Nie wieder Auslegeware

Von Aygül Cizmecioglu |
Billige Auslegeware, langweilige Farben und eine Todsünde für jedes abgeschliffene Grätenparkett - der Teppichboden. Dass er auch flauschig, stilvoll und äußerst teuer sein kann, beweisen die Kreationen von Jürgen Dahlmanns. Der Berliner Designer entwirft exklusive Teppiche, die man wahrlich nicht unter dem Sofa verstecken muss.
Dahlmanns: "Grasgrün - Sonnengelb - Apfelsinenorange"

... sind alle seine Farben. Mit einem extrastarken Kaffee und Bach-Klängen im Hintergrund sitzt Jürgen Dahlmanns an seinem Computer - zeichnet, mischt Farbtöne, blättert ab und an durch Ordner und Kataloge.

Ein paar Sonnenstrahlen dringen durch die großen Fenster, hinein in sein Atelier in Berlin-Mitte. Statt kreativem Chaos herrscht angenehme Ordnung in dem verwinkelten Raum mit den hohen Decken - keine herumfliegenden Entwürfe oder Wollproben. Stattdessen flauschige Teppiche - ordentlich aufgestapelt oder eingerollt.

Jürgen Dahlmanns künstlerische Extravaganz spiegelt sich erst in seinen Kreationen wieder. Teppiche - mal geometrisch-streng, mit knallbunten Quadraten, oder asiatisch-verspielt, mit Manga-Figuren und Drachenköpfen. Viel zu schade, um nur drüberzulaufen. Die dichtflorigen Kunstwerke zieren auch Hocker und Wände. Der neuste Coup des 37-Jährigen: Aufblasbare Teppiche, die bei Bedarf zu Schlafmatratzen werden. Immer wieder tauchen Schriftzeichen in den Entwürfen auf - Beuys-Zitate, japanische Kalligraphie - ein Novum im Teppich-Design.

"Also was mir wichtig ist beim Entwerfen, beim Designen von Teppichen, ist, dass der Teppich an sich eine Geschichte erzählt. Das ist eine sehr alte Tradition, das hat es schon immer gegeben, nur wir haben verlernt diese Geschichten zu lesen und es Bedarf eigentlich einer neuen Sprache. Und ich verstehe mich [...] als Geschichtenerzähler. "

Doch eigentlich ist Jürgen Dahlmanns studierter Architekt. Jahrelang arbeitete er als Projektmanager in einem großen Baukonzern, führte das Leben eines erfolgreichen Karrieristen - bis sein Freund starb und er in eine Sinnkrise stolperte. Er klinkte sich aus dem Alltag aus und reiste durch die Welt.

" Ich war in der Lage zu sagen: Ich mach jetzt mal ein, zwei Jahre das, wozu ich Lust habe. "
Also wanderte er durch den Himalaya, wohnte bei den Beduinen und lernte peu a peu die Teppich-Tradition kennen und verstehen. Zurück in Deutschland wagte er es - mit geliehenem Geld gründete er seine eigene Firma Rug Star - eine Oase der Teppichkunst. Und das, obwohl oder gerade weil er in seiner Jugend eher unter Teppichen gelitten hat :
" Wir waren traumatisiert vom Teppichboden. In den 70er Jahren wurde ja mit dem Teppichboden alles tapeziert, also selbst die Wände am Partyraum meiner Eltern, waren ausgestattet mit Teppichboden. Der Teppich hat ja durch die Auslegeware seine Qualität verloren. Er hat ja nicht mehr spezielle Orte kennzeichnen können, sondern er war ja überall. "

Trotz kindlichem Trauma - aus dem großgewachsenen Rotschopf ist ein kreativer Teppich-Freak geworden.

"Teppiche rollen ist das Erste, was man lernen muss. "

Seine Kreationen sind häufig Auftragsarbeiten - aus feinster tibetanischer Hochlandwolle, veredelt mit schimmernden Seidenfäden. Der Preis - bis zu 10.000 Euro für einen Teppich - zwei mal drei Meter groß. Viel günstiger sind die Teppichmodule, die er jetzt für einen schwedischen Einrichtungsriesen entworfen hat. Exklusives Design und Kreativität in Serie - für Jürgen Dahlmanns kein Widerspruch.

" Es gab einen Wechsel. Ich denke in den 80er Jahren war es noch wichtig als Designer - entweder hat man für ein sehr exklusives Publikum gearbeitet oder man hat im Billig-Segment gearbeitet. Heute [...] es ist viel freier geworden. [...] und das spüren wir Designer auch. [...] Es ist doch wunderschön, ein Gefühl zu haben, für sehr viele Menschen, das zu machen, was man liebt. "

Genau diese Leidenschaft erahnt man, wenn Jürgen Dahlmanns von Teppichen spricht, über ihre Sinnlichkeit philosophiert oder vorsichtig über sie streicht.

"Schau mal, diese ganzen Faserköpfe! "

Kinderarbeit und Massenproduktion in Billigländern sind nichts für ihn. Jürgen Dahlmanns Teppiche sollen eine Seele haben, und das

" Erreicht man nicht, wenn man versucht ein bisschen Geld zu sparen, billige Materialien einsetzt und Menschen nicht richtig bezahlt. "

Mehrmals im Jahr fährt der Designer zu den Produktionsstätten, redet mit seinen Teppich-Knüpfern und wird auch schon mal zu einer tibetanischen Familienfeier eingeladen. Es ist dieser persönliche, individuelle Zugang, der sich auch in seinen Teppichen zeigt. Unterschiede in den Farbnuancen, feine Abweichungen in der Knotentechnik - kein Dahlmanns-Teppich gleicht dem anderen.

" Der Kunde sucht nach Produkten, die nicht mehr aussehen, wie von der Stange. [...] Jetzt sehnen sich die Menschen nach etwas, was ihnen Weichheit gibt, Schutz gibt, das ihnen Wärme gibt und das Gefühl gibt, von Durchdringung. "

Jürgen Dahlmanns Augen fangen an zu leuchten, ein spitzbübisches Lächeln streift sein Gesicht, wenn er von seinen neuen Ideen spricht. Und von seinem Traum. Es ist eher eine kleine Hoffnung: nie wieder Auslegeware.