Nicht mein Tag der Deutschen Einheit!
Eigentlich ist das Wort "Einheit" unmissverständlich: Einheit umfasst alle. Der koreastämmige Politikwissenschaftler Martin Hyun ist zum 3. Oktober allerdings nicht in Feierlaune, weil Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ungleichheit präsenter seien als jemals zuvor.
Morgen feiert Deutschland seinen Tag der Einheit. Bilder vom Fall der Mauer und jubelnden Menschen werden in den Medien hoch und runter gespielt. Politiker werden reden, sich auf die Schultern klopfen, selbst beweihräuchern, das Richtige getan zu haben - ein Ritual, das sich alljährlich wiederholt.
Am Tag der Deutschen Einheit ist mir nicht zum Feiern zumute. Ich bin deutscher Staatsbürger. Doch mit diesem Tag habe ich nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil, er hält mir vor Augen, wie groß die Diskrepanz zwischen den Einheimischen und den Menschen mit Migrationshintergrund geworden ist.
Denn sie, die einstigen Gastarbeiter und deren Nachfahren sind noch immer nicht zusammengewachsen mit dem, was zusammengehört. Und solange die Geschichte der Gastarbeiter im nationalen Gedächtnis keine Rolle spielt, als Geschichte der jeweiligen Entsendeländer abgetan wird und eben nicht als "deutsche Geschichte" angesehen wird, solange wird der dritte Oktober nicht mein Tag der Deutschen Einheit sein.
Die Landschaften blühen zwar, aber mittendrin wuchsen Fremdenhass und Naziterror. Als Asylantenheime angezündet und ausländische Mitbürger gemobbt oder getötet wurden, versprach die Gesellschaft - und allen voran die Politik – Besserung. Doch sie blieb aus. Rassismus, Xenophobie und Diskriminierung sind omnipräsent und stärker wie je zuvor.
Rechtsextreme sitzen in Gemeinderäten und Landesparlamenten. Thilo Sarrazins feindseliges Buch verkauft sich in Millionenauflage. Der Terror des Nationalistischen Untergrundes (NSU) kostete zehn Menschen das Leben. Nein, der dritte Oktober ist nicht mein Tag der Deutschen Einheit!
Jedes Jahr verlassen 58.000 Schüler die Schule ohne einen Abschluss, ohne Aussicht auf eine faire Zukunft. Schnell werden sie begreifen, dass dieses Land keinen Platz für ihre Träume hat, schon gar nicht auf dem Arbeitsmarkt. Kinder von Migranten müssen dreimal so viele Bewerbungen schreiben, selbst Akademiker sind dreimal häufiger arbeitslos als ihre Alterskameraden aus einheimischen Familien.
Denn der exotische Name, das andere Aussehen werden ihnen zum Nachteil. Hartnäckig halten sich Vorurteile. Wir klagen über einen Fachkräftemangel und erkennen die ausländischen Berufs- und Bildungsabschlüsse von 300.000 qualifizierten Menschen nicht an. Dies ist wahrlich nicht mein Tag der Einheit!
Mitten in Deutschland leben rund 2,5 Millionen Kinder am Rande des Existenzminimums. Fast jeder zehnte Deutsche ist von Sozialtransfers abhängig. Seit Jahren steigt die Zahl der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Während sich der Wohlstand der oberen 10 Prozent rasant vermehrt, schwindet er beim Rest der Gesellschaft. Mein Herz schmerzt, beim Anblick älterer Menschen, wie sie Pfandflaschen sammeln oder Zeitungen austeilen, weil ihre Rente zu gering ist. Der dritte Oktober ist nicht mein Tag der Deutschen Einheit!
Seit zehn Jahren verteidigen wir im nationalen Interesse, so heißt es, die Demokratie am Hindukusch - mit einem hohen Preis. Im Krieg sterben Menschen. Särge gefallener Soldaten kommen zurück. Wir trauern – und verdienen zugleich unser Geld damit, denn wir gehören zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Solche nationalen Interessen sind nicht meine.
Der dritte Oktober ist nicht mein Tag und mir ist nicht zum Feiern zumute, weil er mich daran erinnert, wie unterschiedlich die Interessen, wie hartnäckig die Ungleichheit, wie alltäglich die Diskriminierung in Deutschland ist.
