NRW-Arbeitsminister kritisiert erneut Scheitern der Jobcenter-Reform

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat seine Kritik am Nein der Unions-Bundestagsfraktion zur Reform der Jobcenter bekräftigt. Die Entscheidung der Fraktion sei angesichts drohender negativer Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Wirtschaftskrise "nicht richtig", so Laumann.
Gabi Wuttke: Eine ordentliche Trennung zwischen der Arbeit der Kommunen und der Arbeit des Bundes in den Jobcentern. Das bis Ende 2010 zu tun, hat das Bundesverfassungsgericht der Regierung aufgebrummt. Und nach langwierigen Vorarbeiten meldete Bundesarbeitsminister Scholz von der SPD Vollzug, eine Einigung mit den Ländern. Aber die Bundestagsfraktion der Union kippte das Unternehmen. Deshalb schäumt es auch in den Ländern, die von Christdemokraten regiert werden. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, in dem Karl-Josef Laumann Arbeitsminister ist. Guten Morgen, Herr Laumann.

Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen.

Wuttke: Die Arbeit in den Jobcentern soll jetzt bis Ende 2010 vertraglich abgesichert werden. Beruhigt Sie diese Nachricht?

Laumann: Ja, gut, das heißt einmal, dass wir bis 2010 in diesem System bleiben können. Nur wenn Sie ein solches gewaltiges System umbauen müssen - in den Jobcentern in Deutschland arbeiten im Ganzen fast 50.000 Menschen, wir betreuen dort zurzeit sechs Millionen Langzeitarbeitslose. Wir sind in einer Zeit, wo ja durch die Wirtschaftskrise eher damit zu rechnen ist, dass wir eine funktionierende Verwaltung in diesem Bereich jetzt ganz sicherlich gebrauchen, ist natürlich so eine Frage, wo jeder weiß, ab 1.1.2011 geht es auf jeden Fall so nicht weiter, eine schwierige Situation. Uns hauen auch einfach schlicht und ergreifend die guten Leute ab. Die sagen, das mach ich nicht mehr mit, ich weiß ja gar nicht, wie es in diesem Bereich weitergeht.

Wuttke: Versuchen wir jetzt doch mal der Wut besonders in christdemokratisch regierten oder mitregierten Ländern auf den Grund zu gehen. NRW, Sachsen-Anhalt, Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland waren über das Veto der Unionsfraktion sehr laut, sehr sauer, aber alle anderen Ländern, in denen die CDU in der Regierung sitzt - von der CSU mal gar nicht zu reden -, die schweigen. Das klingt irgendwie nicht nach "alle für einen, einer für alle".

Laumann: Also erstmal ist es so, dass natürlich die süddeutschen Bundesländer mit einer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit auch bei Weitem in diesem Bereich nicht den Druck haben wie wir zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen im Ruhrgebiet haben, wo wir leider immer noch eine Sockelarbeitslosigkeit auch im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit von knapp zehn Prozent haben. Das ist der erste Punkt des Unterschiedes, der zweite ist natürlich, dass man über diese Frage auch unterschiedlich denken kann.

Ich glaube, dass die Entscheidung der Bundestagsfraktion, die darauf hinausläuft, dass man den ganzen Bereich Hartz IV wieder trennen muss, dass es einen klaren Strang gibt, den die Kommune macht, das heißt, die Kommune sorgt zum Beispiel für die Wohnung, sie sorgt für den Kindergartenplatz. Und dann gibt es auf der anderen Seite eine andere Behörde, die macht dann den Bereich der Arbeitsmarktpolitik und des Unterhaltsgeldes.

Dass das für die Menschen insofern schlecht ist, weil die ganze Philosophie für das SGB II war ja, die machen schwere Veränderungen, aber die Leute haben einen Ansprechpartner, es gibt eine Hilfe aus einer Hand. Und hier wird das, was der Bund in diesen Fragen zu tun hat, und das, was die Kommune in diesen Fragen zu tun hat, in einer Behörde gebündelt. Und das ist ohne eine Verfassungsänderung nicht möglich.

Wuttke: Aber noch mal nachgefragt, was die Wut über die Unionsbundestagsfraktion angeht: Es heißt, alle Bundesländer sind mit im Boot, oder gab es doch viele Vorbehalte auch aus Ihrer Partei gegen die von Olaf Scholz und maßgeblich Jürgen Rüttgers ausgehandelte Einigung?

