"Nicht auf bestimmte Rollen festlegen"
Nach Ansicht der Erziehungswissenschaftlerin Marianne Horstkemper müssen Mädchen und Jungen in der Schule unterschiedlich gefördert werden. Der gemeinsame Unterricht, die Koedukation, sei "in der Tat ein Fortschritt", sagte die Professorin der Universität Potsdam. Dennoch sei es die Frage, ob Lehrer "nicht noch sehr viel sensibler" dafür werden müssten, welche zusätzlichen und subtileren Formen von Förderung notwendig für einzelnen Jungen und einzelne Mädchen seien.
Ulrike Timm: Arme Jungs, sie sind das schwache Geschlecht! Spätestens seit PISA wissen wir, sie lesen weniger gern und gut als die Mädchen, zwei Drittel aller Schulabbrecher sind männlich, ebenso drei Viertel aller Sonderschüler, aber weit über die Hälfte aller Abiturienten sind inzwischen Abiturientinnen. Grund für die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave, bei einer Fachtagung in Berlin im Sinne einer geschlechtergerechten Schule jetzt die bessere Förderung der Jungen zu fordern.
Professor Marianne Horstkemper ist Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Potsdam, sie hat sich intensiv mit verschiedensten Unterrichtskonzepten beschäftigt. Frau Horstkemper, noch vor kurzem hieß es ja in Ihrem Fach, wir müssen die Mädchen fördern, in Naturwissenschaften und Mathe buttern die Jungs sie unter. Gibt es hier eine Wende, sind die Jungs in den Schulen wirklich das benachteiligte Geschlecht?
Marianne Horstkemper: Wenn man genau diese Faktoren nimmt, die Sie gerade aufgezählt haben, ist ganz zweifellos richtig: Jungen gehören stärker zu den Risikoschülern, sage ich mal, wie das in PISA hieß. Und insofern brauchen viele Jungen hinsichtlich der schulischen Leistung intensive Förderung.
Timm: Wie kann die aussehen?
Horstkemper: Die kann zum Beispiel zunächst mal darin bestehen, dass man die Voraussetzungen stärker schafft, dass sie sich schulischen Gegenständen überhaupt richtig zuwenden - also die Motivation von Jungen, die Konzentrationsfähigkeit von Jungen stützen, sich selber zu organisieren. So etwas können Mädchen sehr häufig besser, wobei natürlich es auch durchaus Jungen gibt, die das können. Aber wir sprechen jetzt mal von denen, die da eben offensichtlich stärkere Schwierigkeiten haben.
Timm: Also getrennter Leseunterricht für Jungs?
Horstkemper: Das ist nicht zwingend, sondern es gibt durchaus Möglichkeiten, auch beide Geschlechter gemeinsam lernen zu lassen, allerdings die Jungen dabei dann möglicherweise zu unterstützen, am Ball zu bleiben, so etwas wie Patenschaften zu schaffen zwischen Jungen und Mädchen, wobei Mädchen den Jungen helfen.
Timm: Frau Horstkemper, ich habe gestaunt: Vor nicht mal zehn Jahren gab es dieselbe Diskussion unter anderen Vorzeichen. Da schrieb der "Spiegel", Jungen werden in der Schule häufiger drangenommen, wenn ein Junge gute Leistungen hat, sagt der Lehrer, der ist intelligent - bei einem Mädchen sagt er, das ist fleißig. Liegt es vielleicht auch an den Studien oder was ist da passiert?
Horstkemper: Da sprechen Sie einen etwas anderen Punkt an. Da geht es vor allen Dingen auch um soziales Verhalten und um die Frage von Selbstbewusstsein. Und das ist in der Tat heute noch so, dass Mädchen in der Schule häufig ein schlechteres, ein niedrigeres Selbstbewusstsein entwickeln als Jungen, dass sie größere Schwierigkeiten haben, ihre guten Leistungen umzusetzen in Selbstbewusstsein.
Timm: Obwohl sie besser sind?
Horstkemper: Obwohl sie besser sind. Für Mädchen ist es offensichtlich viel wichtiger, dass sie gute Leistung bringen. Das ist notwendig, aber es langt noch nicht, um selbstbewusst zu werden.
