"Noch wichtiger als der Oscar, wenn es um Qualität geht"
Der Medienwissenschaftler Jo Groebel hat auf die Bedeutung des Grimme-Preises hingewiesen. In der Vergangenheit seien "häufig noch bessere Produktionen von Grimme ausgezeichnet worden als es Oscar-Produktionen manchmal sind", sagte Groebel.
Joachim Scholl: Der Humorist Olli Dittrich hat ihn einmal mit dem Nobelpreis verglichen, andere sprechen vom deutschen Oscar. Die Rede ist vom Grimme-Preis. Alljährlich werden die besten Fernsehproduktionen ausgezeichnet vom Adolf-Grimme-Institut, Auszeichnungen gibt es in den Kategorien Unterhaltung, Information, Fiktion und Kultur. Heute wurden die Preisträger 2008 bekannt gegeben, also, vom letzten Jahr natürlich, eine erste Einschätzung haben wir heute Vormittag im Radiofeuilleton bereits vorgenommen. Das wollen wir jetzt vertiefen mit dem Medienwissenschaftler Jo Groebel, mit ihm bin ich jetzt verbunden. Schönen guten Tag, Herr Groebel.
Jo Groebel: Guten Tag, ich grüße Sie.
Scholl: Herr Groebel, bevor wir in die Einzelheiten der Preise gehen – Nobelpreis, Oscar fürs Fernsehen, das Renommee des Grimme-Preises ist in der Branche zumindest riesig. Seit 44 Jahren steht die Auszeichnung für Anspruch und Qualitätsfernsehen. Wie wichtig schätzen Sie den Preis eigentlich ein in einer Fernsehwelt, die ja doch für unsere Begriffe immer mehr so in Richtung Entertainment marschiert?
Groebel: Man könnte jetzt fast sagen, er ist noch wichtiger als der Oscar, wenn es um die Qualität geht, weil, eines zeichnet den Grimme-Preis nun tatsächlich aus, er ist wirklich ein Maßstab dafür, wie gut und wie qualitativ hochwertig deutsches Fernsehen speziell ist, also, damit kann man für die Vergangenheit zumindest sagen, sind häufig noch bessere Produktionen von Grimme ausgezeichnet worden als es Oscar-Produktionen manchmal sind. Was dem Grimme abgeht – insofern hinkt der Vergleich –, ist der Glamour eines Oscars. Wer einmal bei einer Grimme-Verleihung dabei war, der hat schon das Gefühl nach wie vor, es ist doch eher eine sehr brave Veranstaltung, aber vielleicht passt das auch. Vielleicht noch ein Letztes, Sie haben eben etliche Zitate genannt, jemand hat mal gesagt – ich weiß nicht, ob es wieder mal Herr Thoma war, einer der Urväter des Privatfernsehens –, wer den Grimme-Preis erhält, der kann automatisch davon ausgehen, dass seine Sendung, sein Format, nicht mehr lange existiert, und das ist leider in der Vergangenheit häufiger bewahrheitet worden. Mit anderen Worten: Ja, Grimme steht für Qualität, nein, Grimme steht sicherlich nicht für Massenattraktivität, zwangsläufig jedenfalls nicht.
Scholl: Wer sind eigentlich die Juroren?
Groebel: Ach, die sind ganz unterschiedlich zusammengesetzt. Das sind natürlich Leute einerseits, die mit Grimme selber zu tun haben, das heißt also, die im weitesten Sinne aus dem Umfeld Volkshochschule kommen, dann sind es aber auch Leute aus der Branche, und man kann nur sagen, also, Juroren, sicherlich Medienkritiker, ganz wichtig natürlich, aus der Presse, also schon Leute, die ihr Fach verstehen und die immer auch versucht haben, den Balanceakt zwischen diesen manchmal nicht gerechtfertigten Polarisierungen – hier Qualität, Massenattraktivität – hinzukriegen. Es ist nicht immer gelungen, das muss man klar sagen, häufig wird in Deutschland speziell Qualität nicht gleichgesetzt mit Massenattraktivität und umgekehrt.
Scholl: Sprechen wir über die Preise, mit ein paar Beispielen, Herr Groebel, ausgezeichnet etwa wurde Dominik Graf's Film "Eine Stadt wird erpresst". Dominik Graf hat schon irgendwie eine Anwartschaft auf den Grimme-Preis, das ist, glaube ich, sein siebter in diesem Jahr.
