Niebel: Wir sind nicht die "Steigbügelhalter" für Rot-Grün

Moderation: Birgit Kolkmann |
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat einem Bündnis aus SPD, Grünen und Liberalen in Hessen erneut eine Absage erteilt. Angesichts des Wahlergebnisses habe die CDU den Auftrag, eine Regierung zu bilden, sagte Niebel. Die hessische FDP werde nicht den "Steigbügelhalter" für Rot-Grün spielen.
Birgit Kolkmann: Ein bisschen enttäuscht klang Jörg-Uwe Hahn gestern nach dem Flug von Frankfurt nach Berlin dann doch. "Sie hat mich nicht etwa bei Seite genommen und gesagt, wir müssen mal miteinander reden", berichtete der hessische FDP-Vorsitzende. "Das ganze Ampel-Gerede der SPD ist nur Show", so sein Fazit, nachdem er mit Andrea Ypsilanti in einer Reihe im Flugzeug gesessen hatte. Weder sie noch Roland Koch können nach der Hessen-Wahl eine Mehrheit aufweisen – weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün. Aber Ypsilanti würde wahrscheinlich von den Abgeordneten der Linkspartei zur Ministerpräsidentin gewählt. Diese Chance hat Roland Koch nicht. Die FDP aber hätte die Chance, mit SPD und Grünen eine Ampelkoalition zu machen und endlich einmal wieder mitzuregieren nach all den guten Wahlergebnissen der letzten Zeit. – Dirk Niebel, wollen Sie wirklich nicht, oder zieren Sie sich noch?

Dirk Niebel: Einen wunderschönen guten Morgen! – Jörg-Uwe Hahn war deshalb etwas irritiert, weil es hier auch um Stilfragen geht, ob man übereinander redet oder miteinander, und wenn im Wahlkampf dann ständig gesagt wird na ja, die FDP wird schon umfallen, dann mag das vielleicht noch hingenommen werden, aber wenn dann hinterher immer noch nicht geglaubt wird, dass es eine Partei in Deutschland gibt, die auch nach der Wahl das macht, was sie vor der Wahl den Bürgern versprochen hat, dann ist das schon eine sehr stillose Angelegenheit. Und ich muss auch ehrlich sagen, dass man kritisiert wird dafür, dass man sich an Wahlversprechen hält, das ist tatsächlich eine neue Qualität.

Kolkmann: Also Sie wollen auf gar keinen Fall als Umfaller-Partei dastehen. Sie als Generalsekretär der FDP haben aber ja schon ein Wörtchen mitzureden, in welchen Koalitionskonstellationen man sich dann vielleicht wieder findet. War denn Jörg-Uwe Hahn gestern ein bisschen enttäuscht, dass er nicht angesprochen wurde im Flieger von Frau Ypsilanti?

Niebel: In der FDP ist es schon immer so gewesen, dass die Regierungsentscheidungen der Landesverbände autark getroffen werden und dass die Bundespartei dort nicht reinredet. Das ist eine einstimmige Entscheidung der FDP in Hessen gewesen, schon übrigens vor der Wahl, sich genau so zu positionieren, dass man nicht den Steigbügelhalter für Rot-Grün spielt. Es ist ja übrigens auch so, dass wir – Entschuldigung! – die Wahl gewonnen haben. Die FDP ist deutlich stärker geworden als die Grünen, die immerhin ein Viertel ihrer Wählerschaft verloren haben. Die CDU ist zwar knapp, aber trotzdem stärker als die SPD, so dass hier ein ganz klarer Wählerauftrag gegeben worden ist. Dann muss sich die Grüne Partei zum Beispiel auch mal die Frage gefallen lassen, ob sie denn nun eine Partei der Mitte sein will, oder ob sie eine linke Partei ist. Solange die ihre Flügelkämpfe nicht in den Griff kriegen, haben wir eigentlich keine Veranlassung, über inhaltliche Punkte mit denen zu sprechen. Da gibt es natürlich No-Go-Bereiche.

Kolkmann: Nun spiegelt sich ja der Wählerauftrag natürlich auch in der Besetzung des Landtages, wenn ich das mal so sagen darf. Da würde dann aber Schwarz-Gelb keine Mehrheit bekommen, weil dort doch so viele Linke sitzen und die würden offenbar oder doch sehr wahrscheinlich Roland Koch als Ministerpräsidenten dann nicht mitwählen.

Niebel: Dann müsste Frau Ypsilanti als Ministerpräsidentin-Kandidatin antreten.

Kolkmann: Das wird sie doch sicher tun oder?

Niebel: Das weiß ich nicht. Das müssen Sie Frau Ypsilanti fragen. Öffentlich verkündet sie ja, sie würde sich nicht mit den Stimmen der Kommunisten wählen lassen, die ja durch den Linksruck der SPD überhaupt erst die Möglichkeit hatten, in westdeutsche Parlamente einzuziehen. Es ist ja bemerkenswert, dass der Linksdrall und die Abwicklung der Schröder-Agenda tatsächlich die Tür geöffnet hat für die Kommunisten in den Parlamenten und dass die SPD mit ihrer Strategie eben diese Partei am linken Spektrum überhaupt nicht in den Griff bekommen hat. Das ist ein Problem, das die SPD lösen muss. Wir sind hier klar mit unseren Aussagen, weil wir für Hessen eine Politik gestalten wollten, die das Land zukunftsfähig aufbaut. Das sind drei wesentliche Kernbereiche, nämlich einmal der Ausbau des Frankfurter Flughafens, der weit über Hessen wichtig ist, zum anderen ein vernünftiger Energiemix, der einem Industriestandort gerecht wird, mit regenerativen Energien, aber ausdrücklich auch mit der friedlichen Nutzung der Kerntechnologie, und drittens und völlig wichtig ein Bildungssystem, das Chancengerechtigkeit schafft, also kein Einheitsschulsystem wie es von SPD und Grünen gefordert wird.

