Nicht schön, aber glücklich

Von Dirk Schneider · 11.10.2005
Das Hamburger Ehepaar Harald und Regina Gasper hat ein Buch geschrieben, um den Menschen Mut zu machen, das Monster der Hässlichkeit in seine Schranken zu weisen: "Herrlich hässlich". Und weil man in einem Kampf Verbündete braucht, haben die beiden nun auch noch Deutschlands ersten Club der Hässlichen gegründet.
Der Mann auf der Bühne der Hamburger Pony-Bar ist ein bisschen dick, und für einen Popstar mit Mitte Fünfzig etwas zu alt. Seine dünnen Beine schauen auch etwas unvorteilhaft aus den weißen Shorts heraus. Aber wir sind hier beim Club der Hässlichen, und dem geht es vor allem um eins:

Regina Gasper: "Im Idealfall wird er ein Netzwerk und eine Plattform für Leute, die sich nicht schön fühlen und die sich austauschen wollen, und die auch Spaß haben wollen, lachen wollen, feiern wollen. Wo werden Hässliche schon gefeiert? Eigentlich nirgends in der Mediengesellschaft. "

Regina Gasper hat mit ihrem Mann Harald ein Buch geschrieben, das von den Leiden hässlicher Menschen handelt, in unserer von Bildern schöner Menschen dominierten Gesellschaft. Jetzt wollen sie mit ihrem Club den Worten Taten folgen lassen. Aber was heißt hier eigentlich hässlich? Regina Gasper jedenfalls ist eine zierliche Frau mit einer spitzen Nase, kurzen roten Haaren und wachen Augen – vielleicht ein bisschen ein Mäusegesicht, aber: hässlich?

Regina Gasper: "Ich fühle mich hässlich, und 90 Prozent der Leute fühlen sich auch hässlich, es sagt nur keiner offen, und indem wir sagen: Ich fühle mich hässlich, das böse Wort ist raus, nehmen wir ihm den Stachel, es lässt sich drüber lachen, und da wir viele sind, verfliegt auch der böse Zauber. "

Wenn man sich an diesem Abend umschaut, fällt einem vor allem der hohe Anteil an Frauen auf. Fast alle Anwesenden haben die Dreißig überschritten. Aber kein Mensch hier ist hässlich, die meisten sind eher attraktiv, auf jeden Fall modebewusst.

Umfrage: "Als ich jünger war, in der Pubertät, dachte ich schon, ich sei eher hässlich.
Mir gehen die Haare aus, ich versuche, mich damit zu arrangieren.
Und außerdem habe ich so dünne Haare, und darüber ärgere ich mich jeden Tag.
Ich bin Spanier, aus Barcelona, meine Erfahrung hier ist, die Leute gucken mehr auf das Äußere als auf das Innere.
Wer ist schon schön? Mut zur Lücke, finde ich, wo fängt Schönheit an, wo hört sie auf? "

Zarte Selbstzweifel allenthalben, aber von Bekenntnissen zur Hässlichkeit ist außer im Vorstand des Clubs bis jetzt wenig zu hören. Wer bis jetzt geglaubt hat, dass dieser Abend nur eine PR-Veranstaltung für das Buch der Gaspers ist, kommt ins Zweifeln.

Harald Gasper: "Mein Name ist Harald Gasper, und das ist meine fantastisch Frau Regina, und wir haben vor zwei Jahren beschlossen: Deutschland braucht endlich einen Club der Hässlichen. Und den wollen wir heute Abend gründen. "

Harald Gasper doziert jetzt mit ehrlichem Pathos über die Leiden der Hässlichen. Man könnte fast sagen, er macht sich für sein Anliegen zum Affen. Zum Nasenaffen nämlich. Das Tier ist das Maskottchen des Clubs, und eine gewisse Ähnlichkeit mit Harald Gasper ist nicht zu leugnen. Den Tieren, die im Urwald Borneos leben, ist es jedoch egal, was die Menschen über ihren Zinken denken. Das Männchen mit der längsten Nase bekommt nämlich die meisten Weibchen ab.
Ein Gedankenspiel, das Harald Gasper kalt lässt. Er ist glücklich verheiratet. Am Anfang der Beziehung stand ein typisches Hässlichen-Missverständnis, wie Regina Gasper erinnert:

Regina Gasper: "(…) wir waren auf ner Gruppenreise, ich hab mich in ihn verliebt und dachte, ich muss ihm das mitteilen und hab ganz laut über den ganzen Tisch gesagt: Ich steh auf schöne Männer. Ich dachte als hässliche Frau muss ich eben auf die Tube drücken. Und er dachte: Na gut, wenn sie auf schöne Männer steht, dann wars das. "

Nach der feierlichen Clubgründung werden die Gäste gebeten, sich von einem Fotografen porträtieren zu lassen. Dirk Hasskarl ist Experte in Sachen Schönheit, er fotografiert für Magazine wie Amica, Allegra oder Brigitte Young Miss, die uns am Kiosk jeden Monat, ja, eben gerade nicht den Spiegel vorhalten. Doch die potentiellen Clubmitglieder sind geschmeichelt und spielen mit, später am Abend werden die Bilder an die Wand projiziert. Der Fotograf, auf das Thema Schönheit angesprochen, antwortet erwartungsgemäß:

Dirk Hasskarl: " Auch wenn das keine klassischen Beauties sind heute Abend – ich habe noch keine gesichtet – ist das viel spannender als Modelgesichter, die ebengesichtig sind, abzulichten. "

Nachdem sie sich als Andenken einen Clubausweis geholt haben, gehen die ersten Gäste auch schon wieder. Was bleibt, ist die Unsicherheit, ob man unter den Hässlichen nun eher zu den Schöneren oder zu den Hässlicheren gehört. Doch für einen Moment vergisst man diesen Gedanken wieder, beim Anblick der Gaspers. Sie verlassen gerade Händchen haltend den Saal durch die Hintertür, und sie sehen verdammt verliebt aus.

Service:
Der Club der Hässlichen trifft sich einmal im Monat in Hamburg in der Pony-Bar, Allendeplatz.

Im Internet ist er zu finden unter www.clubderhaesslichen.de

Das Buch "Herrlich hässlich" von Harald und Regina Gasper ist im Eichborn Verlag Frankfurt am Main erschienen, hat 215 Seiten und kostet 16,90 Euro.