Groebel: Ganz klar, wenn ich jetzt auch meine eigene Meinung als Nicht-Jury-Mitglied sagen kann, absolut gerechtfertigt. Es gibt – und insofern hinkt der Vergleich mit den USA und den Oscars auch international immer ein bisschen –, wir haben einfach eine etwas kleinere Auswahlmöglichkeit hier was Produktionen betrifft als die USA. Das ist einfach eine Frage der Menge der zur Verfügung stehenden Mittel, des Geldes, aber auch der Anzahl von Produzierenden, und da ist Graf tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung, der auch einfach sehr nachhaltig, das ist ein schönes Wort, kann man auch verwenden, sehr nachhaltig einfach Qualität produziert, jetzt vor Kurzem wieder – ganz exzellent, glaube ich auch gerade ausgezeichnet – Thriller mit Iris Berben und Jürgen Vogel produziert hat. Ich sehe ihn auch im nächsten Jahr schon als Kandidaten für den achten!
Scholl: Einen weiteren Preis hat der ZDF-Film "An die Grenze" gebracht, den, glaube ich, auch viele Zuschauer gesehen haben. Was sagen Sie dazu?
Groebel: Ja, auch sicherlich nachvollziehbar. Ich will jetzt nicht ernsthaft mich aufschwingen zu einem, der jetzt schon die Jurybeurteilungen, die Juryentscheidungen schon wieder beurteilt, aber ich denke, das sind beides Beispiele für eben doch die Möglichkeit, Massenattraktivität und gleichzeitig eine sehr hohe Qualität zusammenzubringen, denn anders als beim Kinofilm, glaube ich, ist noch sehr viel deutlicher vom Fernsehen zu fordern, dass es eben nicht Fernsehen für Minderheiten macht, für kleine Gruppen, für Studienräte in Anführungszeichen, sondern tatsächlich auch große Gruppen anspricht, und beide genannten Beispiele sind beste Beispiele genau dafür.
Scholl: Diese beiden Filme rangieren im Bereich Fiktion, sie gehören zu den Öffentlich-Rechtlichen beide, und alle Preise im Bereich Fiktion haben die Öffentlich-Rechtlichen, also ARD, ZDF, 3sat oder arte, bekommen. In dieser Kategorie konnte kein Privatsender einen Preis bekommen. Hat Sie das überrascht?
Groebel: Es hat mich insofern nicht mehr wirklich überrascht, weil wir sehen ja leider auch bei den Privaten doch eine gewisse Krise, wenn es darum geht, in sehr, sehr aufwändige – denn Qualität ist sehr häufig auch sehr aufwändig – Produktionen zu investieren. Da muss man leider sagen, dass, wenn dann mal wirklich ganz, ganz, ganz herausragende Beispiele produziert werden – nehmen wir jetzt ein typisches Beispiel von vor anderthalb Jahren oder noch nicht mal anderthalb Jahren "Blackout", eine Sat.1-Produktion –, dann ist es so, dass natürlich so eine Produktion besonders intensiv auf die Quote hin betrachtet wird, und leider, leider muss man sagen, es ist deshalb sehr nachvollziehbar von Seiten der Privaten, dass eben die aufwändigen Produktionen leider nicht die Quoten bringen, die zur Refinanzierung notwendig sind.
Scholl: Also werden sie nicht mehr gemacht.
Groebel: Also werden sie nicht mehr gemacht, das ist bedauerlich, aber hat auch was mit dem Marktgeschehen zu tun, und ich sage ganz ehrlich, ich bin da vergleichsweise entspannt, weil von privaten Sendern – das ist gar keine Schelte, das ist gar kein Runtermachen – kann man nicht erwarten, dass subventionierte Programme gemacht werden. Wenn die Quote nicht stimmt, wird es nicht gemacht. Würde die Quote stimmen, würden die absolut hochwertige und auch Grimme-Preis-fähige Sachen sehr viel häufiger produzieren.
Scholl: Die Grimme-Preisträger des Jahres 2008, heute wurden sie bekannt gegeben, und im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist der Medienwissenschaftler Jo Groebel. Bleiben wir mal beim Thema. Ein kritischer Punkt ist immer die Kategorie Unterhaltung. Früher hieß es beim Grimme-Preis oft, bei Informationssendungen und Fiktionen dominieren die Öffentlich-Rechtlichen, im Fach Unterhaltung die Privaten. Ist diese Zuordnung noch zutreffend?
