"No Man's Land"

Das feministische Album des Frank Turner

07:22 Minuten
Musiker Frank Turner
Der Musiker Frank Turner hat ein Album über Feminismus gemacht. © Universal Music
Von Kerstin Poppendieck · 16.08.2019
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13 Lieder über 13 Frauen mit unglaublichen Lebensläufen. Das ist die Idee für ein Album, das der britische Musiker Frank Turner eingespielt hat. "No Man's Land" ist inspirierend und musikalisch gelungen, meint unsere Kritikerin.
"Am Anfang wollte ich einfach nur ein Album schreiben, das Geschichten erzählt. Dabei sollte es ursprünglich gar nicht um Frauen gehen. Ich wollte einfach meine Liebe zur Geschichte und meine Liebe zur Musik verbinden."
13 Lieder über 13 Frauen mit unglaublichen Lebensläufen, die bisher allerdings wenig bis gar keine öffentliche Aufmerksamkeit bekommen haben. Das ist die Idee eines Konzeptalbums, das Frank Turner eingespielt hat.
"Ich habe ein Lied über Dora Hand geschrieben, weil ich von ihr in einem Buch gelesen hatte. Was für eine verrückte, wilde Geschichte. Ich konnte gar nicht glauben, dass noch niemand vor mir einen Song über sie geschrieben hatte. Also habe ich erst mal angefangen so viel wie möglich über sie herauszufinden."

Dora Hand, versehentlich erschossen

Die Amerikanerin Dora Hand war Mitte des 20. Jahrhunderts eine singende Sensation in den Bars der Wild West Stadt Dodge City. Sie war nicht nur eine außergewöhnliche Sängerin, sie war auch berühmt für ihre Großzügigkeit. Bis eines Tages ein Ganove den Bürgermeister der Stadt erschießen wollte, versehentlich aber Dora Hand traf und tötete.
In den 13 Songs erzählt Frank Turner in bester Troubadour Manier unter anderem die Geschichte einer vermeintlichen Hexe, einer verkannten Ehefrau, die hinter dem Erfolg des Ehemannes steckte, den berühmten Dichter William Blake, oder die einer fünffachen Mörderin und der Frau, deren Gesicht bis heute weltweit als Modell für medizinische Reanimationsübungspuppen genutzt wird. Alles filmreife Geschichten, die aber bisher kaum jemand erzählt hat.
Was musikalisch auf dem Album zu hören ist, wird eingefleischte Turner-Fans manchmal überraschen. Es gibt auch die gewohnten eingängigen Folk-Songs mit Punk-Attitüde. Aber stellenweise begibt er sich auch heraus aus seiner musikalischen Komfortzone. Turner und Jazz, das gab es bisher noch nicht - oder auch Turner und Bluegrass.

Überraschend und inspirierend

Auch musikalisch hat sich Turner bei seinen Songs von Frauen inspirieren lassen. Zum Beispiel beim Lied über Nica Rothschild, die in den 1950ern und 60ern eine Jazz-Mäzenin war.
"Für dieses Lied habe ich versucht, mir einige Thelonious Monk Akkorde beizubringen, weil Nica Rothschild viel Zeit mit ihm verbracht und ihn finanziell unterstützt hat. Deshalb dachte ich, es wäre doch ganz schön, ein paar solcher Akkorde einzubauen."
Frank Turner hatte sich auf viele Diskussionen eingestellt, warum sich ausgerechnet ein Mann einbildet, ein Album über Frauen schreiben zu können. Die Antwort, die er sich zurecht gelegt hatte: Wenn es keine Frau macht, dann wäre es doch besser, ein Mann würde dieses Album schreiben, als dass diese Frauen weiterhin in der Vergessenheit blieben. Aber diese Diskussionen gab es nicht. Vielleicht auch, weil der Albumtitel "No Man's Land" wortwörtlich zu verstehen ist, denn außer Frank Turner sind alle anderen Musikerinnen auf diesem Album und auch die Produzentin Frauen.

"Catherine Marks ist eine unglaubliche Produzentin. Mit ihr zusammenarbeiten zu können, war eine großartige Chance. Aber ja, ich hatte alles versucht, eine weibliche Produzentin zu finden, einfach weil ich die Vorstellung schräg fand, dass da zwei Männer in einem dunklen, fensterlosen Raum sitzen und Lieder über Frauen diskutieren. Das hat sich irgendwie falsch angefühlt. Als ich dann Cathrine gefunden hatte, war das, als hätte sie der Himmel geschickt. Sie ist eine der besten Produzentinnen weltweit. Und das ist am Ende weitaus wichtiger als irgendein Geschlecht."
Independent Venue Week Liverpool im Oktober 2017
Der Singer-Songwriter Frank Turner in einem Club während der Independent Venue Week Liverpool im Oktober 2017.© imago/ZUMA Press
Frank Turners Album "No Man's Land" ist, als würde man in einem Buch mit fesselnden, unbekannten Biografien stöbern. Jede einzelne überraschend und inspirierend. Für mich ist Frank Turner einer der engagiertesten und meinungsstärksten Musiker. Auf diesem Album zeigt er aber zusätzlich, dass seine musikalische Bandbreite viel größer ist, als wir bisher von ihm gehört haben.
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