Nipah-Virus

Was man über die Zoonose wissen muss

Eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Nipah-Virus (gelb), das sich von der Oberfläche einer Zelle löst.
Extrem gefährlich: Im indischen Kerala wird mit strikten Maßnahmen gegen das Nipah-Virus (auf dieser mikroskopischen Aufnahme gelb gefärbt) vorgegangen. © picture alliance / BSIP / NIH / IMAGE POINT FR
23.07.2024
In der Region Kerala ist ein 14-jähriger Junge am Nipah-Virus gestorben. Die Behörden in Indien untersuchen Kontaktpersonen. Warum derzeit keine Pandemie wegen der Zoonose droht, aber das Virus trotzdem gefährlich ist.
Nach dem Tod eines 14-Jährigen durch das Nipah-Virus im südindischen Kerala untersuchen die Behörden dessen Kontaktpersonen. Einige der insgesamt 350 Menschen zeigen dem zuständigen Gesundheitsministerium zufolge Symptome. Wie die Zeitung „The Hindu“ berichtet, hatte der Junge angegeben, Pflaumen von einem Grundstück gegessen zu haben, das durch den Kot von Flughunden verunreinigt war. Das könnte nach vorläufigen Untersuchungen die Infektionsquelle sein.
In Kerala gab es schon mehrmals lokal begrenzte Nipah-Ausbrüche. Zuletzt wurde im September 2023 ein strikter Lockdown verhängt. Schulen und Märkte wurden geschlossen, Versammlungen verboten und teilweise Straßensperren errichtet.

Was ist das Nipah-Virus?

Das Nipah-Virus ist bereits seit rund 25 Jahren bekannt und trat zuerst in Malaysia im Dorf Nipah auf, nachdem das Virus benannt ist. Der Erreger gilt als extrem gefährlich, die Sterberate ist hoch. Das Nipah-Virus wird in der Regel von Flughunden und bestimmten Fledermäusen übertragen.
Auch die Infektion von Menschen durch Schweine hat es in der Vergangenheit gegeben. Zur Übertragung kann es zudem durch kontaminierte Lebensmittel wie Obst oder rohen Palmsaft kommen – etwa wenn der Urin von infizierten Tieren auf Früchten landet, die Menschen essen.
Das Nipah-Virus ist eine klassische Zoonose, bei der der Erreger vom Tier zum Menschen überspringt. Ist ein Mensch infiziert, kann er wiederum auch andere Menschen anstecken. Allerdings braucht es für die Übertragung des Nipah-Virus von Mensch zu Mensch einen sehr engen Kontakt. Tückisch ist die lange Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit. Bis zu 45 Tagen kann die Inkubationszeit dauern.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt das Virus als gefährlichen Krankheitserreger, der – ebenso wie etwa das Ebola-Virus oder SARS-CoV-2 – als Auslöser großer Epidemien oder Pandemien infrage kommen könnte.

Welche Symptome hat das Nipah-Virus und was kann man tun?

Zu den Symptomen einer Ansteckung mit dem Nipah-Virus zählen hohes Fieber, Erbrechen und Atemwegsinfektionen. In schweren Fällen treten eine Entzündung des Gehirns und Krampfanfälle auf, die innerhalb von 24 bis 48 Stunden in ein Koma übergehen. Die Sterblichkeitsrate liegt laut Weltgesundheitsorganisation bei 40 bis 75 Prozent – je nach dem, wie gut eine Region im Umgang mit dem Virus ist.
Derzeit können bei Infizierten nur die Symptome behandelt werden. Einen Impfstoff gibt es bisher nicht und auch keine wirksamen Medikamente. Das ist der Grund, warum die Behörden in Indien betroffene Regionen teils rigoros abriegeln. Bei Ausbrüchen in der Vergangenheit wurden ganze Herden von infizierten Tieren getötet, was zu erheblichen Verlusten für die betroffenen Landwirte geführt hat.

Gefahr einer Nipah-Virus-Pandemie gering

Nipah ist in Indien nicht unbekannt. In den vergangenen Jahren gab es schon einige Ausbrüche in Kerala. Beim ersten Ausbruch 2018 starben 21 von 23 Infizierten. Die Region konnte aber die Infektionsketten durchbrechen und mit strengen Lockdowns in den Griff bekommen.
Derzeit besteht keine erhöhte Gefahr durch das Virus. Doch ist Aufmerksamkeit geboten, auch weil Kerala eine Urlaubsgegend ist. Der Erreger werde wohl nicht die nächste Pandemie auslösen, sagen Experten.
Insgesamt gilt: Das Pandemierisiko steigt. Zoonosen gab es zwar schon immer. Doch steigen deren Gefahr und deren Ausbereitung, denn der Mensch wird immer mobiler und verdrängt zunehmend Tiere aus ihrem Lebensraum.
Laut einer im Jahr 2018 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Schätzung gibt es weltweit 1,7 Millionen unbekannte Viren in Säugetieren und Vögeln. 540.000 bis 850.000 von ihnen haben das Potenzial, Menschen zu infizieren.

Martin Mair, nho
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