Noch eine "ganze Weile" von einer Waffenruhe entfernt
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Manfred Lahnstein, rechnet mit einem Anhalten der Kämpfe in Nahost. Man sei noch "eine ganze Weile" von einer Waffenruhe entfernt, sagte Lahnstein. Dazu brauche es zwei Partner und Substanz. Daran fehle es bisher.
Leonie March: Seit der Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah und dem Beginn der israelischen Militäroffensive im Libanon ist ein Ende der Kämpfe nicht absehbar. Die Hisbollah feuert weiter Raketen auf Israel; die Armee antwortet mit Luftangriffen, die weiter verstärkt werden sollen, und einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes. Die Zivilbevölkerung in beiden Ländern leidet. Hunderte Menschen wurden getötet, Tausende verletzt, Hunderttausende fliehen aus dem Libanon, Tausende suchen Schutz in israelischen Bunkern. Am Telefon begrüße ich nun Professor Manfred Lahnstein. Er ist der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Guten Morgen, Professor Lahnstein.
Lahnstein: Guten Morgen, Frau March.
March: Die internationale Konferenz in Rom hat sich ja für einen sofortigen Waffenstillstand ausgesprochen - auch wenn kein offizieller Beschluss gefasst wurde -, die Kämpfe aber gehen weiter. Wie weit sind wir denn Ihrer Meinung nach von einer Waffenruhe entfernt?
Lahnstein: Ja ich fürchte noch eine ganze Weile. Denn eine Waffenruhe braucht ja immer zwei Partner und sie braucht Substanz. Und vor allen Dingen bei der Substanz hapert das doch. Wir haben viele, viele Waffenruhen ringsum Israel gesehen in den letzten 30, 40 Jahren, gebracht haben sie so gut wie alle nichts. Und deshalb ist diese Orientierung, sage ich mal, der Konferenz aus Rom auch bewusst ein bisschen vage formuliert. Es ist nämlich auch gesagt worden: Wenn eine Waffenruhe kommt, dann muss die dann wirklich auch die Chance haben, auf Dauer zu bestehen. Und dazu gehört eine Reihe von Bedingungen - die sind ja auch genannt, die bestehen an sich schon seit fünf, sechs Jahren. Und ehe die erfüllt werden, na ja, also ich fürchte mal, es wird noch eine Weile dauern bis zu einem Waffenstillstand.
March: Sie haben gerade gesagt, dazu braucht man zwei Partner. Liegt das Problem also auch in der Frage, mit wem der Waffenstillstand vereinbart werden soll? Israel kann ja schlecht mit der Hisbollah verhandeln?
Lahnstein: Ja das ist einer der wesentlichen Punkte, den Sie da ansprechen. Mit wem soll denn Israel einen Waffenstillstand abschließen? Den könnten sie an sich nur mit der libanesischen Regierung abschließen. Die libanesische Regierung hat aber keinen direkten - jedenfalls keinen ausreichenden - Zugriff auf Hisbollah. Die haben ja im Süden des Landes sozusagen praktisch einen Staat im Staat errichtet. Also wird der Libanon wieder internationale Hilfe brauchen, damit das alles zustande kommt. Und daraus sehen Sie schon, es muss eine Truppe aufgestellt werden, die dann im Süden des Landes auch das Gewaltmonopol der libanesischen Regierung sichert. Das sind ja alles keine Themen, die man von heute auf morgen lösen kann - weshalb mich übrigens auch ein bisschen die Erwartungen gewundert haben, die man an diese Konferenz von Rom gerichtet hatte. Das war wohl doch ein bisschen voreilig.
March: Aber kann Israel die Hisbollah militärisch überhaupt in die Knie zwingen?
Lahnstein: Na ja, sie können die Hisbollah jedenfalls weit weniger stark halten, als sie heute ist. Die Angriffe müssen aufhören. Am Ende wird aber auch im Bezug auf die Hisbollah natürlich eine diplomatische Lösung stehen müssen. Rein mit kriegerischen Mitteln ist so gut wie noch nie ein Konflikt gelöst worden. Und Sie haben ja auf die Opfer auf beiden Seiten hingewiesen. Und jedes Menschenleben, das da gefährdet ist, und jeder Tote, der da zu beklagen ist, ist einer zu viel. Nein, da wird man am Ende eine diplomatische, eine politische Lösung brauchen. Aber die Grundlagen dafür, die sind nun in der Resolution 1559 seit einigen Jahren festgelegt: Die Hisbollah muss entwaffnet werden - zur Not eben durch eine internationale Truppe - und die libanesische Armee muss an die Grenze vorrücken. Mit dem Libanon an sich hat Israel praktisch keine Probleme. Da werden jetzt so künstliche Grenzproblemchen hochgezogen, über die hat man seit drei, vier Jahren nichts mehr gehört. Es sind auch wirklich Lappalien - auf beiden Seiten übrigens -, die kann man wahrscheinlich relativ rasch lösen.
March: In den letzten Tagen, insbesondere nach dem Tod von vier UN-Beobachtern bei einem israelischen Angriff am Dienstag, wird eine öffentliche Debatte über die Frage der Verhältnismäßigkeit geführt. Halten Sie die Reaktion Israels auf die Entführung der Soldaten in ihrem Ausmaß noch für angemessen?
