Nicht Mode, sondern Stil
Mode ist Ausdruck des Zeitgeistes, ist ein Teil der Kultur, des Designs und ein knallhartes Geschäft. Mode in diesen Dimensionen war auch immer in erster Linie Männersache. Dass aber auch Frauen zu den Großen der Branche gehörten, zeigt Stefanie Schütte in ihrem Buch "Die großen Modedesignerinnen".
Männer als Kreateure, als die Macher der ersten Reihe - die Frauen in der zweiten und dritten Reihe spielten keine Rollen. Höchsten die Models, die inzwischen längst zu Promis erhoben wurden.
Doch das 20. Jahrhundert hat auch wichtige Designerinnen hervorgebracht, denen sich ein Taschenbuch aus der Beckschen Reihe widmet. Stefanie Schütte hat darin die Porträts von 14 Frauen versammelt, die der Mode wichtige Impulse und stilistische Prägungen gegeben haben, zwölf Designerinnen und zwei Modejournalistinnen.
Durchbrochen hat die Männerdomäne im Modedesign als erste Frau ganz eindeutig Coco Chanell. Eine junge Frau aus ganz armen Verhältnissen, mit einem siebten Sinn für Stil und Eleganz, selber eine aparte, gut aussehende Frau und mit einer Energie, die schwer zu übertreffen war. Hinzu kam die Zeit, in der sie glückhaft und äußerst geschickt produktiv war und - so seltsam es klingt - die Männer, mit denen sie gerade Affären hatte. Die waren immer begütert, gaben Chanels Tätigkeit nicht selten Anstöße und das nötige Kleingeld mit auf den Weg - doch die Ausführende, die Kreative war in dem Fall immer sie, die Frau, Coco Chanell.
Es gab drei Gründe, die dazu führten, dass sie in der Männerdomäne Mode eine so außergewöhnliche Rolle spielte. Da war zunächst ihre außerordentliche Energie und der nachdrückliche Wunsch, nie mehr in das Milieu ihrer Kindheit zurückkehren zu müssen, und da sie dafür nur sich selber als Person hatte, nutze sie alle Möglichkeiten, die sich ihr auftaten. Das war der erste Grund.
Der Zweite ist ein sicheres Stilgefühl, das sie durch die Kleidung, die sie selber und ihre schöne Tante trug, präsentierte.
Und der Dritte ist sicher ein Zeitgefühl: Sie setzte dem überbordenden, überdekorierten - wir würden heute sagen aufgebretzelten Stil-Angebot der Jahre um 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, also Rüschen, schwere Stoffe, lange aufwendige Röcke und Kleider - einen minimalistischen, ganz und gar zurück genommenes Credo gegenüber. Sie setzte wie die Herrenschneider auf die Struktur der Kleidungsstücke, manchmal mit fast klösterlicher Reinheit der Linien.
Und das war eine Sensation für sehr viele Frauen. Wo sich andere Frauen mit federbesetzten opulenten Hüten zeigten, setzte Coco einen schlichten Strohhut auf, schmückte ihn mit ein paar Bändern und sah sensationell aus. Dieses modische Bild nahm etwas vorweg, was sich in der Frauenbewegung erst sehr viel später überdeutlich zeigte: Frauen sind keine Anziehpuppen für Männer, nicht ihre Geschöpfe. Ihre Kleidung sollte ihr eigenes Lebensgefühl widerspiegeln.
Coco Chanell war die erste Designerin, die das großartig präsentierte und durch ihre eigene Person als Modell zur Marke machte.
Das allerbeste Beispiel ist ihr berühmtes Parfum Chanel Nr. 5 in diesem kühl gradlinigen Flakon. Alles auf das Wesentliche reduziert - so wie das kleine Schwarze, das sie 1926 als eine bis heue gültige Mode-Ikone kreierte. Es ist nicht besser zu machen - es kann variiert werden - und das wird es in jeder zweiten Saison. Aber seine Grundidee ist ein modischer Segen für Frauen.
Über Coco Chanel könnte ich hier noch stundenlang schwärmen, denn sie hat nicht nur zwei Modeleben gehabt, sondern auch Töchter in ihrem Geist hinterlassen, über die Stefanie Schütte in diesem lesenswerten Taschenbuch schreibt.
Ihre Töchter im Geiste waren dann keineswegs nur französische Designerinnen. Die beiden französischen Designerinnen, die in dem Buch auftauchen sind sicher den wenigsten Lesern bekannt: die gebürtige Italienerin Elsa Schiaparelli und die Pariserin Madeleine Vionnet. Schiaparelli hatte in den dreißiger Jahren in Hollywood großen Erfolg, wo sie mit ihrer Mode den Frauen ganz unterschiedliche Möglichkeiten offerierte, in eine Rolle zu schlüpfen, was sie im Übrigen auch gerne selber tat und somit eine wunderbare Projektionsfläche für ihre Kundinnen bot.
Madelein Vionnet dagegen drapierte mit meterweisen Stoffbahnen Kleider an den Körper ihrer Kundinnen, die dann ein wenig wie antike Statuen aussahen. Sie selber war jedoch eher klein und rund und konnte ihre Kreationen nicht so wirkungsvoll präsentieren.
