Notar schlägt Verhaltenskodex für seinen Berufsstand vor

Das Gespräch führte Liane von Billerbeck |
Der Berliner Justizsenator musste jüngst seinen Hut nehmen, weil er als Notar mutmaßlich an Verkäufen von Schrottimmobilien beteiligt war. Können wir Notaren noch trauen? Ja, sagt Herbert Grziwotz - und hat Tipps für Verbraucher.
Liane von Billerbeck: Der Notarberuf, könnte man sagen, ist eine Lizenz zum Gelddrucken, denn bei Grundstücksgeschäften und Immobilienkäufen muss laut Gesetz ein Notar den Kaufvertrag beglaubigen und wird dafür bezahlt. Offenbar hat das aber einigen Notaren nicht genügt: Der frisch gekürte Berliner Justizsenator musste nach nicht mal zwei Wochen im Amt seinen Hut nehmen, weil auch gegen ihn Vorwürfe erhoben wurden, er hätte sich als Notar daran beteiligt, Käufern sogenannte Schrottimmobilien anzudrehen, und selbst Funktionäre aus Standesorganisationen wie der Rechtsanwaltskammer sollen ähnlich fahrlässig mit ihren Verpflichtungen umgegangen sein. Herbert Grziwotz, Notar und Honorarprofessor an der Uni Regensburg, fordert deshalb einen Kodex für Notare, und das schon seit Jahren. Bevor wir darüber mit ihm sprechen, fasst Günter Hellmich zusammen, wie der Verkauf von Schrottimmobilien in Berlin gelaufen ist.

Unter notarieller Aufsicht (MP3-Audio)Unter notarieller Aufsicht - Beitrag von Günter Hellmich

Und was sich ändern muss, damit das nicht mehr passiert, darüber spreche ich jetzt mit Herbert Grziwotz, er ist Notar und Honorarprofessor an der Uni Regensburg. Ich grüße Sie!

Herbert Grziwotz: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!

von Billerbeck: Können solche Fälle überall in Deutschland passieren?

Grziwotz: Solche Fälle sind leider überall in Deutschland passiert. Das liegt einerseits an den Immobilienspekulanten, und das liegt andererseits, aber das muss man auch mal sagen, an dem ganz geringen Bruchteil von Kolleginnen und Kollegen, die so was machen, das ist vielleicht ein Prozent, der überwiegende Teil der Notare ist solide und macht das nicht, und dann liegt es leider auch an der Gier der Anleger, die meinen, sie könnten ganz schnell zu Geld kommen, ohne große Risiken einzugehen.

von Billerbeck: Nun ist ja der Notarberuf einer mit großem Nimbus. Jetzt haben wir aber von Kollegen erfahren, die dem nicht entsprechen, auch wenn es eine Minderheit ist, wie Sie eben sagten. Welche Rolle soll denn ein guter Notar ausfüllen?

Grziwotz: Der Gesetzgeber hat also die notarielle Form für Immobilienverträge eingeführt, hat daran gedacht, dass der Notar vor allem vor Übereilung, vor zu schnellen Entschlüssen warnt, das war ein ganz wichtiges Kriterium, darum ist der Notar als öffentlicher Amtsträger hier eingeschaltet, das ist die erste Funktion. Die zweite Funktion: Er soll ja auch gewährleisten, dass die Vertragsabwicklung an sich ja funktioniert.

von Billerbeck: Nun haben wir aber gehört, dass ... Genau dieser Punkt, dass man zwischen Vertragserstellung und Unterschrift da 14 Tage setzt, der ist ja auch hier formal eingehalten worden, indem die Leute einfach unterschrieben haben, ja, ich kenne den, und das war aber gar nicht so. Wie kann man dann das verhindern?