Timm: Lernen Jungen und Mädchen denn verschieden, zum Beispiel in der Grundschule, wenn sie noch klein sind, lernen die Geschlechter wirklich verschieden?
Horstkemper: Das kann man jetzt nicht mit ja oder nein beantworten, aber sie interessieren sich zum Beispiel für unterschiedliche Dinge, häufig. Das muss man zur Kenntnis nehmen, und da muss man beiden Geschlechtern Angebote machen, damit beide auch etwas finden. Und Jungen haben häufig eben größere Probleme, sich zu konzentrieren, am Ball zu bleiben, die Hilfe anderer anzunehmen, die sozialen Ansprüche, die mit Lernen auch immer verbunden sind, zu erfüllen.
Timm: Ein Problem, das die neue Studie auch anspricht: Es gibt an deutschen Grundschulen kaum Lehrer. Grundschullehrerin ist ein Frauenberuf. Jungen und auch Mädchen können sich also immer weniger an männlichen Vorbildern in ihrem Schulleben orientieren. Brauchen wir jetzt eine Männerquote für die Grundschule?
Horstkemper: Es wäre mindestens sehr wünschenswert, dass in den Schulen, auch in den Grundschulen, Modelle, männliche und weibliche Modelle, vorhanden sind und ein geschlechtergerechtes Zusammenleben auf der Lehrerebene vorleben. Weil es für die Kinder viel wichtiger ist, zu sehen, wie gehen denn Männer und Frauen miteinander um, als darüber zu reden, wie es sein sollte. Insofern wäre es in der Tat günstig, den Grundschullehrerberuf so attraktiv zu machen, dass auch Männer dort eine Perspektive finden.
Timm: Eine geschlechtergerechte Schule, schreckliches Wort eigentlich, sehr synthetisch, wie könnte das denn aussehen?
Horstkemper: Es könnte so aussehen, dass Lehrerinnen und Lehrer sich Gedanken darüber machen: Sind in unserem Lehrplan, in unserem Lehrangebot, in unseren Aufgabenstellungen jeweils auch Angebote vorhanden, die Mädchen interessieren, die auch Jungen interessieren. Und wie können wir jeweils beide Geschlechter dazu bringen, auch mal über ihren Tellerrand hinaus zu sehen. Geschlechtergerecht meint also durchaus, dass Mädchen und Jungen nicht auf ihre Geschlechterrolle festgelegt werden, sondern dass sie auch andere Dinge ausprobieren, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten rundum entwickeln.
Timm: Damit später dann Frauen einparken können und Männer gut zuhören?
Horstkemper: Genau, sondern um schon von Kindesbeinen an klarzustellen, dass eine solch klassische Festlegung auf bestimmte Rollen nicht das ist, was menschlichen Bedürfnissen entspricht.
Timm: Nun wird sich ein guter Lehrer ja immer vornehmen, Jungen und Mädchen gleich zu behandeln. Das ist doch kein Fehler?
Horstkemper: In manchen Fällen ist es wichtig, dass man Menschen mit ungleichen Voraussetzungen auch ungleich behandelt, damit sie in gleicher Weise zum Zuge kommen. Also alle Leute gleich zu behandeln, ist noch nicht unbedingt ein Beitrag dazu, dass sie auch die besten Entwicklungschancen bekommen. Wenn jemand besonderer Förderung bedarf, dann muss der eben mehr bekommen als andere oder anderes bekommen.
Timm: Also geht es weniger um eine geschlechtergerechte als um eine gute Schule, also einen guten Unterricht?
Horstkemper: Richtig. Wenn man eine gute Schule versteht als eine Schule, die individuell auf die Kinder guckt und zusieht, dass jeder nach seinen potentiellen Möglichkeiten gefördert wird und das erreicht, was er erreichen könnte.
Timm: Frau Horstkemper, noch im 19. Jahrhundert hieß es, ein mathematisch gebildetes Weib ist wider die Natur. Darüber sind wir Gott sei Dank hinaus. Das war eine frühe Forderung der Frauenbewegung, Jungen und Mädchen sollen gemeinsam erzogen werden, die Koedukation galt als große Errungenschaft. Haben wir sie überschätzt?
