganz zentraler Punkt ist für die Heranbildung junger Menschen.
Heise: Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit einer sehr schwierigen Identität, mit einer multikulturellen Vergangenheit durchaus. Vielfalt, Sie nennen es jetzt wieder Beliebigkeit, war ein Weg, dieses Land zu befrieden. Ist die CDU auf dem Weg, da etwas aufzugeben?
Ohnesorg: Nein, das heißt ja nicht, dass man an der Toleranz Abstriche macht. Sondern das heißt einfach darum, dass man wieder unterscheiden lernt, was persönlich für einen richtig ist oder was als falsch eingestuft werden kann. Dieses anything goes, was so ein bisschen auch was mit Tony Blair zu tun hat, der nun nicht unmittelbar in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat, aber sicher für viele Parteistrategen etwas vorgelebt hat, nämlich dass man nur einfach das besetzen muss, parteipolitisch, was Erfolg bringt, was Mehrheiten bringt, das geht bis in die Inhalte der Bildung und in die Schulen hinein. Das sollte man, glaube ich, aufgeben.
Dafür steht ja auch die CDU, die Wertorientierung, die Jürgen Rüttgers immer stark hervorgehoben hat, ist da ein ganz zentrales Thema. Sich das auch zuzutrauen, zu sagen, was richtig oder falsch ist.
Heise: Sie haben an dem Programm der CDU ja auch mitgearbeitet. Ich lese da: "Wer bestreitet, dass zwischen Wahrem und Falschem, zwischen Gut und Böse, zwischen Bedeutendem und Belanglosem mit Argumenten unterschieden werden kann, der erklärt das Beliebige zur unvermeidbaren Normalität. Diese Einstellung findet ihren Ausdruck in der postmodernen Devise, 'erlaubt ist, was gefällt'." Soll denn bei der CDU jetzt nicht mehr argumentiert werden? Wer legt denn fest, was wahr und was falsch ist?
Ohnesorg: Nein, natürlich soll argumentiert werden, aber es kommt dann natürlich darauf an, sich wirklich an die Wertordnung, also an das, was eigentlich aller unserer Entscheidungen zugrunde liegt, dass man sich daran orientiert und weniger an taktischen Überlegungen. Das anything goes ist sicherlich keine vernünftige politische Maxime.
Heise: Bildung ist für Rüttgers ein Schwerpunkt, kulturelle Bildung steht für Sie im Vordergrund. Heißt das, Sie setzen vor allem bei den Schulen an?
Ohnesorg: Das ist natürlich der zentrale Punkt. Bei den Schulen geht es darum, dass man eben dieses Orientierungswissen wieder in den Lehrplan stärker einbindet, dass man auch bei der Lehrerausbildung darauf Rücksicht nimmt.
Heise: Wie wollen Sie das machen?
Ohnesorg: Indem man Lehrer nicht eben in Bürokratieaufgaben ertrinken lässt, sondern dass man sie freistellt für das, was sie am allerbesten können und weshalb sie ja diesen Beruf auch ergriffen haben, nämlich junge Menschen zu unterrichten und die Begeisterung zu wecken.
Heise: Gleichzeitig sagen Sie aber auch bei der Reform der Lehrerausbildung, dass das Niveau wissenschaftlicher Hochschulen behalten werden soll und nicht zugunsten der für erforderlich gehaltenen Didaktisierung nach unten nivelliert werden soll. Auf der anderen Seite wird doch immer beklagt, dass die Lehrer viel zu weit weg von der Praxis ausgebildet werden?
Ohnesorg: Na ja, das ist ja auch noch ein Unterschied, ob man der Didaktik an sich eine so hohe Priorität einrichtet oder ob man es eben wirklich versteht, durch die Einbindung von Fachleuten in den Unterricht die Kinder näher an den Gegenstand heranzuführen. Das betrifft zum einen natürlich Wissenschaft und Kunst, da gibt es wunderbare Beispiele, wo Wissenschaftler im Unterricht bei den Kindern enorm viel Begeisterung auslösen und damit auch lebenslanges Interesse generieren.