Grziwotz: Man könnte es dadurch verhindern, dass der Notar die Entwürfe selbst verschicken muss und dadurch die 14-Tages-Frist ganz korrekt kontrollieren kann, wobei die 14-Tages-Frist vom Gesetzgeber eine Mindestfrist ist. Auch darüber müsste man nachdenken, ob nicht der Notar in Einzelfällen sogar sagen muss: Bitte, die Frist ist hier zu kurz, Sie müssen sich das länger überlegen. Aber, Frau von Billerbeck, man muss das auch ganz ausdrücklich sagen: Ich habe X Leute heimgeschickt, und andere Kolleginnen und Kollegen machen das genauso. Es ist leider so, dass ein ganz kleiner Prozentsatz von seiner Unmoral, der halt dann nicht so genau hinsieht, profitiert. In den meisten Fällen passiert so was nicht.

von Billerbeck: Wie muss sich denn nun ein Notar zwischen Verkäufer und Käufer verhalten? Der ist ja unabhängig, wird aber für seine Leistungen von einer Seite bezahlt. Wie passt das zusammen?

Grziwotz: Also das Perverse an diesen Fällen ist, dass der Notar ja vom Verbraucher bezahlt wird, und gerade das natürlich den Unmut der Verbraucher zu Recht erregt, dass er sie da nicht ausreichend aufgeklärt und geschützt hat.

von Billerbeck: Also das Opfer des Falles zahlt ein Schmerzensgeld an den Täter sozusagen.

Grziwotz: Richtig, also das ist besonders perfide. Hier müsste man wahrscheinlich etwas mehr darüber nachdenken, wie man solche schwarzen Schafe im Berufsstand verhindern kann. Das gibt es aber in allen Berufsständen. Sie haben es bei Ärzten, bei Rechtsanwälten, überall so, und hier müsste man vielleicht etwas mehr tätig werden. Die Notare waren in der Vergangenheit allerdings doch sehr, ja, offensiv, das gab es in den 70er-Jahren schon, und da haben die Notare damals von sich heraus aus Verbraucherschutz betrieben, haben für Bauträgerverträge die Form gefordert, haben gefordert, dass der Verbraucher aufgeklärt wird, haben gefordert, dass er nur zahlt, wenn er Sicherheit hat. Und genau dasselbe müsste jetzt wieder passieren.

von Billerbeck: Sagen Sie uns doch mal: Was bekommt ein Notar eigentlich, also beispielsweise beim Verkauf einer Wohnung, die 250.000 Euro kostet?

Grziwotz: Der Notar bekommt beim Verkauf einer Wohnung die gesetzlichen Gebühren, das heißt, ...

von Billerbeck: Die da sind?

Grziwotz: ... er kann nicht handeln, die sind in der Kostenordnung festgelegt. Beim Verkauf der Wohnung von 250.000 Euro ist es eine Grundgebühr von 864 Euro. Sie müssen sich die Kostenordnung so vorstellen, dass die ... In den höheren Bereichen verdient der Notar, in den kleinen Bereichen zahlt er sogar drauf. Die hat eine soziale Komponente, die ja höchst umstritten ist, für die ich aber einstehe, weil gerade die Leute, die nicht so viel Geld haben, auch nicht so viel zahlen sollen.

von Billerbeck: Ich habe gelesen, es sind 1,5 Prozent etwa, und das wären ja in dem Fall von 250.000 dann 3750 Euro.

Grziwotz: Nein, das stimmt nicht – es kommen noch Nebengebühren dazu, aber das ist die Grundgebühr, es kommen noch Treuhandgebühren dazu – und das ist bloß so eine Faustregel, die man den Leuten an die Hand gibt, aber das ... und da ist man sogar an der oberen Grenze, das stimmt nicht. Wie gesagt, im unteren Bereich teilweise nicht kostendeckend, im oberen Bereich weniger Prozentsatz. Man kann es im Einzelfall auch vorher beim Notar erfragen: Was kostet mich der Vertrag?

von Billerbeck: Wenn man aber nun die Fälle bedenkt, in denen sich Notare da eben nicht standesgemäß verhalten haben, obwohl sie formal juristisch alles korrekt gemacht haben: Brauchen wir eigentlich einen Notar? Geht es auch ohne?