Laumann: Nein, wir hatten keine Vorbehalte. Es hat eine Konferenz gegeben der 16 Arbeitsminister, also der unionsgeführten Arbeitsminister. Ich habe die eingeladen auf der Unionsseite, die Frau Dreyer hat die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Seite eingeladen. Und es gab unter den Fachministern ein klares Einvernehmen, dass dies eine vernünftige Lösung ist.

Wuttke: Also hat die Unionsfraktion die …

Laumann: Wir haben einen zweiten Punkt - Sie sehen das ja auch in der Bundestagsfraktion -, die Fachpolitiker in der Bundestagsfraktion, also die zuständige Arbeitsgruppe für Arbeit und Soziales, hat ja am gleichen Tag mit einer Riesenmehrheit gesagt, fachlich ist das völlig in Ordnung, was da vorgeschlagen worden ist, und man solle es zustimmen.

Der Prozess in der Bundestagsfraktion war ganz einfach so: Es kann doch nicht sein, dass wir die Verfassung ändern, nicht die Behörde ändern, sondern die Verfassung ändern. Wenn man bei diesem Standpunkt bleibt, heißt das doch ganz eindeutig, wir wollen Hartz IV wieder auseinandernehmen. Das kann man ja vertreten. Ich halte es nur arbeitsmarktpolitisch für falsch.

Wuttke: Also, ich komme jetzt trotzdem noch mal auf meine Frage zurück: Hat die Unionsfraktion ihre eigenen Länder über die Klinge springen lassen oder hat Angela Merkel die Truppe in Berlin nicht im Griff?

Laumann: Da müssen Sie Herrn Kauder fragen, der repräsentiert die Bundestagsfraktion.

Wuttke: Sie können aber gut mit Herrn Kauder. Es soll ja am Montag ziemlich viel Ärger gegeben haben.

Laumann: Ja, was heißt Ärger? Wir Politiker können schon damit umgehen, wenn es in einer Sachfrage unterschiedliche Meinungen gibt. Und das geht ja nicht dann sofort in die Frage des Persönlichen. Ich sage ganz klar, dass diese Entscheidung der Bundestagsfraktion fachpolitisch nicht nachvollziehbar ist.

Wuttke: Herr Laumann, reicht es Ihnen, wenn Angela Merkel nur in Person des Regierungssprechers reagiert und auf eine Beilegung des Streits bis zum Beginn der nächsten Legislaturperiode hofft?

Laumann: Ja gut, es ist jetzt ja so: Wie laufen Abläufe? Wir werden natürlich in den Ländern prüfen, wie wir mit dieser Situation umgehen. Es gibt ja auch noch Möglichkeiten unter Umständen, über den Bundesrat hier einen Vorstoß zu machen. Ansonsten ist es so, dass man die Frage ganz einfach so beantworten muss.

Es gibt eine Bundestagswahl, und dann muss man schauen, wie bei Koalitionsverhandlungen, die dann zusammen die Regierung bilden - und da wird ja die Union, so denke ich, Gott sei Dank auf jeden Fall drin sein - wird man dann überlegen müssen in einer Koalitionsvereinbarung, wie geht man mit diesem Problem um.

Wuttke: Herr Laumann, Sie wissen genau, was die Öffentlichkeit in diesen Tagen umtreibt. Es ist die Frage, wie steht's um die Bundeskanzlerin, wie steht's um die CDU-Chefin? Sie waren am Dienstag noch ziemlich sauer, jetzt klingen Sie sehr moderat, sowohl was Ihre Haltung zur Unionsfraktion als auch zu Angela Merkel angeht?

Laumann: Nein, da hat sich überhaupt nichts verändert. Ich bleibe in der Sache ganz klar, dass es fachpolitisch falsch ist, was da gesagt wird. Nur ich weiß nicht, ob man in einer fachpolitischen Debatte jetzt sofort die Kanzlerfrage stellen muss. Ich denke, dass eine Bundestagsfraktion in Fragen der Verfassungsänderung ihre Entscheidungen treffen kann, und man muss nicht sofort das dann zu einer großen Parteikrise ausrufen.

Das Problem, was wir haben, ist - da bleibe ich bei -, die Entscheidung der Bundestagsfraktion im Heranziehen einer großen Krise, einer sicherlich auch schweren, leider negativen Veränderung auf den Arbeitsmarkt ist aus meiner Sicht und aus Sicht der Länder und der Fachminister in den Ländern nicht richtig und politisch nicht nachvollziehbar.

Wuttke: Zum Streit über die Jobcenter: der Christdemokrat Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen. Herr Laumann, ich danke für dieses Gespräch und wünsche einen schönen Tag.

Laumann: Ja, danke schön, Wiederhören, tschüss.