Nouripour kritisiert Rechtfertigung von Ex-Verteidigungsminister Jung
Die Kritik an der Stellungnahme von Ex-Verteidigungsminister Jung im Bundestag reißt nicht ab. Der sicherheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Omid Nouripour, verlangte weitere Aufklärung.
Hanns Ostermann: Die Vorwürfe müssen vollständig aufgeklärt werden, sagt die Kanzlerin, sagt Angela Merkel. Und der Außenminister Guido Westerwelle fordert: Wir brauchen Transparenz im Umgang mit dem Afghanistan-Einsatz. Ehrlichkeit schaffe die Grundlage für Vertrauen. Nur: Wer ist nicht ehrlich, wer hat wichtige Informationen nach dem umstrittenen Luftangriff auf zwei Tanklastzüge, bei dem auch zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen sind, nicht weitergegeben? Die Ereignisse vom 4. September haben gestern zu personellen Konsequenzen geführt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, übernahm die Verantwortung für Fehler, sein Amt verliert auch Staatssekretär Peter Wichert. Aber sind die beiden wirklich die Schuldigen oder nur die Bauernopfer? Fragen über Fragen also. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur der sicherheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Omid Nouripour. Guten Morgen, Herr Nouripour!
Omid Nouripour: Schönen guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Sie sitzen ja auch im Verteidigungsausschuss des Bundestages, er kommt heute zu einer Sondersitzung zusammen. Welches ist für Sie die alles entscheidende Frage, die jetzt beantwortet werden muss?
Nouripour: Wir haben diese Sondersitzung beantragt, weil wir wissen müssen, wer wann was gewusst hat, und zwar nicht der Generalinspekteur und auch nicht irgendwelche Staatssekretäre, sondern da geht es um die Frage der beiden Minister.
Ostermann: Der beiden Minister und dabei vor allem um Franz Josef Jung, dem Sie – dem ehemaligen Verteidigungsminister – dem Sie allgemein schon in der Vergangenheit eine Art Salamitaktik über Ereignisse und Erkenntnisse vorgeworfen haben. Jürgen Trittin bezeichnete ihn gestern sogar als Lügner. Ist das nicht eine Art Vorverurteilung?
Nouripour: Jürgen Trittin sagte, er habe die Unwahrheit gesagt, wissentlich oder unwissentlich, also das ist keine Vorverurteilung. Der Punkt ist aber, man muss sich einfach anschauen, was Franz Josef Jung gestern selber im Plenum des Deutschen Bundestages erklärt hat. Er hat erklärt, er habe den Bericht gehabt, aber nicht reingeguckt, und deshalb habe er nicht gewusst, was drin steht. Die Frage ist, stimmt das? Es ist wirklich möglich, dass ein Minister bei einem so sensiblen Thema so fahrlässig handelt oder hat er wirklich so sein Amt geführt oder hat er ganz bewusst versucht, bestimmte Dinge nicht zu wissen. Das sind drei Varianten, bei denen er nun wirklich nicht gut aussehen kann. Die Frage ist, ob es noch eine vierte Variante gibt, die meiner Fantasie sozusagen jetzt gerade fehlt, aber das müssen wir beantwortet bekommen.
Ostermann: Was wäre die vierte Variante?
Nouripour: Das weiß ich nicht, mir fällt keine ein, die möglich wäre, aber vielleicht gibt es eine und er erklärt sie uns oder er lässt sie uns heute erklären durch Verteidigungsminister Guttenberg oder jemand anderen aus dem Verteidigungsministerium.
Ostermann: Ich nenne eine vierte Variante: Es wäre doch möglich, dass sozusagen die Kommunikationsstrukturen auch bei der Bundeswehr schlichtweg von unten nach oben nicht funktionieren und der Minister bei einem möglichen Streit zwischen Herrn Schneiderhan und Herrn Wichert, die sich ja beide nicht grün waren, dass er das Opfer war.
Nouripour: Das ist natürlich möglich, aber da stellt sich immer noch diese ganz technische Frage, warum bei einem Vorfall, über den die ganze Republik diskutiert hat, ein Bericht der Minister auf dem Tisch liegt und er dann sagt, na ja, ich guck da nicht rein. Das ist keine Frage, die weder Herr Wichert noch Herr Schneiderhan zu verantworten haben, sondern der Minister selber.