Die anderen im Buch porträtierten Designerinnen kommen aus England, wie die exzentrische Vivien Westwood oder die derzeit angesagte Stella Mc Carthney aus Italien, wie Miuccia Prada - aus Deutschland wie Jil Sander und Gabriele Strehle oder aus den USA wie Dona Karan beispielsweise.
Das sind ja nun aber doch ziemlich unterschiedliche stilistische Konzepte, die da zum Teil zumindest aufeinander stoßen, aber es geht der Autorin nicht primär um die Röcke, Hosen , Kleider oder Jacken, die die genannten entwerfen. Dann wäre ein solches Buch auch sehr saisonabhängig, wenn auch jede ihren Stil hat, den sie prägt, der ihr Erkennungszeichen ist: Dona Karan betont sehr klar der Stil einer Frau, die berufstätig ist und Kinder hat, selten pretentiös, aber durchaus sexy. Oder Prada mit dem Kunststück, eine Art Massentauglichkeit mit der Ausstrahlung von Klasse zu verbinden, oder Gabriele Strehle mit Purismus und Elementen der Brüchigkeit, also keine zu glatten Oberflächen, nicht zu perfekt.
Warum aber sind sie, und das Buch erzählt das anschaulich und überzeugend anhand ihrer Lebenswege, alles Töchter der Übermutter Chanel?
Weil sie nicht dem Pygmalioneffekt vieler männlicher Modemacher nachgeben, Frauen zu verkleiden, sie durch die Mode zu ihren Geschöpfen machen zu wollen, sondern, weil sie hautnah am Lebensempfinden ihrer Kundinnen daran sind und ihnen aus diesem Wissen modische Angebote machen können, die nicht zu Karnevalskostümierungen tendieren.
Wobei es zum Beispiel mit Armani einen Star gibt, der diese Kenntnis auch auf perfekte Weise hat.
Es geht auch nicht um besser oder schlechter, sondern um den näheren Blick, den Designerinnen häufig auf weibliche Lebenswelten haben.
Das erzählt Stefanie Schütte unterhaltsam, klug und nie mit unangemessener emanzipatorischer Aufgeregtheit.
Zwei der schönsten Chanelsätze noch zum Schluss:
"Ich mag es nicht, dass man von Chanel-Mode spricht. Chanel, das ist vor allem ein Stil. Denn die Mode wird unmodisch. Stil hingegen niemals."
Und:
"Die Natur gibt uns das Gesicht, das wir mit 20 haben, das Leben formt unser Gesicht mit 30. Doch das, welches wir mit 50 haben, verdienen wir uns selbst."
Stefanie Schütte: Die großen Modedesignerinnen - Von Coco Chanell bis Miuccia Prada
becksche reihe
192 Seiten, 12,90 Euro
Doch das 20. Jahrhundert hat auch wichtige Designerinnen hervorgebracht, denen sich ein Taschenbuch aus der Beckschen Reihe widmet. Stefanie Schütte hat darin die Porträts von 14 Frauen versammelt, die der Mode wichtige Impulse und stilistische Prägungen gegeben haben, zwölf Designerinnen und zwei Modejournalistinnen.
Durchbrochen hat die Männerdomäne im Modedesign als erste Frau ganz eindeutig Coco Chanell. Eine junge Frau aus ganz armen Verhältnissen, mit einem siebten Sinn für Stil und Eleganz, selber eine aparte, gut aussehende Frau und mit einer Energie, die schwer zu übertreffen war. Hinzu kam die Zeit, in der sie glückhaft und äußerst geschickt produktiv war und - so seltsam es klingt - die Männer, mit denen sie gerade Affären hatte. Die waren immer begütert, gaben Chanels Tätigkeit nicht selten Anstöße und das nötige Kleingeld mit auf den Weg - doch die Ausführende, die Kreative war in dem Fall immer sie, die Frau, Coco Chanell.
Es gab drei Gründe, die dazu führten, dass sie in der Männerdomäne Mode eine so außergewöhnliche Rolle spielte. Da war zunächst ihre außerordentliche Energie und der nachdrückliche Wunsch, nie mehr in das Milieu ihrer Kindheit zurückkehren zu müssen, und da sie dafür nur sich selber als Person hatte, nutze sie alle Möglichkeiten, die sich ihr auftaten. Das war der erste Grund.
Der Zweite ist ein sicheres Stilgefühl, das sie durch die Kleidung, die sie selber und ihre schöne Tante trug, präsentierte.
Und der Dritte ist sicher ein Zeitgefühl: Sie setzte dem überbordenden, überdekorierten - wir würden heute sagen aufgebretzelten Stil-Angebot der Jahre um 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, also Rüschen, schwere Stoffe, lange aufwendige Röcke und Kleider - einen minimalistischen, ganz und gar zurück genommenes Credo gegenüber. Sie setzte wie die Herrenschneider auf die Struktur der Kleidungsstücke, manchmal mit fast klösterlicher Reinheit der Linien.