Groebel: Also ob es noch so zutreffend ist, weiß ich nicht, weil umgekehrt wird auch mal ein Schuh draus. Die Öffentlich-Rechtlichen haben gerade in der Vergangenheit auch sehr viel gelernt von den Privaten, gerade was freche, witzige Unterhaltung angeht. Da muss man klar sagen, es sind nicht immer nur die Öffentlich-Rechtlichen, die Modell sind für das Fernsehen der Privaten, das Umgekehrte gilt auch. Wir sehen, dass sehr viele Formate heute bei den Öffentlich-Rechtlichen laufen, die klar inspiriert wurden von den Privaten, und wenn ich mir die privaten Preisträger jetzt anschaue, der "Dr. Psycho" mit Christian Ulmen oder auch Pastewka und Anke Engelke, ja, keine Frage, das ist höchste Unterhaltung, die ist witzig, die ist intelligent, die ist hintergründig, und insofern völlig gerechtfertigt, dass diese Kategorie Unterhaltung geschaffen wurde. Und ich glaube, anders als bei diesem etwas schrägen Versuch, den es auch mal gab, ich glaube, was war es jetzt, das Dschungelcamp oder Big Brother auszuzeichnen, das war, glaube ich, der verzweifelte Versuch von Grimme, auch mal populär zu sein.
Scholl: Im letzten Jahr hat Grimme die Sendung "Extreme Activity" ausgezeichnet, eine, wie ich fand, selten dämliche Unterhaltungsshow der Privaten, und die wurde dann, glaube ich, aber … inzwischen ist sie längst eingestellt. "Fröhliche Weihnachten" haben Sie erwähnt mit Bastian Pastewka und "Dr. Psycho" mit Christian Ulmen bei Sat.1 und Pro7, das ist also doch …
Groebel: Das hält auch intellektuellen Ansprüchen stand und, wie gesagt, also ich sah damals die Jury so richtig vor mir, auch als dieser ja dann nachher dementierte Vorschlag kam, ich weiß jetzt nicht mehr ob es Big Brother oder was auch immer war, aber jedenfalls, ich sah diese doch manchmal etwas (…) Jurymitglieder, wie sie jetzt in einem Ausbruch von Popularitätswillen dann tatsächlich auch mal Vorschläge gemacht haben, wo dann die anderen gesagt haben, nein, also, wenn schon Unterhaltung, dann aber doch ein bisschen anders. Ich glaube, hier haben wir jetzt echt auch wieder würdige Preisträger. Wollen wir nicht hoffen, dass Thoma's Votum wieder eintritt und augenblicklich die Sachen wieder eingestellt werden. "Dr. Psycho" wird, glaube ich, schon gar nicht mehr ausgestrahlt.
Scholl: Aber, als Sie es gerade erzählten, sozusagen das kreative Potenzial bei den Privatsendern, dass das eigentlich nicht mehr richtig funktioniert – ist der kommerzielle Druck so gewachsen?
Groebel: Im Klartext, man kann jetzt nicht ernsthaft sagen, das kreative Potenzial funktioniert nicht mehr. Es geht in eine andere Richtung. Im Klartext, es braucht auch viel Kreativität, um sehr populäre, meinetwegen auch sogar oberflächliche und damit nicht unbedingt Grimme-fähige Sachen zu machen. Handwerklich wird hervorragendes Fernsehen da gemacht, nur es entspricht eben nicht der Vorstellung, dass jetzt hier eine Hochkultur oder eine sehr tiefgreifende, qualitativ differenzierte Geschichte angesprochen wird. Ich glaube tatsächlich – das war Ihre Frage –, dass es schwierig ist, im Markt wirklich ganz, ganz breite Aufmerksamkeit zu kriegen für Sachen, die auch nur ein bisschen differenzierter sind, die ein bisschen mehr in die Tiefe gehen.
Das gibt es alles auch bei den Privaten, aber sie kommen eben über die Zeit seltener vor als bei den Öffentlich-Rechtlichen, und eines noch ganz wichtig: Es hat auch wahrscheinlich damit zu tun, dass das Stammpublikum bei den Öffentlich-Rechtlichen und beiden Privaten durchaus unterschiedlich sind. Also ein ganz junger Mensch geht heute mit einem ganz anderen Anspruch ans Fernsehen, der erwartet gar nicht was Hochkulturelles, der will wirklich nur ein bisschen berieselt werden, ein bisschen beprickelt werden, vielleicht sogar als Parallelmedium zur gleichzeitigen Internetnutzung, und, und, und. Das heißt, der Anspruch darf und kann in beiden gar nicht der gleiche sein. Insofern haben wir vielleicht sogar jetzt allmählich wieder eine Zuspitzung des dualen Systems, aber zu beider Nutzen und ohne dass wir jetzt allzu traurig sein müssen.