Ostermann: Offen gestanden verstehe ich das auch nicht, aber …
Nouripour: Aber um Ihre Frage auch noch mal zu beantworten: Auch wenn es so wäre und man uns das plausibel erklären könnte, müssten wir natürlich dann die vielen, vielen anderen Abläufe im Haus selber kennenlernen und denen auf den Grund gehen, damit solche Fehler abgestellt werden können. Auch deswegen bräuchten wir klare Aufklärung.
Ostermann: Der jetzige Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg wollte sich gestern im ZDF nicht festlegen, ob der Luftangriff angemessen war. Da sollen immerhin fünfmal die Piloten nachgefragt haben: Sollen wir jetzt wirklich abwerfen? Gehören auch diese und ähnliche Fragen in den Untersuchungsausschuss?
Nouripour: Auch solche Fragen gehören selbstverständlich darein. Es geht vom Ergebnis her darum, dass wir Fehler abstellen, nicht nur im Verteidigungsministerium, sondern vor allem natürlich auch am Einsatzort. Es geht darum, dass dort diese doch frappanten Verletzungen der Regeln sich nicht wiederholen dürfen, aber dafür braucht man Mechanismen, darüber müssen wir diskutieren dürfen. Allerdings wundert mich das schon, was der Minister gestern Abend gesagt hat, denn wir wissen, was alles schiefgegangen ist, und wir müssen einfach feststellen, gestern ist der oberste Soldat der Republik entlassen worden. Das ist eine immense Zäsur. Wenn es sozusagen vom Ergebnis her keinen Unterschied gemacht hätte, was den Vorfall selber betrifft, dann hätte man das nicht machen müssen.
Ostermann: Aber weshalb wundern Sie sich über Herrn zu Guttenberg, denn in der Tat muss man doch sagen, bestimmte Dinge sind unheimlich schwer auszuwerten – etwa die Luftaufnahmen von oben, das ist doch ein objektives Problem, da schlichtweg die Wahrheit herauszufinden.
Nouripour: Das ist richtig, und ich habe ja mittlerweile auch über die Medien dieses Video sehen dürfen. Was man ja an diesem Video erkennt, ist in erster Linie, dass man nicht so viel erkennt.
Ostermann: Richtig.
Nouripour: Das Problem aber ist, dass in der Begründung in der Vergangenheit dieses Video herangezogen wurde, um uns darzustellen, das ist eine der beiden sicheren Quellen, warum man gewusst haben soll, dass es keine Zivilisten vor Ort gegeben hat. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, ich habe Pünktchen gesehen und keine Zivilisten oder Kombattanten.
Ostermann: Ich hatte bereits Probleme, diese schwarze Pünktchen als Menschen zu identifizieren.
Nouripour: Vor allem die zweite Quelle, die ja herangezogen wurde – er war ja gar nicht vor Ort –, also da gab es wirklich heftige Fehler, die gemacht worden sind.
Ostermann: Herr Nouripour, mittlerweile stimmt ja wohl auch die Union dem Untersuchungsausschuss zu, so jedenfalls der Fraktionsvize. Besteht, wenn es denn zum Untersuchungsausschuss kommt, nicht wie immer bei derartigen Gelegenheiten die Gefahr, dass gegenseitig abgerechnet wird und die Parteien sich eigentlich immer wieder die Schuld gegenseitig vorwerfen?
Nouripour: Natürlich ist ein Untersuchungsausschuss immer wieder in Gefahr, ein reines Kampfinstrument zu werden und nicht ein Aufklärungsinstrument. Wir haben aber einen Minister, der sich ganz dick auf die Fahne hat schreiben lassen, dass er Mister Klartext ist, und wir haben zumindest in seiner Rhetorik einige erfrischende Dinge erlebt in der Vergangenheit, wenn es ums Zugeben von Fehlern ging beispielsweise. Also dass er sagt, dass er bereit ist, eine Neubewertung des Einsatzes vorzunehmen, ist ja an sich schon mal sehr gut. Das hätte der Vorgänger niemals gemacht, der Franz Josef Jung. Das gibt eine gute Chance und nimmt ihn natürlich auch in die Verpflichtung, dass wir aus diesem Untersuchungsausschuss wirklich ein Aufklärungsinstrument machen und wirklich die Fehler aufdecken, damit es wirklich danach Empfehlungen gibt für alle Seiten, damit alles besser wird.