Und das war eine Sensation für sehr viele Frauen. Wo sich andere Frauen mit federbesetzten opulenten Hüten zeigten, setzte Coco einen schlichten Strohhut auf, schmückte ihn mit ein paar Bändern und sah sensationell aus. Dieses modische Bild nahm etwas vorweg, was sich in der Frauenbewegung erst sehr viel später überdeutlich zeigte: Frauen sind keine Anziehpuppen für Männer, nicht ihre Geschöpfe. Ihre Kleidung sollte ihr eigenes Lebensgefühl widerspiegeln.
Coco Chanell war die erste Designerin, die das großartig präsentierte und durch ihre eigene Person als Modell zur Marke machte.
Das allerbeste Beispiel ist ihr berühmtes Parfum Chanel Nr. 5 in diesem kühl gradlinigen Flakon. Alles auf das Wesentliche reduziert - so wie das kleine Schwarze, das sie 1926 als eine bis heue gültige Mode-Ikone kreierte. Es ist nicht besser zu machen - es kann variiert werden - und das wird es in jeder zweiten Saison. Aber seine Grundidee ist ein modischer Segen für Frauen.
Über Coco Chanel könnte ich hier noch stundenlang schwärmen, denn sie hat nicht nur zwei Modeleben gehabt, sondern auch Töchter in ihrem Geist hinterlassen, über die Stefanie Schütte in diesem lesenswerten Taschenbuch schreibt.
Ihre Töchter im Geiste waren dann keineswegs nur französische Designerinnen. Die beiden französischen Designerinnen, die in dem Buch auftauchen sind sicher den wenigsten Lesern bekannt: die gebürtige Italienerin Elsa Schiaparelli und die Pariserin Madeleine Vionnet. Schiaparelli hatte in den dreißiger Jahren in Hollywood großen Erfolg, wo sie mit ihrer Mode den Frauen ganz unterschiedliche Möglichkeiten offerierte, in eine Rolle zu schlüpfen, was sie im Übrigen auch gerne selber tat und somit eine wunderbare Projektionsfläche für ihre Kundinnen bot.
Madelein Vionnet dagegen drapierte mit meterweisen Stoffbahnen Kleider an den Körper ihrer Kundinnen, die dann ein wenig wie antike Statuen aussahen. Sie selber war jedoch eher klein und rund und konnte ihre Kreationen nicht so wirkungsvoll präsentieren.
Die anderen im Buch porträtierten Designerinnen kommen aus England, wie die exzentrische Vivien Westwood oder die derzeit angesagte Stella Mc Carthney aus Italien, wie Miuccia Prada - aus Deutschland wie Jil Sander und Gabriele Strehle oder aus den USA wie Dona Karan beispielsweise.
Das sind ja nun aber doch ziemlich unterschiedliche stilistische Konzepte, die da zum Teil zumindest aufeinander stoßen, aber es geht der Autorin nicht primär um die Röcke, Hosen , Kleider oder Jacken, die die genannten entwerfen. Dann wäre ein solches Buch auch sehr saisonabhängig, wenn auch jede ihren Stil hat, den sie prägt, der ihr Erkennungszeichen ist: Dona Karan betont sehr klar der Stil einer Frau, die berufstätig ist und Kinder hat, selten pretentiös, aber durchaus sexy. Oder Prada mit dem Kunststück, eine Art Massentauglichkeit mit der Ausstrahlung von Klasse zu verbinden, oder Gabriele Strehle mit Purismus und Elementen der Brüchigkeit, also keine zu glatten Oberflächen, nicht zu perfekt.
Warum aber sind sie, und das Buch erzählt das anschaulich und überzeugend anhand ihrer Lebenswege, alles Töchter der Übermutter Chanel?
Weil sie nicht dem Pygmalioneffekt vieler männlicher Modemacher nachgeben, Frauen zu verkleiden, sie durch die Mode zu ihren Geschöpfen machen zu wollen, sondern, weil sie hautnah am Lebensempfinden ihrer Kundinnen daran sind und ihnen aus diesem Wissen modische Angebote machen können, die nicht zu Karnevalskostümierungen tendieren.
Wobei es zum Beispiel mit Armani einen Star gibt, der diese Kenntnis auch auf perfekte Weise hat.
Es geht auch nicht um besser oder schlechter, sondern um den näheren Blick, den Designerinnen häufig auf weibliche Lebenswelten haben.
Das erzählt Stefanie Schütte unterhaltsam, klug und nie mit unangemessener emanzipatorischer Aufgeregtheit.
Zwei der schönsten Chanelsätze noch zum Schluss:
"Ich mag es nicht, dass man von Chanel-Mode spricht. Chanel, das ist vor allem ein Stil. Denn die Mode wird unmodisch. Stil hingegen niemals."
Und:
"Die Natur gibt uns das Gesicht, das wir mit 20 haben, das Leben formt unser Gesicht mit 30. Doch das, welches wir mit 50 haben, verdienen wir uns selbst."
Stefanie Schütte: Die großen Modedesignerinnen - Von Coco Chanell bis Miuccia Prada
becksche reihe
192 Seiten, 12,90 Euro