Erst recht gilt das auf dem ganzen Bereich der musischen Bildung, also der kulturellen Erziehung, der ästhetischen Bildung, welchen Begriff man jetzt auch immer dafür nimmt. Das bedeutet, dass man dafür sorgen sollte, dass Künstler an den Schulen, vor allen Dingen auch am Nachmittag, wenn Sie an die Ganztagsschule denken, an die Betreuung der Kinder, da eine verstärkt große Rolle spielen sollen. Das setzt natürlich voraus, dass die Lehrer dafür einen Nerv haben, dass sie dafür offen sind und dass man sie ermuntert.
Heise: Und das setzt natürlich auch voraus, wenn man kulturelle Bildung an den Schulen intensivieren will, dass man ein bisschen Geld in die Hand nimmt. Wie realistisch ist denn das unter einer Regierung Rüttgers?
Ohnesorg: Das ist, glaube ich, sehr realistisch. Rüttgers hat ganz klar und auch gegen den Rat vieler Finanzexperten gesagt, er will den Kulturhaushalt verdoppeln. Das ist immer noch relativ wenig, muss man der Gerechtigkeit halber sagen, aber er hat diese Priorität von Anfang an in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt und ich bin ganz sicher, dass es dazu auch kommen wird.
Heise: Was sagen Sie zum Stichwort, Chancengleichheit versus Eliteförderung?
Ohnesorg: Das bleibt gerade in einem Land wie Nordrhein-Westfalen natürlich ein elementares Anliegen, dass man Kindern aus allen möglichen sozialen Gruppierungen und auch von sehr unterschiedlichem ethnischen Hintergrund die Chance gibt, dass sie sich in diesem Land optimal entwickeln können und dass sie ihre Lebenschancen eben auch wirklich wahrnehmen können. Die Frage ist nur, wie man das jeweils macht.
Dass man darüber natürlich auch nicht diejenigen, die begabt sind oder vielleicht hochbegabt sind, vergisst oder allein lässt, denn es ist ja nichts schlimmer als die Deformation, die einen jungen Menschen ereilt, wenn er nicht genügend gefördert wird. Wenn man da in Bezug auf Selektion und in Bezug auf das Herausfinden dieser Begabungen nicht gezielt vorgeht, wäre das ganz, ganz schlimm.
Heise: Aber die Frage, wie die Chancengleichheit gewahrt wird, haben Sie jetzt doch noch nicht beantwortet.
Ohnesorg: Indem natürlich möglichst wenig Zugangshürden da sind und indem man bei der Gestaltung des Unterrichts und auch schon beim Zuschnitt der Klassen darauf achtet, dass Kinder da eben wirklich auch ihren jeweiligen Begabungen gemäß gefördert werden und da, wo eben Förderunterricht notwendig ist, er auch eben erteilt werden kann und dass eben nicht die Unterrichtsstunden ausfallen müssen.
Heise: Kommen wir jetzt noch mal von der Bildung ein bisschen weg zur Kultur. Kulturförderung darf nicht nach Kassenlage zur Disposition stehen, steht in Ihrem Papier. Wie wollen Sie die sichern? Ist da vor allem auch an neue Geldquellen wie bürgerschaftliches Engagement und Mäzenatentum gedacht?
Ohnesorg: Das gehört natürlich mit dazu. Um überhaupt dieses bürgerschaftliche Interesse auf die Dauer mobilisieren zu können, muss natürlich die staatliche Zuwendung verlässlich bleiben. Niemand, der privates Geld in die Hand nimmt, um Kultur zu fördern, will damit städtische, das ist ja hauptsächlich auch ein kommunales Thema, oder staatliche Gelder ersetzen, sondern er will sie ergänzen. Er will sicher dazu beitragen, dass diese Gelder noch effizienter werden, indem auch ihr Volumen einfach vergrößert wird.