Kolkmann: Jetzt haben Sie alles schon aufgezählt, was dann unterm Strich heißt "No Go" mit der SPD. Nun haben Sie sich gestern glaube ich ziemlich ruppig geäußert und gesagt, Sie sind nun ganz schön genervt und es geht Ihnen auf den Zeiger dieses Anschleimen der SPD. Ist es denn nicht schön, umworben zu werden, gebraucht zu werden?

Niebel: Das ist immer eine Frage des Stils. Wissen Sie, Zwangsehen sind zum Glück verboten in Deutschland.

Kolkmann: Ja wer schleimt denn da eigentlich?

Niebel: Und wenn die SPD ständig sagt, die FDP müsse sich bewegen: Entschuldigung! Was bei der SPD als gradlinig gilt, wird bei uns als stur angesehen. Das ist geradezu lächerlich! Wenn es um staatsbürgerliche Pflichten geht, wie es Herr Beck erzählt, dann müsste Herr Wowereit in Berlin auch mit den Grünen regieren und nicht mit den Kommunisten.

Kolkmann: Nun gibt es ja auch in der FDP durchaus schon Stimmen die sagen, man sollte die Koalitionsfrage mal jetzt besser offen halten – also vor 2009 vor der Bundestagswahl. Das sagt zum Beispiel die ehemalige Generalsekretärin Cornelia Pieper, auch der JuLi-Chef oder das Vorstandsmitglied Löning. Haben die nichts zu sagen?

Niebel: Das ist überhaupt keine Veränderung unserer bisherigen Strategie. Wir haben immer gesagt, Koalitionsfragen beantwortet man dann, wenn sie sich stellen, und das ist unmittelbar vor einer Wahl.

Kolkmann: Aber Sie sagen doch jetzt immer, wir wollen nur mit der CDU und das ist schon mal klar.

Niebel: Ich rede über Hessen. Was wir bei der Bundestagswahl machen, werden wir vor der Bundestagswahl sagen, genauso wie wir das bei anderen Wahlen auch gemacht haben. Das ist also überhaupt keine neue Strategie. Auch die Kollegin Landesvorsitzende Pieper aus Sachsen-Anhalt hat ja ihre Erfahrungen gemacht mit der Frage, wie es ist, was man vor der Wahl sagt und was man hinterher macht. Deswegen ist es gut, dass wir hier so klar sind in Hessen.

Kolkmann: Nun reden Sie ja doch nicht nur über Hessen, weil Sie sagen, wir wollen gerne diese schwarz-gelbe Koalition, weil man ja sieht: in Niedersachsen da klappt das.

Niebel: Ja. In Niedersachsen haben wir ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man auch in einem Fünf-Parteien-System stabile Zweierkoalitionen hinkriegt, wenn man ein gutes politisches Angebot hat. Wir haben in Niedersachsen seit 45 Jahren das beste Wahlergebnis bekommen. Wir sind in beiden Wahlen drittstärkste Kraft geworden. Das motiviert uns, mit Inhalten um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger zu werben und nicht einfach auf Koalitionsaussagen hinzuschielen, sondern tatsächlich zu sagen: was wollen wir politisch inhaltlich für die Menschen bewegen. Das ist offenkundig angekommen. Andere waren da wohl unklarer und haben deswegen verloren.

Kolkmann: Nun ist ja Niedersachsen nicht Hessen. Jetzt rutschen wir auf der Landkarte noch ein bisschen weiter nach oben: nach Norden, nach Hamburg. Da wird am 24. Februar gewählt. Nun sagen ja die Hessen, jetzt warten wir mal, bis da gewählt ist und danach bewegt sich die FDP nämlich doch.

Niebel: Sehen Sie und das ist genau das was ich meine. Uns wird unterstellt, wir seien nur aus taktischen Gründen der Ansicht, man soll nicht mit der SPD zusammenarbeiten.

Kolkmann: Nun ist ja die FDP in der Vergangenheit gelegentlich durchaus taktisch gewesen!

Niebel: Nun haben wir nach der Bundestagswahl 2005 gezeigt, dass wir auch auf Dienstwagen verzichten können. Sie erinnern sich vielleicht an den bemerkenswerten Fernsehabend mit Herrn Schröder. Wir hätten alles haben können, was wir hätten haben wollen, aber die Inhalte haben nicht gepasst und dabei bleiben wir dann auch mal ein bisschen. Die Inhalte sind das für uns Entscheidende und deswegen sage ich klipp und klar: die guten Wahlergebnisse in Hessen und Niedersachsen sind die Startrampe für ein vernünftiges Ergebnis in Hamburg und ich glaube, dass Ole von Beust durchaus auch in der Lage ist zu bewerten, was dort passiert ist. Die Frage einer bürgerlichen Mehrheit für die freie und Hansestadt Hamburg macht sich auch an Inhalten fest – denken Sie nur mal an die Infrastrukturmaßnahmen rund um den Hamburger Hafen, an das Stichwort Elbvertiefung. Alles Dinge, die sie mit Sicherheit mit einer linken Mehrheit nicht hinkriegen.