Katastrophenschutz

Auf Notfälle vorbereitet sein

06:37 Minuten
Blick von einem Balkon aus auf den Berliner Kaiserdamm mit komplett dunklen Fenstern in der Nacht.
Durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine sind viele Menschen verunsichert. Kurse bereiten auf den Umgang mit bestimmten Katastrophenszenarien vor, beispielsweise Stromausfällen. © imago images / Brigani-Art
Von Sibylle Kölmel · 11.07.2022
Audio herunterladen
Stromausfall, Hochwasser, medizinische Notfallversorgung – oft sind Menschen in solchen Situationen überfordert und wissen nicht, was sie am besten tun sollen. Um auf solche Krisenmomente gut vorbereitet zu sein, gibt es Beratungsangebote für Klein und Groß.
Ein Vormittag in einer 4. Klasse der Albert-Schweitzer-Grundschule in Goltern, eine halbe Stunde von Hannover entfernt. Die Fenster sind weit geöffnet, draußen ist Sommer – und hier drinnen wird anhand konkreter Situationen gezeigt und gemeinsam überlegt und geübt, was bei Bränden, bei Unfällen, bei Hochwasser, also in gefährlichen Situationen und Notlagen zu tun ist. Sehr laut schreien zum Beispiel. Oder: Den Notruf wählen.
„Wenn man so ganz, ganz nervös ist, wer kennt das von Euch, wenn man so ganz nervös ist, vergisst man ja so manche Sachen, ne? Und jetzt gibt es eine Hilfestellung: Wie viele Münder haben wir? Einen. Wie viele Nasen? Eine. Wie viele Augen haben wir? Zwei. Macht die Notrufnummer eins – eins – zwei.
Und das ist eure Aufgabe, diese Eselsbrücke euren Freunden, Bekannten oder, Cousinen und Cousins mal weiterzugeben.“

Lernen für den Realfall

Nadine Brockhoff und ihre Kollegin Hildegard von Thadden, beide von der Arbeiter-Samariter-Jugend Hannover-Land, leiten seit Ende 2020 vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geförderte und daher kostenlose, sogenannte Kurse mit Selbstschutzinhalten. Und das auch schon für die Kleinsten. Dauer: je anderthalb Stunden. Die Dozentinnen haben zunächst Fotokarten verteilt. Die Schüler und Schülerinnen sollen jeweils zu zweit erklären, was sie sehen – und was sie im Realfall machen, wie sie helfen können:
„Wir haben hier ein Mädchen mit einer Frau, da bräuchte man dann nicht noch mal Hilfe rufen, weil da ist ja schon eine erwachsene Person. Wir wissen nicht ganz, was sie hat, entweder, sie kriegt keine richtige Luft, und sie muss getröstet werden oder sie hat sich verschluckt. Aber wir glauben, dass sie keine Luft kriegt, also, dass sie Asthma hat, so was“
Was kann man also tun, wenn man in so eine Situation kommt? Nach der theoretischen Einführung folgt die Praxis. Und alle machen mit.
„Wir machen jetzt verschiedene Sitzpositionen, die ihr, wenn eure Freundin schlecht Luft kriegt, mit ihr machen könnt. „Ich glaube, man muss die Arme nach oben machen und dann muss man so sitzen.“ / „Lilli wollen wir das zusammen machen? Stell Dich mal hin, und wir beide fassen uns zusammen an und drücken uns dagegen, und atmen durch die Nase ein – alle mitmachen – und durch den Mund aus.“

„Mama und Papa gucken jetzt Tagesschau“

Dass sich die Welt verändert hat – und viele Menschen durch die Coronapandemie und jetzt durch den Ukraine-Krieg verunsichert sind, das ist auch in dieser 4. Klasse im Kurs zu spüren. Während der Frühstückspause erzählen die Schülerinnen und Schüler davon:
„Meine Mama und Papa gucken immer abends jetzt so Tagesschau und Nachrichtensendungen, wie es auch in der Ukraine und in Russland ist. Die haben davor auch schon Nachrichten geguckt, aber jetzt gucken sie das auch ein bisschen intensiver“/ „Meine Mama kauft andere Nutella jetzt, weil die so teuer geworden ist“ / „Also in den Läden dürfen wir jetzt nur ein Mehl kaufen, ich habe das nur immer auf so einem Schild gelesen.“

Wenige Wochen zuvor, beim Arbeiter-Samariter-Bund in Stadthagen in Niedersachsen. Nadine Brockhoff und ihre Kollegin Hildegard von Thadden leiten hier heute Abend einen Kurs „Erste Hilfe mit Selbstschutz-Inhalten“ für Erwachsene. Gerade zeigen sie den gut 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen unterschiedlichen Alters, wie man im Notfall einen verletzten Menschen selbst transportieren kann – mit der sogenannten „Decken-Kneif-Technik“.
Während einer Übung zieht eine Fraue eine Person, die auf einer Decke liegt.
Nadine Brockhoff vom ASB zeigt, wie die sogenannte „Decken-Kneif-Technik“ funktioniert.© Arbeiter-Samariter-Bund; Kreisverband Hannover-Land/Schaumburg
„Du legst Dich so einmal... mit dem Kopf hier so hin. Ich kann mir so eine Wulst aufrollen und kann ihn dann ziehen, also ich würde dann hochgehen und kann ihn dann durch die Decke wegziehen. Ist natürlich nicht bequem, im Notfall aber das Schnellste. Ihr müsst halt nur drauf achten, dass ihr gut aufrollt, um einen guten Griff zu haben.“

In dem Kurs geht es auch um andere Dinge für den Notfall: um Tipps zur Bevorratung mit Wasser und Lebensmitteln, um das digitale Sichern von wichtigen Dokumenten, um das Packen eines Notfallrucksacks und um einen Grundstock notwendiger Medikamente. Nadine Brockhoff erklärt, warum das notwendig ist:  

„Wie funktionieren die Apotheken? Elektronisch. Die Kassen? Elektronisch. Die Türen? Elektronisch. Also: Guckt, dass Ihr ausreichend Eure persönlichen Medikamente im Hause habt. Auch Leute, die einen Pflegebedürftigen zu Hause haben.“

Die Resilienzfähigkeit soll gestärkt werden

In den Kursen geht es um solche Katastrophenszenarien, bei denen nicht absehbar ist, wann und ob ein Rettungsdienst kommt. Ein flächendeckender Stromausfall zum Beispiel. Ein Hochwasser. Ein Terroranschlag. Die Dozentinnen möchten erreichen, dass die Menschen in solchen oder ähnlichen Situationen handlungsfähig bleiben.  
„Für uns ist es wirklich wichtig, dass jeder damit konfrontiert wird. Nicht, was passieren kann, sondern was kann ich tun, was kann ich wirklich tun, um vorbereitet zu sein.“

„Wir schulen die Bevölkerung. Wir helfen der Bevölkerung, diese Selbstständigkeit und diese Resilienzfähigkeit zu stärken.“
Nach zwei intensiven Stunden ist der Kurs beendet. Ein Kurs, da sind sich die Teilnehmenden einig, der sicherer macht und beruhigt:
„Mein Fazit ist, dass ich es gut finde, dass man so gebündelt und strukturiert erklärt bekommen hat, was man tun kann, weil man ja doch, wenn man vor seinem eigenen Haushalt steht, eher kopflos ist, würde ich mal sagen, und nicht weiß, wo man anfangen soll.“
„Ich komme nicht in Panik, strahle Ruhe aus, Souveränität und mein Gegenüber reagiert dann natürlich auch auf mich – deswegen ist es immer wichtig, solche Veranstaltungen zu besuchen.“

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema