"Noch hat der gefährliche Virus den Kontinent Europa nicht erreicht"

Moderation: Birgit Kolkmann · 13.10.2005
Der Bundesumweltminister und amtierende Bundesverbraucherschutzminister Jürgen Trittin (B90/Grünen) hat eine stärkere Kontrolle illegaler Transporte von Tierprodukten angekündigt. Zwar habe das Vogelgrippe-Virus den Kontinent Europa bisher noch nicht erreicht, sagte Trittin im Deutschlandradio Kultur. Um aber das Eindringen des für den Menschen gefährlichen Virus H5N1 zu verhindern, müssten Lücken in der Kontrolle geschlossen werden.
Birgit Kolkmann: Im Interview in Deutschlandradio Kultur: Umweltminister Jürgen Trittin, kommissarisch auch für den Verbraucherschutz zuständig. Schönen guten Morgen!

Jürgen Trittin: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Trittin, sind Sie auch beunruhigt?

Trittin: Erstmal fand ich die Nachrichten eher beruhigend. Wir haben bei den Fällen in Rumänien nichts feststellen können, was auf den gefährlichen Erreger H5N1 hinweist. Und wir haben bei den Befunden in der Türkei, die uns noch nicht vorliegen, den Verdacht, es handelt sich um Viren vom Stamm H5, aber keine Bestätigung für den hoch pathogenen N1. Das heißt, wir können heute erstmal sagen: Noch hat der gefährliche Virus den Kontinent Europa nicht erreicht. Aber wir haben auch festgestellt, dass es Probleme gibt, nämlich insbesondere durch den illegalen Transport von Tieren, Tierbestandteilen, Fleisch, teilweise ja auch ganzen lebenden Tieren. Und hier stärker aktiv zu werden und mehr zu kontrollieren, das ist das wesentliche Ergebnis des Krisenstabs von Bund und Ländern, der gestern getagt hat.

Kolkmann: Das klingt so ein bisschen wie Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Wie wollen Sie das machen? Nach Geflügel und Geflügelprodukten suchen im Gepäck?

Trittin: Nun, das Erschreckende ist eigentlich, dass, wenn man sucht, man auch was findet. Wir haben am Flughafen Frankfurt neulich einen lebenden Hund aus dem Handgepäck rausgeholt. An anderen Flughäfen sind Katzen gefunden worden. Es sind auch immer wieder Geflügelteile mitgebracht worden. Und teilweise liegt es auch daran, dass die Menschen gar nicht wissen, dass es Probleme geben kann mit dem Import von Tieren und Tierprodukten bei Reisen.

Das ist einer der Gründe, warum wir jetzt auch in großer Auflage in verschiedenen Sprachen, auch in der türkischen Sprache beispielsweise, Merkzettel für Reisende gedruckt haben und mit auf den Weg geben. Also erstmal durch Information zu verhindern, dass es aus Unachtsamkeit zu solchen Importen kommt.

Und gleichzeitig werden wir sowohl an den Flughäfen - das muss der Zoll machen, aber da müssen sich die Veterinärbehörden der Länder dran beteiligen, weil ein Zollbeamter kann zwar eine Tasche aufmachen aber nicht unbedingt identifizieren, um welche Produkte es sich handelt - werden wir verstärkt kontrollieren. Und das gilt auch für die mobilen Kontrollteams, die vom Zoll und den Veterinärbehörden da sind, damit wir verhindern, dass über den Import von solchen Tierprodukten der Erreger nach Europa eingeführt wird.

Kolkmann: Die Kontrollen sind das eine, der Schutz der Bevölkerung das andere. Es gibt ja keinen Impfstoff gegen diesen hochgefährlichen Erreger. Und er ist ja auch noch gar nicht mutiert. Von daher soll ja keine Panik ausbrechen, da warnt ja auch das Robert-Koch-Institut davor. Aber es gibt doch nicht genügend Medikamente gegen die Symptome?

Trittin: Ich habe nur eine bedingte Übersicht über das, was im Bereich der Medizinvorsorge da ist. Es ist unter den Experten eine große Diskussion darüber ausgebrochen, ob es tatsächlich empfehlenswert ist, beispielsweise sich vorsorglich gegen Grippe impfen zu lassen. Wenn man das zusammenfassen will, ist das Ergebnis wohl, dass es solche Impfungen gegen die ganz normale Grippe zur Stabilisierung dort, wenn man das für sinnvoll hält, dann sollte man das machen, das ist aber unabhängig von der Existenz und der Verbreitung einer Tierseuche, um die es hier geht, einer Tierseuche, die übrigens bei den Tieren auch zu unterschiedlichen Reaktionen führt. Es gibt Tiere, die mit diesem Virus befallen sind, denen das nichts ausmacht, die diese Krankheit aber auch weiterverbreiten können. Und insofern ist, glaube ich, unser Hauptaugenmerk als diejenigen, die verantwortlich sind für die Verhinderung der Verbreitung von Tierseuchen hier, uns darauf zu konzentrieren.

Kolkmann: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt ja, Grippemedikamente, die zumindest die Symptome dann lindern können, für die Bevölkerung bereit zu halten und zwar zu circa 20 bis 25 Prozent. Es gibt eigentlich nur ein Präparat, das ein bisschen hilft gegen die Symptome, kommt aus der Schweiz, Tamiflu heißt es, kostet 33 Euro. Offensichtlich versuchen schon viele Verbraucher, sich damit einzudecken. Haben denn überhaupt die Behörden die Chance, dass in größeren Mengen einzukaufen?

Trittin Sehen Sie, das liegt wirklich weit außerhalb meines Verantwortungsbereichs. Ob dieses Medikament tatsächlich sinnvoll und hilfreich ist, ist auch unter Medizinern, da gibt es sehr kritische Stimmen, äußerst umstritten. Das kann ich aber sozusagen nur aus der Zeitungslektüre sagen. Ob und inwieweit Gesundheitsfürsorgen da sind. Das ist wirklich eine Frage der Behörden, die für die menschliche Gesundheit zuständig sind. Wir verhindern - und müssen verhindern - die Ausbreitung von Tierseuchen.