Grziwotz: Also der Notar hat wirklich die wichtige verbraucherschützende Funktion. Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich selber Notar bin und davon lebe, sondern gerade im Immobilienbereich: Das machen die Leute ja nicht täglich. Wer kauft eine Immobilie – einmal oder zwei Mal in seinem Leben, aber doch nicht mehr. Und es geht um sehr viel Geld, und hier ist der Notar ... hat eine wichtige Filterfunktion, wie gesagt, sowohl davor zu warnen, dass der Verbraucher zu schnell ein Geschäft macht, als auch dann die sichere Abwicklung zu gewährleisten. Und dafür sind diese Kosten, wie das auch international sich zeigt, relativ gering in Deutschland. In anderen Ländern wie in Amerika haben Sie nicht einmal die Sicherheit, dass Sie die Immobilie erwerben. In Deutschland ist das Zusammenwirken von Grundbuch, also öffentlicher Register und Notar ein sehr bewährtes System, das internationales Ansehen genießt.

von Billerbeck: Aber man muss ja sagen: Ein Notar überprüft einen Vertrag nicht rechtlich. Wie kann denn ein potenzieller Käufer heute eigentlich herausbekommen, ob ein Notar seriös ist?

Grziwotz: Das ist natürlich schwierig. Also der Notar muss ... kann nur rechtlich prüfen die Dinge, die Sie angesprochen haben. Ob die Wohnung schön ist, ob der Bau richtig ist, ob der sein steuerliches Ziel erreicht, das kann er in der Regel nicht prüfen, weil er dazu gar nicht kompetent ist. Er muss den Vertrag rechtlich prüfen, ob der in Ordnung ist, und er soll durch die Verfahrensgestaltung gewährleisten, dass der Verbraucher nicht über den Tisch gezogen wird. Das steht sogar schon im Beurkundungsgesetz. Nur: Die Verbraucher kennen diese Vorschriften nicht, insofern fordere ich, dass die Notarkammern – und die sind auch da bereit, so was zu machen – einen Verhaltenskodex entwerfen, wo der Verbraucher auch im Internet nachprüfen kann: Gibt es Klauseln, gibt es Verfahrensgestaltungen, die in meinem Vertrag nicht eingehalten werden? Und dann kann er die schwarzen Schafe von der großen Zahl der braven trennen.

von Billerbeck: Herr Grziwotz, was soll denn in diesem Verhaltenskodex für Notare stehen?

Grziwotz: Da sollte zum Beispiel drinstehen, dass die 14-Tages-Frist einzuhalten ist und der Verbraucher keinesfalls davon abweichen soll, auch wenn die Vertriebsbeauftragten ihm dazu raten zu lügen. Es sollten Klauseln drinstehen, die in vernünftigen, ordnungsgemäßen Verträgen nicht enthalten sein sollten. Es sollte zum Beispiel – nehmen wir jetzt mal den Bauträgervertrag – darauf hingewiesen werden, dass so eine Klausel gibt, bei der der Käufer, wenn er in Raten zahlt, falls der Bauträger insolvent geht, sein Geld nicht wiederbekommt. Und daraufhin könnten dann die Verbraucher ihren Vertrag prüfen und schauen, ob der Notar hier verbraucherschützend tätig ist, oder ob er wirklich nur vorgefertigte Verträge liest, was er von seinem Berufsethos aus nicht tun darf.

von Billerbeck: Herr Grziwotz, Sie fordern das nicht erst seit gestern. Woran scheitert denn die Umsetzung?

Grziwotz: Es scheitert sicherlich an einer gewissen, ja, Bequemlichkeit. Es läuft ja ...

von Billerbeck: An Ihren Kollegen also.

Grziwotz: ... in 99 Prozent der Fälle gut, und deshalb sieht man den Ansatzpunkt nicht, das jetzt sofort zu machen. Aber so einzelne Fälle zeigen jetzt, dass es vielleicht ... und die gesetzlichen Vorschriften bestehen auch, dass der Notar es nicht tun darf, er müsste seinen Amtspflichten nachkommen. Die Fälle, die jetzt hochgekommen sind, zeigen, dass vielleicht da der Notarstand auch jetzt offensiv werden muss, was er in den 70er-Jahren auch getan hat, und ich bin da guten Willens, habe also Kontakte mit der bayerischen Landesnotarkammer zumindest, dass da sich in nächster Zeit was tun wird.

von Billerbeck: Ihr Wort in Gottes Gehörgang, möchte man da sagen. Das war der Notar Herbert Grziwotz, herzlichen Dank für das Gespräch!

Grziwotz: Danke auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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