Nie mehr verlaufen

Von Dirk Asendorpf · 29.04.2008
Wer zu Fuß in einer fremden Stadt unterwegs ist, kann sich einen Stadtplan besorgen, Passanten nach dem Weg fragen - oder ein Fußgängernavigationssystem benutzen. Die kleinen elektronischen Wegweiser kommen in diesem Jahr auch mit Karten auf den Markt, die speziell auf die Bedürfnisse von Fußgängern abgestimmt sind.
Im Auto führt uns das Navigationsgerät inzwischen recht zuverlässig von A nach B. Sobald wir die Blechkiste verlassen, ist es jedoch vorbei mit der elektronischen Orientierung. Denn per Pedes gelten völlig andere Regeln als im Autoverkehr: Einbahnstraßen sind kein Problem, Fußgängerzonen sogar besonders erwünscht, Autobahnen dagegen tabu. Manchmal führt der Fußweg quer durch einen Park oder eine Einkaufspassage hindurch. Und neben "geradeaus", "rechts" und "links" spielt auch "oben" und "unten" eine wichtige Rolle. Der Informatiker Christoph Stahl von der Universität Saarbrücken:

"In der Regel reicht, wenn man mit dem Fahrzeug unterwegs ist, eine zweidimensionale Karte wie ein normaler Stadtplan, weil sich Straßen selten überkreuzen, da kommen wir ganz gut damit zurecht. Allerdings als Fußgänger haben wir es sehr häufig mit Unterführungen zu tun, mit Treppenauf und –abgängen, an Bahnhöfen, da muss man dann eben von einem Gleis zum anderen durch einen Tunnel usw. und da braucht man auch eine dreidimensionale Darstellung, damit man das verstehen kann."

Teleatlas und Navtech, die beiden Weltmarktführer für elektronisches Kartenmaterial, haben seit Anfang des Jahres für die meisten europäischen Großstädte Daten zur Fußgängernavigation im Angebot: Vom Zebrastreifen über Gehwege im Park bis hin zu Einkaufsmöglichkeiten und touristischen Attraktionen. Auch an Endgeräten fehlt es nicht. Viele Autonavis sind klein genug, um sie in die Jackentasche zu stecken. Jedes fünfte neue Handy kann auch als Navigator genutzt werden. Und bald kommen Kombigeräte auf den Markt, die sich zum Beispiel den Ort merken, an dem sie aus der Autohalterung genommen wurden. So muss niemand mehr nach dem Rückweg zu seinem Wagen suchen, den er irgendwo in einer fremden Stadt geparkt hat. Für Sehbehinderte gibt es ein Spezialgerät, das sogar ganz ohne Knöpfe bedient werden kann. Arnd Eil vom Aachener Hersteller Nuance:

"Wir haben im letzten Jahr ein Produkt gelauncht zusammen mit der Firma Wayfinder, was ein Navigationssystem für Blinde ist, das mit entsprechender Sprachtechnologie von unserer Seite unterstützt wird. Hier ist wesentlich mehr Voice Guidance, also Sprachausgabe, gefordert, als es eben in einem Auto-Navigationssystem für Sehende der Fall ist."

Ist die Route dann berechnet, können sich sehbehinderte Fußgänger den Weg nicht nur ansagen, sondern auch mit Geräuschen weisen lassen. Christoph Stahl und seine Saarbrückener Informatiker-Kollegen konnten das in einem Praxistest erproben.

"Wir haben ein räumliches Audio, das heißt, der Sehbehinderte hört einfach dann bestimmte Objekte über ein Geräusch in seinem Kopfhörer und kann dann dem Geräusch folgen, weiß zumindest, in welchem Abschnitt der Stadt er sich befindet und wo die Zielrichtung ist. Aber im Genauen muss er sich noch auf seinen bewährten Blindenhund verlassen."

Die Technik wird immer vielfältiger, nur hinter den Eingangstüren von Gebäuden herrscht bisher noch navigationstechnisches Niemandsland.

"Wenn der Fußgänger ins Gebäude geht, fehlt ihm zum einen das Kartenmaterial, das in diesen Gebäuden nicht vorhanden ist, das endet im öffentlichen Straßennetz. Das zweite ist, dass das GPS-Signal ausfällt, das heißt, das System hat keine Information über die Position des Benutzers."

Doch auch dafür ist Abhilfe in Sicht. In Nürnberg hat ein Versuch begonnen, in dem die Feldstärke öffentlicher Drahtlosnetzwerke, sogenannter Wlans, als Orientierungshilfe außerhalb und innerhalb von Gebäuden genutzt wird. In Saarbrücken setzen die Informatiker auf die Ausstattung öffentlicher Gebäude mit winzigen Sendern, die so tun, als seien sie Navigationssatelliten, und dem GPS-Empfänger auch ohne freie Sicht zum Himmel eine Standortbestimmung erlauben.

Innerhalb weniger Jahre ist die Navigation zum Milliardenmarkt geworden. John Forster vom belgischen Kartenkonzern Teleatlas denkt bereits weit in die Zukunft.

"Wir sind immer auf der Suche nach zusätzlichen Angeboten. Zum Beispiel würden wir gerne den öffentlichen Nahverkehr integrieren. Ein Stück zu Fuß gehen, pünktlich an der Haltestelle ankommen, um ein paar Stationen mit der Straßenbahn zu fahren und dann wieder laufen – damit hätten wir eine multi-modale Verkehrskette. In den nächsten Jahren wird da sehr viel passieren."

Das Zusammentragen der häufig wechselnden Fahrpläne von Zügen, Bussen, Straßen-, U- und S-Bahnen in hunderten Städten ist ein äußerst mühsames Geschäft. Um ein Problem, das im Autoverkehr eine wichtige Rolle spielt, müssen sich die Entwickler von Fußgängernavigationssystemen dafür keine Sorgen machen. Warnmeldungen und Umleitungshinweise bei Staus bleiben auf Gehwegen auch weiterhin überflüssig.