Martin Hyun, Politologe und Eishockey-Spieler, wurde 1979 in der nordrhein-westfälischen Samt- und Seidenstadt Krefeld geboren. Hyun ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga sowie Junioren Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.
Am Tag der Deutschen Einheit ist mir nicht zum Feiern zumute. Ich bin deutscher Staatsbürger. Doch mit diesem Tag habe ich nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil, er hält mir vor Augen, wie groß die Diskrepanz zwischen den Einheimischen und den Menschen mit Migrationshintergrund geworden ist.
Denn sie, die einstigen Gastarbeiter und deren Nachfahren sind noch immer nicht zusammengewachsen mit dem, was zusammengehört. Und solange die Geschichte der Gastarbeiter im nationalen Gedächtnis keine Rolle spielt, als Geschichte der jeweiligen Entsendeländer abgetan wird und eben nicht als "deutsche Geschichte" angesehen wird, solange wird der dritte Oktober nicht mein Tag der Deutschen Einheit sein.
Die Landschaften blühen zwar, aber mittendrin wuchsen Fremdenhass und Naziterror. Als Asylantenheime angezündet und ausländische Mitbürger gemobbt oder getötet wurden, versprach die Gesellschaft - und allen voran die Politik – Besserung. Doch sie blieb aus. Rassismus, Xenophobie und Diskriminierung sind omnipräsent und stärker wie je zuvor.
Rechtsextreme sitzen in Gemeinderäten und Landesparlamenten. Thilo Sarrazins feindseliges Buch verkauft sich in Millionenauflage. Der Terror des Nationalistischen Untergrundes (NSU) kostete zehn Menschen das Leben. Nein, der dritte Oktober ist nicht mein Tag der Deutschen Einheit!
Jedes Jahr verlassen 58.000 Schüler die Schule ohne einen Abschluss, ohne Aussicht auf eine faire Zukunft. Schnell werden sie begreifen, dass dieses Land keinen Platz für ihre Träume hat, schon gar nicht auf dem Arbeitsmarkt. Kinder von Migranten müssen dreimal so viele Bewerbungen schreiben, selbst Akademiker sind dreimal häufiger arbeitslos als ihre Alterskameraden aus einheimischen Familien.
Denn der exotische Name, das andere Aussehen werden ihnen zum Nachteil. Hartnäckig halten sich Vorurteile. Wir klagen über einen Fachkräftemangel und erkennen die ausländischen Berufs- und Bildungsabschlüsse von 300.000 qualifizierten Menschen nicht an. Dies ist wahrlich nicht mein Tag der Einheit!
Mitten in Deutschland leben rund 2,5 Millionen Kinder am Rande des Existenzminimums. Fast jeder zehnte Deutsche ist von Sozialtransfers abhängig. Seit Jahren steigt die Zahl der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Während sich der Wohlstand der oberen 10 Prozent rasant vermehrt, schwindet er beim Rest der Gesellschaft. Mein Herz schmerzt, beim Anblick älterer Menschen, wie sie Pfandflaschen sammeln oder Zeitungen austeilen, weil ihre Rente zu gering ist. Der dritte Oktober ist nicht mein Tag der Deutschen Einheit!
Seit zehn Jahren verteidigen wir im nationalen Interesse, so heißt es, die Demokratie am Hindukusch - mit einem hohen Preis. Im Krieg sterben Menschen. Särge gefallener Soldaten kommen zurück. Wir trauern – und verdienen zugleich unser Geld damit, denn wir gehören zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Solche nationalen Interessen sind nicht meine.
Der dritte Oktober ist nicht mein Tag und mir ist nicht zum Feiern zumute, weil er mich daran erinnert, wie unterschiedlich die Interessen, wie hartnäckig die Ungleichheit, wie alltäglich die Diskriminierung in Deutschland ist.
Martin Hyun, Politologe und Eishockey-Spieler, wurde 1979 in der nordrhein-westfälischen Samt- und Seidenstadt Krefeld geboren. Hyun ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga sowie Junioren Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.