Ostermann: Der sicherheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag, Omid Nouripour. Herr Nouripour, danke Ihnen für das Gespräch!
Nouripour: Danke Ihnen!
Omid Nouripour: Schönen guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Sie sitzen ja auch im Verteidigungsausschuss des Bundestages, er kommt heute zu einer Sondersitzung zusammen. Welches ist für Sie die alles entscheidende Frage, die jetzt beantwortet werden muss?
Nouripour: Wir haben diese Sondersitzung beantragt, weil wir wissen müssen, wer wann was gewusst hat, und zwar nicht der Generalinspekteur und auch nicht irgendwelche Staatssekretäre, sondern da geht es um die Frage der beiden Minister.
Ostermann: Der beiden Minister und dabei vor allem um Franz Josef Jung, dem Sie – dem ehemaligen Verteidigungsminister – dem Sie allgemein schon in der Vergangenheit eine Art Salamitaktik über Ereignisse und Erkenntnisse vorgeworfen haben. Jürgen Trittin bezeichnete ihn gestern sogar als Lügner. Ist das nicht eine Art Vorverurteilung?
Nouripour: Jürgen Trittin sagte, er habe die Unwahrheit gesagt, wissentlich oder unwissentlich, also das ist keine Vorverurteilung. Der Punkt ist aber, man muss sich einfach anschauen, was Franz Josef Jung gestern selber im Plenum des Deutschen Bundestages erklärt hat. Er hat erklärt, er habe den Bericht gehabt, aber nicht reingeguckt, und deshalb habe er nicht gewusst, was drin steht. Die Frage ist, stimmt das? Es ist wirklich möglich, dass ein Minister bei einem so sensiblen Thema so fahrlässig handelt oder hat er wirklich so sein Amt geführt oder hat er ganz bewusst versucht, bestimmte Dinge nicht zu wissen. Das sind drei Varianten, bei denen er nun wirklich nicht gut aussehen kann. Die Frage ist, ob es noch eine vierte Variante gibt, die meiner Fantasie sozusagen jetzt gerade fehlt, aber das müssen wir beantwortet bekommen.
Ostermann: Was wäre die vierte Variante?
Nouripour: Das weiß ich nicht, mir fällt keine ein, die möglich wäre, aber vielleicht gibt es eine und er erklärt sie uns oder er lässt sie uns heute erklären durch Verteidigungsminister Guttenberg oder jemand anderen aus dem Verteidigungsministerium.
Ostermann: Ich nenne eine vierte Variante: Es wäre doch möglich, dass sozusagen die Kommunikationsstrukturen auch bei der Bundeswehr schlichtweg von unten nach oben nicht funktionieren und der Minister bei einem möglichen Streit zwischen Herrn Schneiderhan und Herrn Wichert, die sich ja beide nicht grün waren, dass er das Opfer war.
Nouripour: Das ist natürlich möglich, aber da stellt sich immer noch diese ganz technische Frage, warum bei einem Vorfall, über den die ganze Republik diskutiert hat, ein Bericht der Minister auf dem Tisch liegt und er dann sagt, na ja, ich guck da nicht rein. Das ist keine Frage, die weder Herr Wichert noch Herr Schneiderhan zu verantworten haben, sondern der Minister selber.
Ostermann: Offen gestanden verstehe ich das auch nicht, aber …
Nouripour: Aber um Ihre Frage auch noch mal zu beantworten: Auch wenn es so wäre und man uns das plausibel erklären könnte, müssten wir natürlich dann die vielen, vielen anderen Abläufe im Haus selber kennenlernen und denen auf den Grund gehen, damit solche Fehler abgestellt werden können. Auch deswegen bräuchten wir klare Aufklärung.
