Noch ein Koffer in Berlin
Berlin ist "in" in der Kinder- und Jugendliteratur. In Berlin war und ist alles anders als in anderen deutschen Großstädten, denn hier fand die große Geschichte statt: Durch Berlin zog sich die Grenze zwischen Ost und West, in Berlin stand die Mauer. Von dieser Zeit erzählt auch Reinhold Zieglers neues Jugendbuch "Jenny, die Mauer und die Liebe".
Berlin 2003: Kühl und abweisend – das ist Jenny, die Schlagzeugerin, die Jupp bei einem Casting kennen lernt. Jupp, mit Leib und Seele E-Gitarrist und nebenbei auch Student, bleibt aber hartnäckig und ergattert Jennys Handynummer. Doch dann gerät er schneller als ihm lieb ist in das Chaos ihres Lebens. Jennys Mutter ist verschollen, und als sie nun auch noch herausfindet, dass ihr Vater gar nicht ihr Vater ist, bricht ihre Welt zusammen. Jetzt will sie endlich die ganze Wahrheit herausbekommen, und Jupp soll ihr dabei helfen.
Und damit kommt in Reinhold Zieglers "Jenny, die Mauer und die Liebe" auch die Mauer ins Spiel. Denn die Geschichte ihrer Eltern, die Jenny dem falschen Vater mühsam abringt, spielt 1984, zur Zeit des Kalten Krieges. Es ist, man kann es sich schon denken, eine dramatische Geschichte zwischen Berlin-West und Berlin-Ost, von großer Liebe und riskanter Flucht, von Elternglück und Tod der Mutter.
Reinhold Zieglers neuer Jugendroman beginnt mit einer eindringlichen Szene: Jupp hört auf seiner Fahrt nach Berlin nachts im Autoradio wummernde Rockmusik, unterbrochen von den aggressiv-staccatoartigen Statements eines zynischen Moderators. Dieser Mann reizt Jupp, fordert ihn heraus, macht ihn neugierig. Und dann verliebt er sich Hals über Kopf zufällig in Jenny, dessen Tochter.
In diesem Tempo geht es weiter, die Ereignisse überschlagen sich geradezu. Zwar wirkt die Story manchmal ein wenig unwahrscheinlich, am Schluss sogar – mit ihrem Happyend - ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Dafür überzeugt Reinhold Zieglers Roman aber durch eigenwillige Figuren, durch atmosphärisch dichte Schilderungen Berlins und vor allem durch eine nervöse, mitreißende Sprache.
Im Grunde sind sie wie Feuer und Wasser, die unberechenbare, katzige, chaotische Jenny und der sensible Jupp, ein kluger Beobachter, der lieber zuhört als redet und sich so seine Gedanken macht über Musik und Kunst, das Leben und die Liebe. Dritter im Bunde ist Pit, Jennys Vater, ein bissiger Melancholiker, unter dessen harter Schale bald das weiche Herz durchschimmert. Das alles ist vielleicht ein wenig klischeehaft angelegt, wird aber aufgewogen durch Zieglers ganz eigene, unverbrauchte Sprache.
Aus Jupps Perspektive, in der Ich-Form, erzählt Ziegler mal schnoddrig und witzelnd, dann wieder voller Ernst und Hingabe von einer großen Liebe mit allen Höhen und Tiefen. Von Sehnsucht und Zorn, von Zweifeln und Zärtlichkeit. Sein klarer Kopf und sein schräger Blick bewahren Jupp meist vor Sentimentalität. Und schrammt er doch mal hart daran vorbei, so findet er viel häufiger berührende Formulierungen und poetische Bilder für seine Gefühle und Beobachtungen.
Reinhold Zieglers "Jenny, die Mauer und die Liebe" entwickelt seinen ganz eigenen Charme unter anderem aus zwei Elementen, die im Hintergrund permanent präsent sind: Zum einen die Großstadt Berlin mit ihrem gerade in den Außenbezirken bunt pulsierenden Leben. Und dann die Musik, die Jupp und Jenny miteinander hören oder machen. Durch die Musik lernen sie sich kennen, in der Musik sehen sie ihre berufliche Zukunft, trommelnd oder improvisierend drücken sie ihre Empfindungen aus. Der Roman wirkt selbst wie eine Mischung aus Pop-Song und Blues. Kratzig, frech, beschwingt, dann wieder melancholisch oder sogar ein wenig pathetisch. Mal cool und selbstironisch, dann wieder ernst und nachdenklich.
