Nick Bostrom: "Die Zukunft der Menschheit"

Nächste Evolutionsstufe ist die künstliche Superintelligenz

Buchcover Nick Bostrom "Die Zukunft der Menschheit" auf Hintergrund.
In Zukunft wird künstliche Intelligenz in der Lage sein, sich selbstständig zu vernetzen und zu optimieren, glaubt Bostrom. © Suhrkamp / imago/Ikon Images
Von Jens Balzer · 28.01.2019
Die Menschheit wird in ein "posthumanes" Zeitalter eintreten, glaubt der Philosoph Nick Bostrom. Dann wird sie die digitale Technik vor allem zur individuellen und universellen Daseinsverbesserung nutzen, etwa, um alle Krankheiten zu besiegen.
Ein Buch über "Die Zukunft der Menschheit" – das klingt schon deswegen erfrischend, weil die Zukunft als solche in den Debatten der Gegenwart kaum noch vorzukommen scheint; dazu sind die meisten Beteiligten viel zu sehr beschäftigt damit, sich mit der Beschwörung von Heimat, Herkunft, Tradition und anderen Erscheinungsformen der Vergangenheit zu befassen.
Für Nick Bostrom ist hingegen völlig klar, dass diese Art von nostalgischem Eskapismus nichts nützt. Denn die technische Evolution und die dadurch bedingte globale Vernetzung lassen sich nicht mehr rückgängig machen – und es ist höchste Zeit, sich mit den Möglichkeiten, aber auch mit den existenziellen Risiken dieser Entwicklung zu befassen.
Bostrom ist Professor für Philosophie in Oxford und dort Gründungsdirektor des "Future of Humanity Institute". Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er vor fünf Jahren mit dem Buch "Superintelligenz" bekannt; darin befasst er sich mit der Zukunft der Künstlichen Intelligenz.
Eines, so Bostrom, nicht allzu fernen Tages wird die Rechenleistung von Computern so gestiegen sein, dass es bei den lernfähigen, sich selbst verbessernden KI-Programmen zu einer wahren Intelligenz-Explosion kommt. Diese erlaubt es den digitalen Netzwerken, sich selbstständig zu vernetzen und zu optimieren – womit die Menschheit als intelligenteste Spezies auf dem Planeten von den Maschinen abgelöst wird.

Durchweg fröhliche Wissenschaft

Das Buch stieß auf großes Interesse, Bill Gates und Elon Musk empfahlen es als Lieblingslektüre, doch wurde Bostrom auch als Schwarzmaler und Apokalyptiker kritisiert.
Diese Bewertung kann nun korrigiert werden: anhand von sechs Aufsätzen aus den letzten 15 Jahren, die in "Die Zukunft der Menschheit" versammelt sind. Hier betreibt Bostrom durchweg fröhliche Wissenschaft.
Gleich im einleitenden Titelessay befasst er sich mit der Frage, ob die Menschheit untergehen wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei die Antwort "ja", schreibt er, doch sei das kein Anlass für schlechte Laune. Denn selbst wenn sich die Menschheit durch Atomkrieg oder Umweltzerstörung vollständig vernichtet, spiele das im Maßstab der Entwicklung des Planeten und des Weltalls keine besondere Rolle, und dieser allein habe den Philosophen zu interessieren.
Wahrscheinlicher sei jedoch, dass der "Untergang" in einem "Übergang" zu einer nächsthöheren Evolutionsstufe bestehe: Die Menschheit werde in ein "posthumanes" Zeitalter eintreten, in dem sie die Intelligenz-Explosion der digitalen Technik zur individuellen und universellen Daseinsverbesserung nutze, etwa, um alle Krankheiten zu besiegen, die Lebenserwartung zu vervielfachen oder auch die Intelligenz und das Gefühlsleben jeder und jedes Einzelnen zu steigern.

Die Würde des Menschen erhöhen

Ob dieser Zustand in hundert oder erst in zehntausend Jahren eintritt, ist für Bostrom eine nachrangige Frage. Die moralphilosophischen Probleme, die sich daraus ergeben, muss man seiner Ansicht nach sofort diskutieren. Zum Beispiel: Unter welchen Umständen kann es nicht nur die Lebensqualität steigern, sondern auch – ein heikler Begriff – die Würde des Menschen erhöhen, wenn man Körper und Geist mit biologischen oder technischen "enhancements" verbessert?
Auf die erstaunlichste Weise schwanken die hier versammelten Texte zwischen philosophisch präziser Begriffsarbeit, Exkursen zur Neurobiologie, KI und Wahrscheinlichkeitsrechnung – und vollständig verblasenen futuristischen Spinnereien. So schwirrt einem nicht selten der Kopf.
Aber je stärker er schwirrt – und das ist eine seltene Leistung für ein philosophisches Buch –, desto größer wird auch der Spaß beim Lesen und die Erkenntnis, die man dabei gewinnt.

Nick Bostrom: Die Zukunft der Menschheit - Aufsätze
Aus dem Englischen von Jan-Erik Strasser
Suhrkamp, Berlin 2018
209 Seiten, 18 Euro

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