Scholl: Die Grimme-Preise 2008, heute wurden die Preisträger verkündet, zwölf an der Zahl, am 4. April werden die Auszeichnungen dann vergeben. Das war der Medienwissenschaftler Jo Groebel. Herr Groebel, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Groebel: Danke ebenfalls.
Jo Groebel: Guten Tag, ich grüße Sie.
Scholl: Herr Groebel, bevor wir in die Einzelheiten der Preise gehen – Nobelpreis, Oscar fürs Fernsehen, das Renommee des Grimme-Preises ist in der Branche zumindest riesig. Seit 44 Jahren steht die Auszeichnung für Anspruch und Qualitätsfernsehen. Wie wichtig schätzen Sie den Preis eigentlich ein in einer Fernsehwelt, die ja doch für unsere Begriffe immer mehr so in Richtung Entertainment marschiert?
Groebel: Man könnte jetzt fast sagen, er ist noch wichtiger als der Oscar, wenn es um die Qualität geht, weil, eines zeichnet den Grimme-Preis nun tatsächlich aus, er ist wirklich ein Maßstab dafür, wie gut und wie qualitativ hochwertig deutsches Fernsehen speziell ist, also, damit kann man für die Vergangenheit zumindest sagen, sind häufig noch bessere Produktionen von Grimme ausgezeichnet worden als es Oscar-Produktionen manchmal sind. Was dem Grimme abgeht – insofern hinkt der Vergleich –, ist der Glamour eines Oscars. Wer einmal bei einer Grimme-Verleihung dabei war, der hat schon das Gefühl nach wie vor, es ist doch eher eine sehr brave Veranstaltung, aber vielleicht passt das auch. Vielleicht noch ein Letztes, Sie haben eben etliche Zitate genannt, jemand hat mal gesagt – ich weiß nicht, ob es wieder mal Herr Thoma war, einer der Urväter des Privatfernsehens –, wer den Grimme-Preis erhält, der kann automatisch davon ausgehen, dass seine Sendung, sein Format, nicht mehr lange existiert, und das ist leider in der Vergangenheit häufiger bewahrheitet worden. Mit anderen Worten: Ja, Grimme steht für Qualität, nein, Grimme steht sicherlich nicht für Massenattraktivität, zwangsläufig jedenfalls nicht.
Scholl: Wer sind eigentlich die Juroren?
Groebel: Ach, die sind ganz unterschiedlich zusammengesetzt. Das sind natürlich Leute einerseits, die mit Grimme selber zu tun haben, das heißt also, die im weitesten Sinne aus dem Umfeld Volkshochschule kommen, dann sind es aber auch Leute aus der Branche, und man kann nur sagen, also, Juroren, sicherlich Medienkritiker, ganz wichtig natürlich, aus der Presse, also schon Leute, die ihr Fach verstehen und die immer auch versucht haben, den Balanceakt zwischen diesen manchmal nicht gerechtfertigten Polarisierungen – hier Qualität, Massenattraktivität – hinzukriegen. Es ist nicht immer gelungen, das muss man klar sagen, häufig wird in Deutschland speziell Qualität nicht gleichgesetzt mit Massenattraktivität und umgekehrt.
Scholl: Sprechen wir über die Preise, mit ein paar Beispielen, Herr Groebel, ausgezeichnet etwa wurde Dominik Graf's Film "Eine Stadt wird erpresst". Dominik Graf hat schon irgendwie eine Anwartschaft auf den Grimme-Preis, das ist, glaube ich, sein siebter in diesem Jahr.
Groebel: Ganz klar, wenn ich jetzt auch meine eigene Meinung als Nicht-Jury-Mitglied sagen kann, absolut gerechtfertigt. Es gibt – und insofern hinkt der Vergleich mit den USA und den Oscars auch international immer ein bisschen –, wir haben einfach eine etwas kleinere Auswahlmöglichkeit hier was Produktionen betrifft als die USA. Das ist einfach eine Frage der Menge der zur Verfügung stehenden Mittel, des Geldes, aber auch der Anzahl von Produzierenden, und da ist Graf tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung, der auch einfach sehr nachhaltig, das ist ein schönes Wort, kann man auch verwenden, sehr nachhaltig einfach Qualität produziert, jetzt vor Kurzem wieder – ganz exzellent, glaube ich auch gerade ausgezeichnet – Thriller mit Iris Berben und Jürgen Vogel produziert hat. Ich sehe ihn auch im nächsten Jahr schon als Kandidaten für den achten!