Heise: Ich möchte jetzt noch einmal auf das Verhältnis von der CDU und Künstlern zu sprechen kommen. Wenn Künstler in größerer Zahl sich für eine Partei aussprechen, dann meist für die SPD. So war das auch in Nordrhein-Westfalen, es gab Wahlkampfaufrufe pro Steinbrück. Wie soll das Verhältnis zwischen Künstlern und CDU verbessert werden?
Ohnesorg: Indem man einfach vorurteilsfrei aufeinander zugeht und indem insbesondere auch viele Künstler entdecken werden, dass die CDU es mit der Förderung der Kultur ernst meint und damit auch mit der Förderung von Künstlern. Das gilt ja insbesondere auch für freie Künstler, die natürlich auch wiederum über die Schulen auch stärker herangezogen werden können. Das ist dann auch für viele Künstler dann natürlich auch eine Einkommensquelle.
Dass man da einfach vorurteilsfrei aufeinander zugeht und nicht glaubt, dass alles nur über eine so genannte Linkseinstellung geregelt werden kann, sondern dass es wirklich darum geht, die entsprechenden Prioritäten zu setzen und dass man da einfach auch glaubhaft sein muss. Da kann man Jürgen Rüttgers wirklich glauben.
Heise: Das frage ich gleich noch einmal nach. Bei der letzten Landtagswahl, die die CDU gewonnen hat, in Schleswig-Holstein, ist das Amt des Kulturministers, der -ministerin, ja quasi abgeschafft worden. Das steht also in Nordrhein-Westfalen Ihrer Meinung nach nicht an?
Ohnesorg: Das halte ich für undenkbar. Das bleibt auch für Schleswig-Holstein ein Fehler, das muss man sagen dürfen.
Heise: Ein Job für Sie?
Ohnesorg: Nein, ganz sicher nicht.
Heise: Franz Xaver Ohnesorg hat mitgearbeitet am Kulturprogramm der CDU in Nordrhein-Westfalen.
Ohnesorg: Guten Morgen, Frau Heise.
Heise: Haben Sie denn gestern mit einem so eindeutigen Ergebnis gerechnet?
Ohnesorg: Gehofft habe ich es schon, aber dass es so eindeutig ausfallen würde, fand ich eine spektakuläre Leistung und man kann allen nur gratulieren, die dazu beigetragen haben.
Heise: Der Kanzler lässt sich das Heft des Handels nun aber nicht aus der Hand nehmen, drängt auf Bundestagsneuwahlen in diesem Herbst. Hat Sie das wiederum überrascht?
Ohnesorg: Schauen Sie, alle die an politischer Leadership interessiert sein müssen, und genau das braucht Deutschland ja, unabhängig jetzt mal von einzelnen Parteifragen, alle die an solcher Leadership interessiert sind, müssen sich ja überlegen, wie sie ihre Volksparteien zusammenhalten können. In einer so kritischen Situation für die SPD ist das, glaube ich, eine kluge Überlegung, die eben vor allem natürlich auch das deutsche Interesse an sich im Blickfeld hat.
Insofern halte ich es für verantwortungsbewusst und auch für von der Sache her richtig, denn die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und insbesondere natürlich auch die weitere Führungsfrage innerhalb der SPD kann man nicht anderthalb Jahre lang hängen lassen.
Heise: Und er erwischt natürlich die Opposition in Berlin auf dem falschen Fuß?
Ohnesorg: Das würde ich so auch nicht sagen, denn natürlich gibt es Planspiele. Schauen Sie, das ist jetzt der Plan B, der da greift. Dieser hat ein anderes Timing und er wird sicherlich natürlich auch der Volkspartei CDU helfen, schnell und zügig ihr eigenes Profil herauszuarbeiten. Dieser Zeitdruck schadet gar nichts.
