"Notations"

29.11.2012
Vielfältig waren die Huldigungen zum 100. Geburtstag des großen Musikers John Cage in diesem Sommer. Aber das gab es noch nicht: eine Aufführung aus seinen "Notations". In diesem Buch sammelte Cage eigene und fremde Werke unter dem Aspekt der Notation – ein Kompendium der Musik des 20. Jahrhunderts.
Seit es Noten gibt, stecken Komponisten in Nöten: Die musikalische Idee als solche fügt sich meist nur widerwillig der systematischen Verschriftlichung. Nicht umsonst riet Herbert von Karajan einst einem Musiker: "Gucken Sie nicht dauernd in die Noten! Da werden Sie nicht finden, was Sie suchen!"

Im 20. Jahrhundert geriet die etablierte Notenschrift mit ihren Köpfen und Hälsen auf fünf Linien in die Krise, doch keiner der zahlreichen Alternativvorschläge konnte sich in der Praxis durchsetzen. Um so bezeichnender sind die vielfältigen Notationsformen Neuer Musik – in geistiger wie in graphischer Hinsicht. Ein Tema für John Cage, der die Musik in ihre bisher größte Offenheit getrieben hatte – und der auch offen genug war, um sich für sehr viele, sehr unterschiedliche Kollegen gleichermaßen zu interessieren. Weit über hundert Komponisten bat er, ihm notationstechnisch besonders interessante Manuskripte zuzuschicken. Die Einsendungen fasst er mit Hilfe der Aktionskünstlerin Alison Knowles zu einer Anthologie zusammen, die ein bibliophiles Kunstwerk für sich darstellt.

Nachdem Steffen Schleiermacher das umfassende Klavierwerk Cages auf 18 CDs eingespielt hatte, griff er in den Bücherschrank: Zum Jubiläum präsentiert er in der Stuttgarter Staatsgalerie eine musikalische Lesung des Cage-Buches und verwandelt die mühevoll aufs Papier geworfenen Notationen zurück in Klangbilder. Das Konzert sucht Cage im Kreis seiner Zeitgenossen und entdeckt ganz nebenbei Komponisten, die in unseren Breiten kaum je gespielt werden.


Staatsgalerie Stuttgart, Vortragssaal
Aufzeichnung vom 11.10.2012


John Cage/Alison Knowles: Notations (1967). Eine Sammlung von Partituren und Texten

George Crumb
Nr. 1 aus: Five Pieces for Piano

Stefan Wolpe
"Stehende Musik"

Carl Ruggles
"Evocations IV"

Josef Matthias Hauer
Zwölftonspiel 26. Juli 1952

Gunnar Berg
"Éclatements V"

Claude Ballif
"bloc-notes"

Pierre Boulez
"Trope" aus: 3. Klaviersonate

John Cage
"Book IV" aus: "Music of Changes"

Terry Jennings
"Piano"

Joji Youasa
"Cosmos Haptic"

Steffen Schleiermacher, Klavier und Moderation

nach Konzertende ca. 21:57 Uhr Nachrichten