Nicht mehr auf Partei-Kurs

Von Sabine Adler, Hauptstadtstudio · 09.09.2010
Erika Steinbach hat den Rückzug angetreten, genauer genommen ist sie noch einen großen Schritt weiter rückwärts gegangen.
Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die nach langem Ringen auf einen Sitz im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung Versöhnung" verzichtet hatte, will sich nun aus dem CDU-Präsidium zurückziehen, beim Parteitag im November in Karlsruhe nicht mehr für diesen Posten kandidieren. Sie fühlt sich mit ihrer Geschichtsauffassung in ihrer Partei allein gelassen.

Erika Steinbach, die stets auf das Unrecht der Vertreibung infolge von Kriegen hingewiesen hat, beging den Fehler, dieses Verbrechen an der Zivilbevölkerung mit den Gräueltaten der Nazis gleichzusetzen. Ihr Verweis, dass andere Länder in Europa wie die Sowjetunion und Großbritannien über die Vertreibung von Deutschen gesprochen haben, ist in Bezug auf das Abkommen von Jalta richtig, aber unvollständig.

Dass in den 1930er-Jahren in Europa aufgerüstet wurde, stimmt, dass die aggressive Außenpolitik Deutschlands einer der Auslöser dafür war, lässt die Vertriebenenchefin beiseite. Sie stärkt ihren Verbandsfunktionären Arnold Tölg und Hartmut Saenger den Rücken, wenn diese Teilwahrheiten noch dazu mit einer unzulässigen Gewichtung verbreiten. Deutschlands größte Schuld in der Geschichte fordert mehr Genauigkeit, verträgt keine Relativierung.

Trotzdem schickte Erika Steinbach die beiden als stellvertretende Mitglieder in den Stiftungsrat. Auf dass sie dort die Ansichten der Verbandschefin vertreten.

Wie kommt es, dass Erika Steinbach derart häufig Schlagzeilen in den Medien produzierte, warum geriert sich ausgerechnet die Stiftung, die die Versöhnung im Namen führt, so unversöhnlich?

Weil die CDU die BdV-Chefin gewähren ließ. Frau Steinbach äußert, ähnlich wie Thilo Sarrazin, Auffassungen, die in den politischen Salons inzwischen verpönt sind, die im wahren deutschen Leben aber von mehr Menschen geteilt werden, als so manchem Christ- oder Sozialdemokraten lieb ist. Zynische Parteitaktiker in der Union können diesem Fischen am rechten Rand durchaus immer noch etwas Positives abgewinnen. Parteitheoretisch gesprochen deckte die CDU damit bislang ein breites politisches Spektrum ab. Das wäre längst schmaler ausgefallen, wenn die Parteivorsitzende Angela Merkel ihre Fraktionskollegin in die Schranken weisen würde. Genau dies hat die Kanzlerin seit Jahren vermieden. Nun ist des die Vertriebenenpräsidentin, die ihren Schluss daraus zieht, wie wenig sie noch zur CDU passt.

Zumindest zum CDU-Präsidium. Dass sich auch in anderen, früher als konservativ bezeichneten Positionen immer weiter entfernt hat. Heute tritt die CDU ein für berufstätige Frauen, die ihre Kinder betreuen lassen, die Integration von Ausländern, die erst erfüllt ist, wenn Einwanderer bei uns wie in den USA in Stadträten sitzen, Führungspositionen in deutschen Firmen einnehmen, der Nachbarsjunge Mohamed nicht mehr als Ausländer, sondern Deutscher begriffen wird.

Die CDU durchläuft gerade einen Wandlungsprozess, nicht zufällig verschwinden gerade jetzt die Kochs, Wulffs, Rüttgers, Steinbachs. Das Thema Atom dürfte der nächste Posten sein, den – allerdings erst auf lange Sicht, die CDU anders betrachten wird.
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