Heise: Der Zeitdruck schadet nicht. Jetzt gehen wir mal auf das, was gestern entschieden worden ist. "Vorfahrt für Arbeitsplätze", so hieß das entscheidende Thema, Kunst und Kultur hat eigentlich kaum eine Rolle gespielt, sicherlich auch bei der Wahlentscheidung nicht. Wie gehen Sie damit um als Mensch der Kultur?
Ohnesorg: Natürlich muss man die taktischen Überlegungen zum einen sehen, die zum Beispiel bei so einem Fernsehduell im Vordergrund stehen, und es hat sich ja wohl bewahrheitet, dass die Strategie richtig war, auf das Thema Arbeit, auf das Thema Wirtschaft, was ja nun so viele Menschen auch ganz elementar bewegt, zu konzentrieren, allein schon der Sendezeit wegen. Natürlich hätte ich es persönlich auch nicht so schlecht gefunden, wenn ein oder zwei Fragen auch zur kulturpolitischen Profilierung beigetragen hätten. Denn die CDU kann da ja einiges herzeigen, eines der ersten Papiere, die Jürgen Rüttgers hat erarbeiten lassen, betraf das Thema Kultur. Da haben wir eben gemeinsam mitgearbeitet.
Heise: Genau das holen wir also jetzt nach, was im Wahlkampf nicht geschehen ist. Kommen wir also zur Kultur in Nordrhein-Westfalen. Die CDU spricht von einer geistig-moralischen Wende nach 39 Jahren. Was hat denn die SPD kulturell versäumt in den letzten Jahrzehnten?
Ohnesorg: Naja, es gab sicher eine gewisse Beliebigkeit in der Frage, wie man Schulinhalte, also Lehrinhalte, ausrichten sollte. Da gab es ja auch innerhalb der SPD großen Streit und Austritte, beziehungsweise Abschiede aus dem Kabinett und so weiter. Das heißt, es gab verschiedene Richtungsfragen und die Wertorientierung ist darunter sicher ein bisschen zu kurz gekommen. Das muss man wieder neu ins Bewusstsein rücken, denn ich glaube, dass ein christliches Weltbild in unseren Schulen sicher ein ganz zentraler Punkt ist für die Heranbildung junger Menschen.
Heise: Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit einer sehr schwierigen Identität, mit einer multikulturellen Vergangenheit durchaus. Vielfalt, Sie nennen es jetzt wieder Beliebigkeit, war ein Weg, dieses Land zu befrieden. Ist die CDU auf dem Weg, da etwas aufzugeben?
Ohnesorg: Nein, das heißt ja nicht, dass man an der Toleranz Abstriche macht. Sondern das heißt einfach darum, dass man wieder unterscheiden lernt, was persönlich für einen richtig ist oder was als falsch eingestuft werden kann. Dieses anything goes, was so ein bisschen auch was mit Tony Blair zu tun hat, der nun nicht unmittelbar in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hat, aber sicher für viele Parteistrategen etwas vorgelebt hat, nämlich dass man nur einfach das besetzen muss, parteipolitisch, was Erfolg bringt, was Mehrheiten bringt, das geht bis in die Inhalte der Bildung und in die Schulen hinein. Das sollte man, glaube ich, aufgeben.
Dafür steht ja auch die CDU, die Wertorientierung, die Jürgen Rüttgers immer stark hervorgehoben hat, ist da ein ganz zentrales Thema. Sich das auch zuzutrauen, zu sagen, was richtig oder falsch ist.
Heise: Sie haben an dem Programm der CDU ja auch mitgearbeitet. Ich lese da: "Wer bestreitet, dass zwischen Wahrem und Falschem, zwischen Gut und Böse, zwischen Bedeutendem und Belanglosem mit Argumenten unterschieden werden kann, der erklärt das Beliebige zur unvermeidbaren Normalität. Diese Einstellung findet ihren Ausdruck in der postmodernen Devise, 'erlaubt ist, was gefällt'." Soll denn bei der CDU jetzt nicht mehr argumentiert werden? Wer legt denn fest, was wahr und was falsch ist?
Ohnesorg: Nein, natürlich soll argumentiert werden, aber es kommt dann natürlich darauf an, sich wirklich an die Wertordnung, also an das, was eigentlich aller unserer Entscheidungen zugrunde liegt, dass man sich daran orientiert und weniger an taktischen Überlegungen. Das anything goes ist sicherlich keine vernünftige politische Maxime.
Heise: Bildung ist für Rüttgers ein Schwerpunkt, kulturelle Bildung steht für Sie im Vordergrund. Heißt das, Sie setzen vor allem bei den Schulen an?
Ohnesorg: Das ist natürlich der zentrale Punkt. Bei den Schulen geht es darum, dass man eben dieses Orientierungswissen wieder in den Lehrplan stärker einbindet, dass man auch bei der Lehrerausbildung darauf Rücksicht nimmt.
Heise: Wie wollen Sie das machen?
Ohnesorg: Indem man Lehrer nicht eben in Bürokratieaufgaben ertrinken lässt, sondern dass man sie freistellt für das, was sie am allerbesten können und weshalb sie ja diesen Beruf auch ergriffen haben, nämlich junge Menschen zu unterrichten und die Begeisterung zu wecken.
Heise: Gleichzeitig sagen Sie aber auch bei der Reform der Lehrerausbildung, dass das Niveau wissenschaftlicher Hochschulen behalten werden soll und nicht zugunsten der für erforderlich gehaltenen Didaktisierung nach unten nivelliert werden soll. Auf der anderen Seite wird doch immer beklagt, dass die Lehrer viel zu weit weg von der Praxis ausgebildet werden?
Ohnesorg: Na ja, das ist ja auch noch ein Unterschied, ob man der Didaktik an sich eine so hohe Priorität einrichtet oder ob man es eben wirklich versteht, durch die Einbindung von Fachleuten in den Unterricht die Kinder näher an den Gegenstand heranzuführen. Das betrifft zum einen natürlich Wissenschaft und Kunst, da gibt es wunderbare Beispiele, wo Wissenschaftler im Unterricht bei den Kindern enorm viel Begeisterung auslösen und damit auch lebenslanges Interesse generieren.
Erst recht gilt das auf dem ganzen Bereich der musischen Bildung, also der kulturellen Erziehung, der ästhetischen Bildung, welchen Begriff man jetzt auch immer dafür nimmt. Das bedeutet, dass man dafür sorgen sollte, dass Künstler an den Schulen, vor allen Dingen auch am Nachmittag, wenn Sie an die Ganztagsschule denken, an die Betreuung der Kinder, da eine verstärkt große Rolle spielen sollen. Das setzt natürlich voraus, dass die Lehrer dafür einen Nerv haben, dass sie dafür offen sind und dass man sie ermuntert.
Heise: Und das setzt natürlich auch voraus, wenn man kulturelle Bildung an den Schulen intensivieren will, dass man ein bisschen Geld in die Hand nimmt. Wie realistisch ist denn das unter einer Regierung Rüttgers?
Ohnesorg: Das ist, glaube ich, sehr realistisch. Rüttgers hat ganz klar und auch gegen den Rat vieler Finanzexperten gesagt, er will den Kulturhaushalt verdoppeln. Das ist immer noch relativ wenig, muss man der Gerechtigkeit halber sagen, aber er hat diese Priorität von Anfang an in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt und ich bin ganz sicher, dass es dazu auch kommen wird.
Heise: Was sagen Sie zum Stichwort, Chancengleichheit versus Eliteförderung?
Ohnesorg: Das bleibt gerade in einem Land wie Nordrhein-Westfalen natürlich ein elementares Anliegen, dass man Kindern aus allen möglichen sozialen Gruppierungen und auch von sehr unterschiedlichem ethnischen Hintergrund die Chance gibt, dass sie sich in diesem Land optimal entwickeln können und dass sie ihre Lebenschancen eben auch wirklich wahrnehmen können. Die Frage ist nur, wie man das jeweils macht.
