Nicht mehr als ein paar kleine Feuereffekte

Von Hartmut Krug |
Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie wurde in rund 25 Sprachen übersetzt. Ihre phantastische Geschichte für Jugendliche hat eine Leser- und Fangemeinde aus allen Altersschichten gefunden, und der erste Band "Tintenherz", der zugleich in Deutschland, Großbritannien, den USA, Österreich und Australien erschien, wurde in Hollywood verfilmt und kommt am 11. Dezember in die deutschen Kinos.
Das Schauspiel Hannover hat seit 2004 im Zweijahres-Rhythmus alle drei Teile von Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie in Uraufführungen auf die Bühne gebracht. Für den Zuschauer von "Tintentod", der jetzt wie die vorigen Teile auf der großen Bühne des Schauspiels heraus kam, ist eine Kenntnis der vorigen Teile durchaus hilfreich. Man muss wissen, dass die besondere Gabe des Buchbinders Mo, mit der er Figuren aus Büchern herauslesen kann, ohne Einfluss darauf zu haben, einige Figuren in die Bücherwelt gebannt hat, und man sollte schon wissen, weshalb bestimmte Figuren sich so verhalten, wie sie es tun. Zwar waren die meisten Zuschauer sichtbar Funke-Fans und Kenner der Bücher, dennoch wurden auf der Bühne erst einmal die Geschichte und ihre Figuren vor allem erklärt statt erspielt: man erfuhr, wer da in der Phantasiewelt des Buches lebt, wer sich darin verwandelt hat, warum man nicht zurück kann, und vor allem, wer eigentlich wer ist und welche Fähigkeiten hat. War in "Tintenherz" der Übergang aus der Bibliothek von Tante Ellinor hinein in die Phantasiewelt eines Buches noch ein szenisch eindrucksvoller, zauberischer Vorgang, so wird diesmal nur die lange Bücherwand fort geschoben und eine dunkle, qualmerfüllte Leere öffnet sich. Hier nun, wo drei altertümlich kostümierte Musiker für die jeweilige Atmosphäre sorgen, kämpft Buchbinder Mo als Räuberhauptmann Eichelhäher gegen den bösen Natternkopf und dessen übereifrigen Enkel Jacopo. Auch die Verwandlung der Alltagsfiguren, die sich zuvor beim Aufräumen in der Bibliothek gefunden haben, in die Figuren des phantastischen Buches geht recht untheatralisch und unspektakulär vor sich: man zieht sich einfach um.

Nun ist ja ein Problem des Theaters, dass es die erzählerische und phantastische Opulenz des Romans nur schwer in entsprechende Bilder übersetzen kann. Die finanziellen und technischen Mittel, die ein Musicaltheater oder eine Filmproduktion einsetzen können, besitzt ein normales Stadttheater nicht. Dennoch enttäuscht, mit wie wenig szenischer Phantasie Regisseurin Heidelinde Leutgöb und ihr Bühnenbildner Philipp Nicolai den letzten Teil von Cornelia Funkes Trilogie auf die Bühne bringen. Ein paar kleine Feuereffekte gibt es, es glüht auch mal ein Schwert, und das waren schon fast alle Effekte. In der zweiten Aufführungsstunde, wenn die zweistöckige Burg von Natternkopf aus dem Boden fährt, kommt wenigstens etwas Bewegung in die Inszenierung, von wirklicher Action aber kann weiterhin nicht die Rede sein. Funkes philosophiegetränkten Dialoge wirken hier, weil nicht bildlich-szenisch begleitet oder unterfüttert, eher wie endloses Gerede, gegen das sich die Darsteller nur mit einfachen Klischee-Gesten behaupten können. Wenn der Buchbinder Mo auf den (weiblichen, gesichtslosen) Tod trifft, dann werden einfach durchsichtige Tuchfahnen herabgelassen. Und der Darsteller des Orpheus, dem Plagiator des in Verzweiflung und im Suff versinkenden Schriftstellers und Wieder-aus-dem-Buch-heraus-Lesers Fenoglio, zeigt seine Eitelkeit vor allem durch ständigen Kleiderwechsel. Ästhetisch und formal ist diese Inszenierung wieder zurück beim guten alten Stadttheater-Weihnachtsmärchen angekommen. Kein Zufall, dass der Höllenhund, für den sich ein Darsteller in ein Tierfell gestellt hatte, wegen seiner akrobatischen Kunststücke den meisten Beifall der Zuschauer bekam.

Den wahren Zauber des Buches aber vermochte diese Inszenierung nicht zu vermitteln, dafür entwickelte sie weder genügend Phantasie noch fand sie die rechten Theatermittel. Das einverständige Publikum von Jugendlichen und Erwachsenen ließ sich davon aber nicht weiter störte, es freute sich, weil es die ihm bekannten Figuren wieder erkannte. So wurde es, nach eher flauer Pausenreaktion, am Ende doch noch ein bejubelter Erfolg.

"Tintentod" von Cornelia Funke
Regie: Heidelinde Leutgöb
Uraufführung am schauspielhannover