Horstkemper: Nein, ich denke, dass die Koedukation in der Tat ein Fortschritt ist, dass die Selbstverständlichkeit, mit der heutige Jungen und Mädchen gemeinsam lernen und es auch sehr ablehnen, sich sehr davon distanzieren, dass man sie trennen könnte, das ist ein Fortschritt. Die Frage ist nur, hat es schon gereicht, die Geschlechter nur in eine Schule und in gleiche Klassen zu geben, oder müssen eben Lehrkräfte nicht noch sehr viel sensibler dafür werden, welche zusätzlichen und subtileren Formen von Förderung notwendig sind für die einzelnen Jungen und die einzelnen Mädchen.
Timm: Was die Schullaufbahn angeht, haben die Mädchen die Jungen in den letzten Jahren sehr überflügelt. Beim Beruf und bei der Karriere von Frauen sieht es ganz anders aus. Was prognostizieren Sie denn für diese jetzige Schülergeneration, wo die Mädchen erfolgreicher sind als die Jungen, für später?
Horstkemper: Das ist genau das Traurige. Wenn man also sieht, wie heute die Türen, die die Mädchen durch ihre besseren Bildungsergebnisse bekommen, auf dem Arbeitsmarkt für sie und dem Studienmarkt dann eigentlich doch wieder zugeschlagen werden, da sehe ich die ganz große Bremse noch genau auf dem Gebiet der klassischen Rollenteilung: Da wo Mädchen, einfach weil sie zu den Frauen gehören, völlig unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen erstmal unterstellt wird, wir sind ohnehin zuständig demnächst für Nachwuchsproduktion, für die häusliche Arbeit - wenn wir diese Selbstverständlichkeit nicht überwinden, dann nützt auch die Bildung, die bessere Bildung den Mädchen nichts.
Timm: Also schulischen in Erfolg in Karriere ummünzen können die Mädchen immer noch nicht, aber die Jungs müssen jetzt gefördert werden?
Horstkemper: Richtig. Ich denke, bei den Mädchen geht es darum, dass ihnen auch die Führungspositionen eröffnet werden, das wäre die Förderung, die bei Mädchen noch nach wie vor nötig ist. Bei Jungen ist die Förderung auf einem ganz anderen Level. Da muss darauf geachtet werden, dass sie nicht in diese Risikogruppe absinken, wo ihnen die notwendigen Basisqualifikationen fehlen. Also insofern sind die Fördernotwendigkeiten bei den beiden Geschlechtern einfach auf unterschiedlichen Ebenen.
Professor Marianne Horstkemper ist Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Potsdam, sie hat sich intensiv mit verschiedensten Unterrichtskonzepten beschäftigt. Frau Horstkemper, noch vor kurzem hieß es ja in Ihrem Fach, wir müssen die Mädchen fördern, in Naturwissenschaften und Mathe buttern die Jungs sie unter. Gibt es hier eine Wende, sind die Jungs in den Schulen wirklich das benachteiligte Geschlecht?
Marianne Horstkemper: Wenn man genau diese Faktoren nimmt, die Sie gerade aufgezählt haben, ist ganz zweifellos richtig: Jungen gehören stärker zu den Risikoschülern, sage ich mal, wie das in PISA hieß. Und insofern brauchen viele Jungen hinsichtlich der schulischen Leistung intensive Förderung.
Timm: Wie kann die aussehen?
Horstkemper: Die kann zum Beispiel zunächst mal darin bestehen, dass man die Voraussetzungen stärker schafft, dass sie sich schulischen Gegenständen überhaupt richtig zuwenden - also die Motivation von Jungen, die Konzentrationsfähigkeit von Jungen stützen, sich selber zu organisieren. So etwas können Mädchen sehr häufig besser, wobei natürlich es auch durchaus Jungen gibt, die das können. Aber wir sprechen jetzt mal von denen, die da eben offensichtlich stärkere Schwierigkeiten haben.
Timm: Also getrennter Leseunterricht für Jungs?
Horstkemper: Das ist nicht zwingend, sondern es gibt durchaus Möglichkeiten, auch beide Geschlechter gemeinsam lernen zu lassen, allerdings die Jungen dabei dann möglicherweise zu unterstützen, am Ball zu bleiben, so etwas wie Patenschaften zu schaffen zwischen Jungen und Mädchen, wobei Mädchen den Jungen helfen.