Scholl: Einen weiteren Preis hat der ZDF-Film "An die Grenze" gebracht, den, glaube ich, auch viele Zuschauer gesehen haben. Was sagen Sie dazu?
Groebel: Ja, auch sicherlich nachvollziehbar. Ich will jetzt nicht ernsthaft mich aufschwingen zu einem, der jetzt schon die Jurybeurteilungen, die Juryentscheidungen schon wieder beurteilt, aber ich denke, das sind beides Beispiele für eben doch die Möglichkeit, Massenattraktivität und gleichzeitig eine sehr hohe Qualität zusammenzubringen, denn anders als beim Kinofilm, glaube ich, ist noch sehr viel deutlicher vom Fernsehen zu fordern, dass es eben nicht Fernsehen für Minderheiten macht, für kleine Gruppen, für Studienräte in Anführungszeichen, sondern tatsächlich auch große Gruppen anspricht, und beide genannten Beispiele sind beste Beispiele genau dafür.
Scholl: Diese beiden Filme rangieren im Bereich Fiktion, sie gehören zu den Öffentlich-Rechtlichen beide, und alle Preise im Bereich Fiktion haben die Öffentlich-Rechtlichen, also ARD, ZDF, 3sat oder arte, bekommen. In dieser Kategorie konnte kein Privatsender einen Preis bekommen. Hat Sie das überrascht?
Groebel: Es hat mich insofern nicht mehr wirklich überrascht, weil wir sehen ja leider auch bei den Privaten doch eine gewisse Krise, wenn es darum geht, in sehr, sehr aufwändige – denn Qualität ist sehr häufig auch sehr aufwändig – Produktionen zu investieren. Da muss man leider sagen, dass, wenn dann mal wirklich ganz, ganz, ganz herausragende Beispiele produziert werden – nehmen wir jetzt ein typisches Beispiel von vor anderthalb Jahren oder noch nicht mal anderthalb Jahren "Blackout", eine Sat.1-Produktion –, dann ist es so, dass natürlich so eine Produktion besonders intensiv auf die Quote hin betrachtet wird, und leider, leider muss man sagen, es ist deshalb sehr nachvollziehbar von Seiten der Privaten, dass eben die aufwändigen Produktionen leider nicht die Quoten bringen, die zur Refinanzierung notwendig sind.
Scholl: Also werden sie nicht mehr gemacht.
Groebel: Also werden sie nicht mehr gemacht, das ist bedauerlich, aber hat auch was mit dem Marktgeschehen zu tun, und ich sage ganz ehrlich, ich bin da vergleichsweise entspannt, weil von privaten Sendern – das ist gar keine Schelte, das ist gar kein Runtermachen – kann man nicht erwarten, dass subventionierte Programme gemacht werden. Wenn die Quote nicht stimmt, wird es nicht gemacht. Würde die Quote stimmen, würden die absolut hochwertige und auch Grimme-Preis-fähige Sachen sehr viel häufiger produzieren.
Scholl: Die Grimme-Preisträger des Jahres 2008, heute wurden sie bekannt gegeben, und im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist der Medienwissenschaftler Jo Groebel. Bleiben wir mal beim Thema. Ein kritischer Punkt ist immer die Kategorie Unterhaltung. Früher hieß es beim Grimme-Preis oft, bei Informationssendungen und Fiktionen dominieren die Öffentlich-Rechtlichen, im Fach Unterhaltung die Privaten. Ist diese Zuordnung noch zutreffend?