Lahnstein: Na das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Also was diesen Angriff auf den UN-Posten angeht, so ist hier eindeutig falsch reagiert worden von israelischer Seite. Das aber hat die israelische Regierung dann ja auch zugegeben in dem Gespräch zwischen Olmert und Kofi Annan, hat ihr Bedauern ausgedrückt. Sehr viel mehr wird man jetzt nicht machen können. Dann läuft da auch noch eine Untersuchung. Das Ausmaß der Angriffe auf Infrastruktur und Ähnliches mehr - wer bin ich, dass ich mich hier auf ein moralisches Ross setze? Was ich jedenfalls vermisse - übrigens gerade auch in den Medien -, ist dann auch die Gegenfrage: Halten wir eigentlich das, was Hisbollah tut, für verhältnismäßig? Der Krieg bringt immer solche schrecklichen Entwicklungen mit sich. Und da ist es ein bisschen theoretisch, über Verhältnismäßigkeit zu reden. Natürlich würde sich jeder einen Krieg ohne Tote wünschen, aber den gibt es nicht. Und dennoch muss natürlich Israel - um das auch ganz klar zu sagen - bei allen seinen Aktionen alles Mögliche tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Darum sollte es auch gar keinen Streit geben.
March: Welche Auswirkung hat diese Kritik an Israel hier in Deutschland? Kann sie schlimmstenfalls den Nährboden bieten für Antisemitismus?
Lahnstein: Also ich habe schon schlimmere Kritik an Israel erlebt in den letzten 10, 20 Jahren. Nein, so weit würde, so weit würde ich nicht gehen. Aber die Einseitigkeit der Berichterstattung und der Kommentierung ist dann manchmal schon überraschend. Denn, wie die Bundeskanzlerin gesagt hat noch vor einigen Tagen, man muss sich ja hüten Ursachen und Wirkung durcheinander zu werfen. Die Ursachen liegen diesmal nicht in Israel. Es hat Fälle gegeben, da haben die auch in Israel gelegen. Und deswegen kann man immer nur um eine faire Bewertung bitten. Und Überschwappen auf Antisemitismus - bei denjenigen, die eh schon antisemitisch sind, natürlich. Aber das glaube ich nicht. Wir haben in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft auf der anderen Seite in den letzten 14 Tagen auch eine erfreulich hohe Zahl von neuen Eintritten gehabt. Also das schaukelt sich emotional immer auf beiden Seiten hoch. Nein, so weit würde ich nun mit meinen Befürchtungen auch nicht gehen, sondern eher die Hoffnung ausdrücken, dass wir in absehbarer Zeit - was weiß ich, in ein oder zwei Wochen - dann wieder zu etwas ruhigeren Verhältnissen zurückkehren. Im Nahen Osten sind die Verhältnisse ja nie völlig ruhig.
March: Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Professor Manfred Lahnstein, war das live in der "Ortszeit". Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
Lahnstein: Ich danke Ihnen.
Lahnstein: Guten Morgen, Frau March.
March: Die internationale Konferenz in Rom hat sich ja für einen sofortigen Waffenstillstand ausgesprochen - auch wenn kein offizieller Beschluss gefasst wurde -, die Kämpfe aber gehen weiter. Wie weit sind wir denn Ihrer Meinung nach von einer Waffenruhe entfernt?
Lahnstein: Ja ich fürchte noch eine ganze Weile. Denn eine Waffenruhe braucht ja immer zwei Partner und sie braucht Substanz. Und vor allen Dingen bei der Substanz hapert das doch. Wir haben viele, viele Waffenruhen ringsum Israel gesehen in den letzten 30, 40 Jahren, gebracht haben sie so gut wie alle nichts. Und deshalb ist diese Orientierung, sage ich mal, der Konferenz aus Rom auch bewusst ein bisschen vage formuliert. Es ist nämlich auch gesagt worden: Wenn eine Waffenruhe kommt, dann muss die dann wirklich auch die Chance haben, auf Dauer zu bestehen. Und dazu gehört eine Reihe von Bedingungen - die sind ja auch genannt, die bestehen an sich schon seit fünf, sechs Jahren. Und ehe die erfüllt werden, na ja, also ich fürchte mal, es wird noch eine Weile dauern bis zu einem Waffenstillstand.
March: Sie haben gerade gesagt, dazu braucht man zwei Partner. Liegt das Problem also auch in der Frage, mit wem der Waffenstillstand vereinbart werden soll? Israel kann ja schlecht mit der Hisbollah verhandeln?