Dass man darüber natürlich auch nicht diejenigen, die begabt sind oder vielleicht hochbegabt sind, vergisst oder allein lässt, denn es ist ja nichts schlimmer als die Deformation, die einen jungen Menschen ereilt, wenn er nicht genügend gefördert wird. Wenn man da in Bezug auf Selektion und in Bezug auf das Herausfinden dieser Begabungen nicht gezielt vorgeht, wäre das ganz, ganz schlimm.
Heise: Aber die Frage, wie die Chancengleichheit gewahrt wird, haben Sie jetzt doch noch nicht beantwortet.
Ohnesorg: Indem natürlich möglichst wenig Zugangshürden da sind und indem man bei der Gestaltung des Unterrichts und auch schon beim Zuschnitt der Klassen darauf achtet, dass Kinder da eben wirklich auch ihren jeweiligen Begabungen gemäß gefördert werden und da, wo eben Förderunterricht notwendig ist, er auch eben erteilt werden kann und dass eben nicht die Unterrichtsstunden ausfallen müssen.
Heise: Kommen wir jetzt noch mal von der Bildung ein bisschen weg zur Kultur. Kulturförderung darf nicht nach Kassenlage zur Disposition stehen, steht in Ihrem Papier. Wie wollen Sie die sichern? Ist da vor allem auch an neue Geldquellen wie bürgerschaftliches Engagement und Mäzenatentum gedacht?
Ohnesorg: Das gehört natürlich mit dazu. Um überhaupt dieses bürgerschaftliche Interesse auf die Dauer mobilisieren zu können, muss natürlich die staatliche Zuwendung verlässlich bleiben. Niemand, der privates Geld in die Hand nimmt, um Kultur zu fördern, will damit städtische, das ist ja hauptsächlich auch ein kommunales Thema, oder staatliche Gelder ersetzen, sondern er will sie ergänzen. Er will sicher dazu beitragen, dass diese Gelder noch effizienter werden, indem auch ihr Volumen einfach vergrößert wird.
Heise: Ich möchte jetzt noch einmal auf das Verhältnis von der CDU und Künstlern zu sprechen kommen. Wenn Künstler in größerer Zahl sich für eine Partei aussprechen, dann meist für die SPD. So war das auch in Nordrhein-Westfalen, es gab Wahlkampfaufrufe pro Steinbrück. Wie soll das Verhältnis zwischen Künstlern und CDU verbessert werden?
Ohnesorg: Indem man einfach vorurteilsfrei aufeinander zugeht und indem insbesondere auch viele Künstler entdecken werden, dass die CDU es mit der Förderung der Kultur ernst meint und damit auch mit der Förderung von Künstlern. Das gilt ja insbesondere auch für freie Künstler, die natürlich auch wiederum über die Schulen auch stärker herangezogen werden können. Das ist dann auch für viele Künstler dann natürlich auch eine Einkommensquelle.
Dass man da einfach vorurteilsfrei aufeinander zugeht und nicht glaubt, dass alles nur über eine so genannte Linkseinstellung geregelt werden kann, sondern dass es wirklich darum geht, die entsprechenden Prioritäten zu setzen und dass man da einfach auch glaubhaft sein muss. Da kann man Jürgen Rüttgers wirklich glauben.
Heise: Das frage ich gleich noch einmal nach. Bei der letzten Landtagswahl, die die CDU gewonnen hat, in Schleswig-Holstein, ist das Amt des Kulturministers, der -ministerin, ja quasi abgeschafft worden. Das steht also in Nordrhein-Westfalen Ihrer Meinung nach nicht an?
Ohnesorg: Das halte ich für undenkbar. Das bleibt auch für Schleswig-Holstein ein Fehler, das muss man sagen dürfen.
Heise: Ein Job für Sie?
Ohnesorg: Nein, ganz sicher nicht.
Heise: Franz Xaver Ohnesorg hat mitgearbeitet am Kulturprogramm der CDU in Nordrhein-Westfalen.