Groebel: Also ob es noch so zutreffend ist, weiß ich nicht, weil umgekehrt wird auch mal ein Schuh draus. Die Öffentlich-Rechtlichen haben gerade in der Vergangenheit auch sehr viel gelernt von den Privaten, gerade was freche, witzige Unterhaltung angeht. Da muss man klar sagen, es sind nicht immer nur die Öffentlich-Rechtlichen, die Modell sind für das Fernsehen der Privaten, das Umgekehrte gilt auch. Wir sehen, dass sehr viele Formate heute bei den Öffentlich-Rechtlichen laufen, die klar inspiriert wurden von den Privaten, und wenn ich mir die privaten Preisträger jetzt anschaue, der "Dr. Psycho" mit Christian Ulmen oder auch Pastewka und Anke Engelke, ja, keine Frage, das ist höchste Unterhaltung, die ist witzig, die ist intelligent, die ist hintergründig, und insofern völlig gerechtfertigt, dass diese Kategorie Unterhaltung geschaffen wurde. Und ich glaube, anders als bei diesem etwas schrägen Versuch, den es auch mal gab, ich glaube, was war es jetzt, das Dschungelcamp oder Big Brother auszuzeichnen, das war, glaube ich, der verzweifelte Versuch von Grimme, auch mal populär zu sein.
Scholl: Im letzten Jahr hat Grimme die Sendung "Extreme Activity" ausgezeichnet, eine, wie ich fand, selten dämliche Unterhaltungsshow der Privaten, und die wurde dann, glaube ich, aber … inzwischen ist sie längst eingestellt. "Fröhliche Weihnachten" haben Sie erwähnt mit Bastian Pastewka und "Dr. Psycho" mit Christian Ulmen bei Sat.1 und Pro7, das ist also doch …
Groebel: Das hält auch intellektuellen Ansprüchen stand und, wie gesagt, also ich sah damals die Jury so richtig vor mir, auch als dieser ja dann nachher dementierte Vorschlag kam, ich weiß jetzt nicht mehr ob es Big Brother oder was auch immer war, aber jedenfalls, ich sah diese doch manchmal etwas (…) Jurymitglieder, wie sie jetzt in einem Ausbruch von Popularitätswillen dann tatsächlich auch mal Vorschläge gemacht haben, wo dann die anderen gesagt haben, nein, also, wenn schon Unterhaltung, dann aber doch ein bisschen anders. Ich glaube, hier haben wir jetzt echt auch wieder würdige Preisträger. Wollen wir nicht hoffen, dass Thoma's Votum wieder eintritt und augenblicklich die Sachen wieder eingestellt werden. "Dr. Psycho" wird, glaube ich, schon gar nicht mehr ausgestrahlt.
Scholl: Aber, als Sie es gerade erzählten, sozusagen das kreative Potenzial bei den Privatsendern, dass das eigentlich nicht mehr richtig funktioniert – ist der kommerzielle Druck so gewachsen?
Groebel: Im Klartext, man kann jetzt nicht ernsthaft sagen, das kreative Potenzial funktioniert nicht mehr. Es geht in eine andere Richtung. Im Klartext, es braucht auch viel Kreativität, um sehr populäre, meinetwegen auch sogar oberflächliche und damit nicht unbedingt Grimme-fähige Sachen zu machen. Handwerklich wird hervorragendes Fernsehen da gemacht, nur es entspricht eben nicht der Vorstellung, dass jetzt hier eine Hochkultur oder eine sehr tiefgreifende, qualitativ differenzierte Geschichte angesprochen wird. Ich glaube tatsächlich – das war Ihre Frage –, dass es schwierig ist, im Markt wirklich ganz, ganz breite Aufmerksamkeit zu kriegen für Sachen, die auch nur ein bisschen differenzierter sind, die ein bisschen mehr in die Tiefe gehen.
Das gibt es alles auch bei den Privaten, aber sie kommen eben über die Zeit seltener vor als bei den Öffentlich-Rechtlichen, und eines noch ganz wichtig: Es hat auch wahrscheinlich damit zu tun, dass das Stammpublikum bei den Öffentlich-Rechtlichen und beiden Privaten durchaus unterschiedlich sind. Also ein ganz junger Mensch geht heute mit einem ganz anderen Anspruch ans Fernsehen, der erwartet gar nicht was Hochkulturelles, der will wirklich nur ein bisschen berieselt werden, ein bisschen beprickelt werden, vielleicht sogar als Parallelmedium zur gleichzeitigen Internetnutzung, und, und, und. Das heißt, der Anspruch darf und kann in beiden gar nicht der gleiche sein. Insofern haben wir vielleicht sogar jetzt allmählich wieder eine Zuspitzung des dualen Systems, aber zu beider Nutzen und ohne dass wir jetzt allzu traurig sein müssen.
Scholl: Die Grimme-Preise 2008, heute wurden die Preisträger verkündet, zwölf an der Zahl, am 4. April werden die Auszeichnungen dann vergeben. Das war der Medienwissenschaftler Jo Groebel. Herr Groebel, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Groebel: Danke ebenfalls.