Lahnstein: Ja das ist einer der wesentlichen Punkte, den Sie da ansprechen. Mit wem soll denn Israel einen Waffenstillstand abschließen? Den könnten sie an sich nur mit der libanesischen Regierung abschließen. Die libanesische Regierung hat aber keinen direkten - jedenfalls keinen ausreichenden - Zugriff auf Hisbollah. Die haben ja im Süden des Landes sozusagen praktisch einen Staat im Staat errichtet. Also wird der Libanon wieder internationale Hilfe brauchen, damit das alles zustande kommt. Und daraus sehen Sie schon, es muss eine Truppe aufgestellt werden, die dann im Süden des Landes auch das Gewaltmonopol der libanesischen Regierung sichert. Das sind ja alles keine Themen, die man von heute auf morgen lösen kann - weshalb mich übrigens auch ein bisschen die Erwartungen gewundert haben, die man an diese Konferenz von Rom gerichtet hatte. Das war wohl doch ein bisschen voreilig.
March: Aber kann Israel die Hisbollah militärisch überhaupt in die Knie zwingen?
Lahnstein: Na ja, sie können die Hisbollah jedenfalls weit weniger stark halten, als sie heute ist. Die Angriffe müssen aufhören. Am Ende wird aber auch im Bezug auf die Hisbollah natürlich eine diplomatische Lösung stehen müssen. Rein mit kriegerischen Mitteln ist so gut wie noch nie ein Konflikt gelöst worden. Und Sie haben ja auf die Opfer auf beiden Seiten hingewiesen. Und jedes Menschenleben, das da gefährdet ist, und jeder Tote, der da zu beklagen ist, ist einer zu viel. Nein, da wird man am Ende eine diplomatische, eine politische Lösung brauchen. Aber die Grundlagen dafür, die sind nun in der Resolution 1559 seit einigen Jahren festgelegt: Die Hisbollah muss entwaffnet werden - zur Not eben durch eine internationale Truppe - und die libanesische Armee muss an die Grenze vorrücken. Mit dem Libanon an sich hat Israel praktisch keine Probleme. Da werden jetzt so künstliche Grenzproblemchen hochgezogen, über die hat man seit drei, vier Jahren nichts mehr gehört. Es sind auch wirklich Lappalien - auf beiden Seiten übrigens -, die kann man wahrscheinlich relativ rasch lösen.
March: In den letzten Tagen, insbesondere nach dem Tod von vier UN-Beobachtern bei einem israelischen Angriff am Dienstag, wird eine öffentliche Debatte über die Frage der Verhältnismäßigkeit geführt. Halten Sie die Reaktion Israels auf die Entführung der Soldaten in ihrem Ausmaß noch für angemessen?
Lahnstein: Na das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Also was diesen Angriff auf den UN-Posten angeht, so ist hier eindeutig falsch reagiert worden von israelischer Seite. Das aber hat die israelische Regierung dann ja auch zugegeben in dem Gespräch zwischen Olmert und Kofi Annan, hat ihr Bedauern ausgedrückt. Sehr viel mehr wird man jetzt nicht machen können. Dann läuft da auch noch eine Untersuchung. Das Ausmaß der Angriffe auf Infrastruktur und Ähnliches mehr - wer bin ich, dass ich mich hier auf ein moralisches Ross setze? Was ich jedenfalls vermisse - übrigens gerade auch in den Medien -, ist dann auch die Gegenfrage: Halten wir eigentlich das, was Hisbollah tut, für verhältnismäßig? Der Krieg bringt immer solche schrecklichen Entwicklungen mit sich. Und da ist es ein bisschen theoretisch, über Verhältnismäßigkeit zu reden. Natürlich würde sich jeder einen Krieg ohne Tote wünschen, aber den gibt es nicht. Und dennoch muss natürlich Israel - um das auch ganz klar zu sagen - bei allen seinen Aktionen alles Mögliche tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Darum sollte es auch gar keinen Streit geben.
March: Welche Auswirkung hat diese Kritik an Israel hier in Deutschland? Kann sie schlimmstenfalls den Nährboden bieten für Antisemitismus?
Lahnstein: Also ich habe schon schlimmere Kritik an Israel erlebt in den letzten 10, 20 Jahren. Nein, so weit würde, so weit würde ich nicht gehen. Aber die Einseitigkeit der Berichterstattung und der Kommentierung ist dann manchmal schon überraschend. Denn, wie die Bundeskanzlerin gesagt hat noch vor einigen Tagen, man muss sich ja hüten Ursachen und Wirkung durcheinander zu werfen. Die Ursachen liegen diesmal nicht in Israel. Es hat Fälle gegeben, da haben die auch in Israel gelegen. Und deswegen kann man immer nur um eine faire Bewertung bitten. Und Überschwappen auf Antisemitismus - bei denjenigen, die eh schon antisemitisch sind, natürlich. Aber das glaube ich nicht. Wir haben in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft auf der anderen Seite in den letzten 14 Tagen auch eine erfreulich hohe Zahl von neuen Eintritten gehabt. Also das schaukelt sich emotional immer auf beiden Seiten hoch. Nein, so weit würde ich nun mit meinen Befürchtungen auch nicht gehen, sondern eher die Hoffnung ausdrücken, dass wir in absehbarer Zeit - was weiß ich, in ein oder zwei Wochen - dann wieder zu etwas ruhigeren Verhältnissen zurückkehren. Im Nahen Osten sind die Verhältnisse ja nie völlig ruhig.
March: Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Professor Manfred Lahnstein, war das live in der "Ortszeit". Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
Lahnstein: Ich danke Ihnen.