Niedersachsens Regierung will nicht auf Option Gorleben verzichten

Stefan Birkner im Gespräch mit Ute Welty · 03.01.2012
Für eine ergebnisoffene Erkundung des Salzstocks von Gorleben ist der designierte niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner (FDP). Bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll müsse nach geologischen, nicht nach politischen Gesichtspunkten entschieden werden.
Ute Welty: 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm Arsen – so die Angaben der Atomgegner. Und das wäre eine tödliche Mischung, die dem designierten niedersächsischen Umweltminister zu Füßen liegt, nämlich Stefan Birkner. Guten Morgen!

Stefan Birkner: Ja, guten Morgen!

Ute Welty: Da Sie ja bereits seit vier Jahren Staatssekretär im Umweltministerium sind, wissen Sie längst, wovon die Rede ist: vom Atommülllager Asse. Da sind die Fässer undicht, da dringt Wasser ein, und allein schon die Probebohrungen für eine mögliche Räumung verzögern und verzögern sich. Wie sieht Ihr Plan aus, wenn so dringend was passieren muss?

Birkner: Also zunächst einmal muss man die Rollenverteilung dabei klären. Das Lager Asse, die Schachtanlage Asse II, die steht in Verantwortung des Bundesamtes für Strahlenschutz, und insofern hat das Bundesamt hier auch entsprechende Planungen, die wir auch ausdrücklich unterstützen, vorgelegt, nämlich die Fässer, also diese 126.000 Fässer, von denen man ausgeht, hier aus der Asse wieder rauszubergen. Und das ist auch ausdrücklich unser politisches Interesse, dass das gelingt.

Ute Welty: Wie realistisch ist das denn überhaupt noch, die Asse räumen zu können, kann es nicht sein, dass einem quasi alles, was da unten liegt, unter den Händen zerbröselt?

Birkner: Das genau muss man jetzt versuchen, zunächst einmal herauszufinden, indem man zunächst einmal Erkundungsbohrungen macht, also sprich zwei Kammern hat sich das Bundesamt für Strahlenschutz vorgenommen.

Ute Welty: Auf die hat man ja vorsichtshalber im letzten Jahr erst mal verzichtet.

Birkner: Ja, weil wohl organisatorische Voraussetzungen noch zu schaffen waren. Also es ist nicht so, dass das jetzt irgendwie im Grundsatz infrage gestellt wäre, sondern dies jetzt auf das erste Quartal diesen Jahres verschoben wurde, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dies auch sicher zu tun. Denn es müssen ja auch entsprechende Sicherheitsanforderungen für das Personal gegeben sein, damit dort auch für diese Menschen keine Gefährdung eintreten kann. Insofern, um auf die Frage zurückzukommen: Es geht zunächst mal darum, die Kammern anzubohren und sich sozusagen zu vergewissern, in welchem Zustand befinden sich denn zum einen die Kammern, zum anderen aber eben auch die eingelagerten Abfälle, um dann zu konkretisieren, ob und inwieweit eine Rückholung dann tatsächlich möglich ist.

Ute Welty: Es gibt Gerüchte, dass in der Asse neben dem Atommüll auch Kadaver lagern aus Tierversuchen mit Radioaktivität.

Birkner: Oh, es hat sicher im Laufe der Zeit – wir haben ja derzeit auch einen Untersuchungsausschuss zur Asse im niedersächsischen Landtag laufen – zahlreiche Gerüchte gegeben über mögliche Inhalte der Asse. Also insofern ausschließen will ich gar nichts, das ist ein ja über Jahrzehnte laufender Prozess gewesen, auch was die Einlagerung angeht, aber zu dramatisieren gibt es dann über das hinaus, was man weiß an Radioaktivität, was Sie auch im Hinblick auf die Zusammensetzung gesagt haben, gibt es da keine Veranlassung.

Ute Welty: Mit was rechnen Sie denn, was da unten liegt, denn bisher hat es ja quasi bei jedem Nachschauen eine böse Überraschung gegeben?

Birkner: Na ja, so richtig nachgeschaut hat man ja noch nicht. Also ein Blick in die Kammern ist ja eben gerade noch nicht gemacht worden, und was man bisher versucht hat, ist, anhand der Dokumentationen, die dann für den überwiegenden Teil der Einlagerungszeit ja vorhanden sind, anhand der Dokumentation hat man versucht nachzuvollziehen, was dort konkret eingelagert wurde und in welchem Zustand möglicherweise die Abfälle sind. Und insofern gehe ich davon aus, dass dort diese verschiedenen Abfälle aus verschiedenen Herkunftsquellen entsprechend der Dokumentation auch eingelagert sind, sodass man zumindest ungefähr weiß, was sich dort befindet.

Ute Welty: Neben der Asse bleibt das Sorgenkind Gorleben. Jetzt sagen Atomkraftgegner, in Gorleben werde unter Tage längst ein Endlager gebaut, das habe Bundesumweltminister Röttgen selbst zugegeben, und damit verstoße der Bund gegen geltendes Recht. Können Sie das im Interesse von Niedersachsen einfach so stehen lassen?

