Nicht männlich, nicht weiblich

Vorgestellt von Hannelore Heider · 25.06.2008
Im Mittelpunkt von "XXY" steht die junge Alex. Die 15-Jährige sieht aus wie ein Mädchen, hat aber männliche Geschlechtsorgane. Sensibel greift der Film das Thema der Zweigeschlechtlichkeit auf. Ebenfalls an ein junges Publikum richtet sich die Komödie "Charlie Bartlett". Der Junge aus gutem Hause kämpft mit allen Mitteln um Anerkennung bei seinen Mitschülern.
"XXY"
Argentinien/Spanien/Frankreich 2007, Regie: Lucía Puenzo, Darsteller: Inés Efron, Ricardo Darin, Valeria Bertuccelli, Martin Piroyansky, 91Minuten,
ab 12 Jahre


"Kein Alter ist unheimlicher als Pubertät. Der Augenblick, wenn wir Sex entdecken. Wenn wir Männer und Frauen werden. Oder beides – das Unheimlichste." .... schöner könnte man den sehr fremden, wunderbaren Film der jungen argentinischen Autorin und Regiseurin Lucía Puenzo nicht beschreiben, es tut hier ihre Hauptdarstellerin Inés Efron.

Es ist ein Film über zwei pubertierende Jugendliche, die zufällig am Ende der Welt aufeinandertreffen. Sie haben den Wunsch, endlich mit dem Sex ernst zu machen, und trotzdem eine zarte Liebesgeschichte zu erleben - ein Phänomen, das die Wissenschaftler Intersexualität nennen. Der Filmtitel drückt das mit dem Buchstabentrio "XXY" aus. Nicht eindeutig männlich, nicht eindeutig weiblich, sondern ein geheimnisvolles, mehrdeutig zwischen den Geschlechtern schwankendes Gebilde.

In persona ist das Alex. Noch sieht die 15-Jährige aus wie ein Mädchen, auch wenn sie direkt und ruppig und manchmal auch schlagfertig (im wahrsten Sinne des Wortes) wie ein Junge ist. Dank der vielen Medikamente, die ihr ihre Eltern verabreichen. Und obwohl sie ans Ende der Welt in ein Haus am Meer gezogen sind, gibt es Ärger. Alex' primäre Geschlechtsorgane sind männlich, das hat sie einem Freund anvertraut, der sie verraten hat. Jetzt wird sie von der Jungshorde des Ortes verfolgt und von den Nachbarn stigmatisiert. Nicht, dass ihr das was ausmachen würde, sie kann sich wehren. Aber Sex will sie schon, nur welchen? Als der gleichaltrige, schüchterne Alvaro mit seinen Eltern zu Besuch kommt, will sie es herausfinden und provoziert ein Bündel von Konflikten.

Der Film ist in seinen Farben und Bildern, in der Sprache der Jugendlichen so klar und direkt wie das Problem. Und auch die Conclusio lässt nichts an Deutlichkeit vermissen: jeder sollte doch nach seiner Fasson glücklich werden. Ein gar nicht Mitleid erregendes, sensibles Porträt für die Individualität und Selbstbestimmung auch junger Menschen, das in seiner Direktheit für den Zuschauer sehr fremd, aber sehr wohl produktiv ist.

<im_45191>"Charlie Bartlett" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_45191>"Charlie Bartlett"
USA 2007, Regie: Jon Poll, Darsteller: Anton Yelchin, Robert Downey Jr., Hope Davis, Kat Dennings, 97 Minuten, ab 12 Jahren

Charlie Bartlett ist ein Teenager und diese schwarzhumorige Komödie ist auch wirklich für ein junges Publikum gemacht, wie wohl auch Erwachsene daran Spaß haben könnten.

Denn Charlie ist ein unerzogenes Kind, reich und nur scheinbar wohlbehütet aufgewachsen, machen sich seine seelischen Defizite in der Schule bemerkbar. Nachdem er auf dem teuren Privatinternat einen schwunghaften Handel mit gefälschten Führerscheinen aufgemacht und daraufhin relegiert wurde, versucht er es auf der ganz normalen öffentlichen Schule jetzt mit Drogen.

Doch Charlie ist kein Ganove, er will einfach nur geliebt werden, "populär" sein, egal wie. Und seinen Außenseiterstatus will er selbst bestimmen und nicht die Schulrüpel, die den schnieken Youngster natürlich sofort auf dem Kieker haben. Charlie träumt von einem großen Auftritt, bei dem ihm alle zujubeln und so lächerlich das klingt – der Film nimmt diese Sehnsucht nach Popularität oder schlicht Anerkennung als Thema ernst und dekliniert es altersgerecht – das heißt unterhaltsam und mit schrägen Effekten durch.

Charlie wird zum Seelsorger, erst verkauft er Psychopharmaka oder schlicht Drogen, dann guten Rat und siehe – die Welt ändert sich, für ihn und seine Kommilitonen. Dabei hält sich der Film nicht mit Psychoanalyse auf, obwohl Psychiater eine große Rolle spielen.

Alle Erwachsene sind in diesem Film große Kinder, die an denselben Problemen zu knabbern haben wie die Jugendlichen. Auch die Wendung zum Guten kommt abrupt. Mit Hilfe eines sehr unkonventionellen Direktors (Robert Downey Jr.) und seiner genauso unkonventionellen "Musterschüler"-Tochter wird Charlie zum Good Guy, der die Botschaft des Filmes mustergültig beherzigt: populär sein allein genügt nicht, es kommt darauf an, was man mit seiner Popularität bewirkt!