Ostermann: Der jetzige Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg wollte sich gestern im ZDF nicht festlegen, ob der Luftangriff angemessen war. Da sollen immerhin fünfmal die Piloten nachgefragt haben: Sollen wir jetzt wirklich abwerfen? Gehören auch diese und ähnliche Fragen in den Untersuchungsausschuss?
Nouripour: Auch solche Fragen gehören selbstverständlich darein. Es geht vom Ergebnis her darum, dass wir Fehler abstellen, nicht nur im Verteidigungsministerium, sondern vor allem natürlich auch am Einsatzort. Es geht darum, dass dort diese doch frappanten Verletzungen der Regeln sich nicht wiederholen dürfen, aber dafür braucht man Mechanismen, darüber müssen wir diskutieren dürfen. Allerdings wundert mich das schon, was der Minister gestern Abend gesagt hat, denn wir wissen, was alles schiefgegangen ist, und wir müssen einfach feststellen, gestern ist der oberste Soldat der Republik entlassen worden. Das ist eine immense Zäsur. Wenn es sozusagen vom Ergebnis her keinen Unterschied gemacht hätte, was den Vorfall selber betrifft, dann hätte man das nicht machen müssen.
Ostermann: Aber weshalb wundern Sie sich über Herrn zu Guttenberg, denn in der Tat muss man doch sagen, bestimmte Dinge sind unheimlich schwer auszuwerten – etwa die Luftaufnahmen von oben, das ist doch ein objektives Problem, da schlichtweg die Wahrheit herauszufinden.
Nouripour: Das ist richtig, und ich habe ja mittlerweile auch über die Medien dieses Video sehen dürfen. Was man ja an diesem Video erkennt, ist in erster Linie, dass man nicht so viel erkennt.
Ostermann: Richtig.
Nouripour: Das Problem aber ist, dass in der Begründung in der Vergangenheit dieses Video herangezogen wurde, um uns darzustellen, das ist eine der beiden sicheren Quellen, warum man gewusst haben soll, dass es keine Zivilisten vor Ort gegeben hat. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, ich habe Pünktchen gesehen und keine Zivilisten oder Kombattanten.
Ostermann: Ich hatte bereits Probleme, diese schwarze Pünktchen als Menschen zu identifizieren.
Nouripour: Vor allem die zweite Quelle, die ja herangezogen wurde – er war ja gar nicht vor Ort –, also da gab es wirklich heftige Fehler, die gemacht worden sind.
Ostermann: Herr Nouripour, mittlerweile stimmt ja wohl auch die Union dem Untersuchungsausschuss zu, so jedenfalls der Fraktionsvize. Besteht, wenn es denn zum Untersuchungsausschuss kommt, nicht wie immer bei derartigen Gelegenheiten die Gefahr, dass gegenseitig abgerechnet wird und die Parteien sich eigentlich immer wieder die Schuld gegenseitig vorwerfen?
Nouripour: Natürlich ist ein Untersuchungsausschuss immer wieder in Gefahr, ein reines Kampfinstrument zu werden und nicht ein Aufklärungsinstrument. Wir haben aber einen Minister, der sich ganz dick auf die Fahne hat schreiben lassen, dass er Mister Klartext ist, und wir haben zumindest in seiner Rhetorik einige erfrischende Dinge erlebt in der Vergangenheit, wenn es ums Zugeben von Fehlern ging beispielsweise. Also dass er sagt, dass er bereit ist, eine Neubewertung des Einsatzes vorzunehmen, ist ja an sich schon mal sehr gut. Das hätte der Vorgänger niemals gemacht, der Franz Josef Jung. Das gibt eine gute Chance und nimmt ihn natürlich auch in die Verpflichtung, dass wir aus diesem Untersuchungsausschuss wirklich ein Aufklärungsinstrument machen und wirklich die Fehler aufdecken, damit es wirklich danach Empfehlungen gibt für alle Seiten, damit alles besser wird.
Ostermann: Der sicherheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag, Omid Nouripour. Herr Nouripour, danke Ihnen für das Gespräch!
Nouripour: Danke Ihnen!