Birkner: Nein, natürlich nicht. Die Position der niedersächsischen Landesregierung ist, dass eine ergebnisoffene Erkundung in Gorleben zu erfolgen hat. Und das ist auch, insofern wir das aus den bergrechtlichen Verfahren, aus den Aufsichtsverfahren, die ja dann durch die Landesbehörden geführt werden, beurteilen können, auch der Fall.

Ute Welty: Röttgen sprach explizit von "einem Bauwerk, das den Anschein erwecken könnte, dass über Untersuchungen hinaus sozusagen ein Endlager vorbereitet werde. Was ist denn daran misszuverstehen, außer dass sich der Amtskollege ziemlich kompliziert ausdrückt?

Birkner: Ja, ich war auch dabei, als er dies gesagt, das war in Berlin bei den Gesprächen zum weiteren Fortgang des Endlagersuchgesetzes. Ich denke, so mein Verständnis, dass es hier darum geht, genau diesen Bedenken, die ja schon seit Jahren und Jahrzehnten von Kritikern der Erkundungsarbeiten vorgetragen werden, hier dem zu begegnen. Insofern spricht er ja auch nicht von einem Ausbau, sondern von dem Anschein eines Ausbaus …

Ute Welty: Also steht da unten jetzt was oder steht da unten jetzt nichts?

Birkner: Na ja, da unten sind natürlich Strecken aufgefahren, wie das heißt, für Erkundungstätigkeiten – das ist unsere Auffassung, Sie haben es gesagt, andere sehen das anders –, aber im Ergebnis ist unsere politische Position klar: Es darf keine Vorwegnahme irgendwelcher Dinge geben, es dürfen keine Fakten geschaffen werden, die dann am Ende dazu führen, dass es so oder so dann der Salzstock in Gorleben werden soll, sondern da muss klar sein, dass das ergebnisoffen erkundet wird, und zwar auch im Hinblick auf andere alternative Standorte, die künftig jetzt betrachtet werden sollen. Auch da steht die Ergebnisoffenheit deutlich im Vordergrund, alles andere ist völlig inakzeptabel – ich denke nicht nur für die niedersächsische Landesregierung, sondern für jede Landesregierung, die von solchen Standorten, solchen Erkundungsorten dann betroffen sein kann.

Ute Welty: Die SPD legt uns heute früh über die "Süddeutsche Zeitung" ein Konzept vor, das Gorleben ausschließt, das müsste doch Wasser auf Ihren Mühlen sein?

Birkner: Ja, da schlagen zwei Herzen in einer Brust. Zum einen natürlich die Annahme, dass wenn Gorleben ausgeschlossen werden könnte, man in Niedersachsen einen über Generationen und über Jahrzehnte anhaltenden Streitpunkt quasi befriedet hätte oder aus der Welt geschafft hätte. Auf der anderen Seite stehen wir aber alle – das gilt auch für die SPD, das gilt auch für alle anderen Länder – in einer Verantwortung, mit dem nuklearen Abfall dauerhaft verantwortungsvoll umzugehen. Und da tue ich mich schwer, vor diesem Hintergrund einfach einen Standort, den man angefangen hat zu erkunden, jetzt auszuschließen, obwohl das gilt, was im Jahr 2000 auch von SPD und Grünen im Endlagerkonsens oder im Energiekonsens damals mit den Energieversorgern vereinbart worden war, nämlich dass sich keine Erkenntnisse bisher ergeben haben, die gegen eine Eignung des Salzstockes in Gorleben als Endlager, als möglichen Endlagerstandort bisher sprechen.

Und dann einen Standort, bei dem man eben bisher keine Erkenntnisse hat, dass er dafür nicht infrage kommt, einfach auszuschließen, birgt für mich die Gefahr in sich, dass auch an anderen Standorten, wo eben entsprechende geologische Formationen sein könnten, die geeignet sein könnten, eine Erkundung am Ende nicht möglich sein wird, wenn man eben aus politischen Gründen und eben nicht aus geologischen Gründen, sondern aus politischen Gründen einen Standort für erledigt erklärt. Deshalb habe ich ein erhebliches Problem mit einer solchen Position, weil sie am Ende das Problem nur an andere Orte oder an weitere Orte verschiebt, wo es dann auch nicht zur Lösung kommen kann, weil dort den Menschen das dann auch nicht zugemutet werden kann. Ich glaube, hier muss man schon noch mal drüber sprechen, wie weit diese Verantwortung denn am Ende trägt, das Problem tatsächlich voranzubringen.

Ute Welty: Verantwortung trägt er ab dem 18. Januar, dann ist Stefan Birkner Umweltminister in Niedersachsen und jetzt schon dick im Thema drin. Ich danke für dieses Gespräch hier im Deutschlandradio Kultur.

Birkner: Danke auch!

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