"Aber auf einmal, in irgendeiner Sternstunde deines Lebens, triffst du auf ein Buch oder auf einen Menschen und du spürst, das ist genau das, was du gerade in diesem Augenblick für dein Leben brauchst " stellt Jupp einmal fest. "Jenny, die Mauer und die Liebe" könnte so ein Buch sein, eines, das vielleicht nicht allen literaturkritischen Maßstäben standhält, das den Leser aber trifft, bewegt und beschwingt. Und was wollen jugendliche Leser mehr?
Rezensiert von Sylvia Schwab
Reinhold Ziegler: Jenny, die Mauer und die Liebe
Überreuther Verlag, Wien 2006
192 Seiten, 12,95 Euro
Und damit kommt in Reinhold Zieglers "Jenny, die Mauer und die Liebe" auch die Mauer ins Spiel. Denn die Geschichte ihrer Eltern, die Jenny dem falschen Vater mühsam abringt, spielt 1984, zur Zeit des Kalten Krieges. Es ist, man kann es sich schon denken, eine dramatische Geschichte zwischen Berlin-West und Berlin-Ost, von großer Liebe und riskanter Flucht, von Elternglück und Tod der Mutter.
Reinhold Zieglers neuer Jugendroman beginnt mit einer eindringlichen Szene: Jupp hört auf seiner Fahrt nach Berlin nachts im Autoradio wummernde Rockmusik, unterbrochen von den aggressiv-staccatoartigen Statements eines zynischen Moderators. Dieser Mann reizt Jupp, fordert ihn heraus, macht ihn neugierig. Und dann verliebt er sich Hals über Kopf zufällig in Jenny, dessen Tochter.
In diesem Tempo geht es weiter, die Ereignisse überschlagen sich geradezu. Zwar wirkt die Story manchmal ein wenig unwahrscheinlich, am Schluss sogar – mit ihrem Happyend - ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Dafür überzeugt Reinhold Zieglers Roman aber durch eigenwillige Figuren, durch atmosphärisch dichte Schilderungen Berlins und vor allem durch eine nervöse, mitreißende Sprache.
Im Grunde sind sie wie Feuer und Wasser, die unberechenbare, katzige, chaotische Jenny und der sensible Jupp, ein kluger Beobachter, der lieber zuhört als redet und sich so seine Gedanken macht über Musik und Kunst, das Leben und die Liebe. Dritter im Bunde ist Pit, Jennys Vater, ein bissiger Melancholiker, unter dessen harter Schale bald das weiche Herz durchschimmert. Das alles ist vielleicht ein wenig klischeehaft angelegt, wird aber aufgewogen durch Zieglers ganz eigene, unverbrauchte Sprache.
Aus Jupps Perspektive, in der Ich-Form, erzählt Ziegler mal schnoddrig und witzelnd, dann wieder voller Ernst und Hingabe von einer großen Liebe mit allen Höhen und Tiefen. Von Sehnsucht und Zorn, von Zweifeln und Zärtlichkeit. Sein klarer Kopf und sein schräger Blick bewahren Jupp meist vor Sentimentalität. Und schrammt er doch mal hart daran vorbei, so findet er viel häufiger berührende Formulierungen und poetische Bilder für seine Gefühle und Beobachtungen.
Reinhold Zieglers "Jenny, die Mauer und die Liebe" entwickelt seinen ganz eigenen Charme unter anderem aus zwei Elementen, die im Hintergrund permanent präsent sind: Zum einen die Großstadt Berlin mit ihrem gerade in den Außenbezirken bunt pulsierenden Leben. Und dann die Musik, die Jupp und Jenny miteinander hören oder machen. Durch die Musik lernen sie sich kennen, in der Musik sehen sie ihre berufliche Zukunft, trommelnd oder improvisierend drücken sie ihre Empfindungen aus. Der Roman wirkt selbst wie eine Mischung aus Pop-Song und Blues. Kratzig, frech, beschwingt, dann wieder melancholisch oder sogar ein wenig pathetisch. Mal cool und selbstironisch, dann wieder ernst und nachdenklich.
"Aber auf einmal, in irgendeiner Sternstunde deines Lebens, triffst du auf ein Buch oder auf einen Menschen und du spürst, das ist genau das, was du gerade in diesem Augenblick für dein Leben brauchst " stellt Jupp einmal fest. "Jenny, die Mauer und die Liebe" könnte so ein Buch sein, eines, das vielleicht nicht allen literaturkritischen Maßstäben standhält, das den Leser aber trifft, bewegt und beschwingt. Und was wollen jugendliche Leser mehr?
Rezensiert von Sylvia Schwab
Reinhold Ziegler: Jenny, die Mauer und die Liebe
Überreuther Verlag, Wien 2006
192 Seiten, 12,95 Euro