Timm: Frau Horstkemper, ich habe gestaunt: Vor nicht mal zehn Jahren gab es dieselbe Diskussion unter anderen Vorzeichen. Da schrieb der "Spiegel", Jungen werden in der Schule häufiger drangenommen, wenn ein Junge gute Leistungen hat, sagt der Lehrer, der ist intelligent - bei einem Mädchen sagt er, das ist fleißig. Liegt es vielleicht auch an den Studien oder was ist da passiert?
Horstkemper: Da sprechen Sie einen etwas anderen Punkt an. Da geht es vor allen Dingen auch um soziales Verhalten und um die Frage von Selbstbewusstsein. Und das ist in der Tat heute noch so, dass Mädchen in der Schule häufig ein schlechteres, ein niedrigeres Selbstbewusstsein entwickeln als Jungen, dass sie größere Schwierigkeiten haben, ihre guten Leistungen umzusetzen in Selbstbewusstsein.
Timm: Obwohl sie besser sind?
Horstkemper: Obwohl sie besser sind. Für Mädchen ist es offensichtlich viel wichtiger, dass sie gute Leistung bringen. Das ist notwendig, aber es langt noch nicht, um selbstbewusst zu werden.
Timm: Lernen Jungen und Mädchen denn verschieden, zum Beispiel in der Grundschule, wenn sie noch klein sind, lernen die Geschlechter wirklich verschieden?
Horstkemper: Das kann man jetzt nicht mit ja oder nein beantworten, aber sie interessieren sich zum Beispiel für unterschiedliche Dinge, häufig. Das muss man zur Kenntnis nehmen, und da muss man beiden Geschlechtern Angebote machen, damit beide auch etwas finden. Und Jungen haben häufig eben größere Probleme, sich zu konzentrieren, am Ball zu bleiben, die Hilfe anderer anzunehmen, die sozialen Ansprüche, die mit Lernen auch immer verbunden sind, zu erfüllen.
Timm: Ein Problem, das die neue Studie auch anspricht: Es gibt an deutschen Grundschulen kaum Lehrer. Grundschullehrerin ist ein Frauenberuf. Jungen und auch Mädchen können sich also immer weniger an männlichen Vorbildern in ihrem Schulleben orientieren. Brauchen wir jetzt eine Männerquote für die Grundschule?
Horstkemper: Es wäre mindestens sehr wünschenswert, dass in den Schulen, auch in den Grundschulen, Modelle, männliche und weibliche Modelle, vorhanden sind und ein geschlechtergerechtes Zusammenleben auf der Lehrerebene vorleben. Weil es für die Kinder viel wichtiger ist, zu sehen, wie gehen denn Männer und Frauen miteinander um, als darüber zu reden, wie es sein sollte. Insofern wäre es in der Tat günstig, den Grundschullehrerberuf so attraktiv zu machen, dass auch Männer dort eine Perspektive finden.
Timm: Eine geschlechtergerechte Schule, schreckliches Wort eigentlich, sehr synthetisch, wie könnte das denn aussehen?
Horstkemper: Es könnte so aussehen, dass Lehrerinnen und Lehrer sich Gedanken darüber machen: Sind in unserem Lehrplan, in unserem Lehrangebot, in unseren Aufgabenstellungen jeweils auch Angebote vorhanden, die Mädchen interessieren, die auch Jungen interessieren. Und wie können wir jeweils beide Geschlechter dazu bringen, auch mal über ihren Tellerrand hinaus zu sehen. Geschlechtergerecht meint also durchaus, dass Mädchen und Jungen nicht auf ihre Geschlechterrolle festgelegt werden, sondern dass sie auch andere Dinge ausprobieren, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten rundum entwickeln.
Timm: Damit später dann Frauen einparken können und Männer gut zuhören?
Horstkemper: Genau, sondern um schon von Kindesbeinen an klarzustellen, dass eine solch klassische Festlegung auf bestimmte Rollen nicht das ist, was menschlichen Bedürfnissen entspricht.
Timm: Nun wird sich ein guter Lehrer ja immer vornehmen, Jungen und Mädchen gleich zu behandeln. Das ist doch kein Fehler?
Horstkemper: In manchen Fällen ist es wichtig, dass man Menschen mit ungleichen Voraussetzungen auch ungleich behandelt, damit sie in gleicher Weise zum Zuge kommen. Also alle Leute gleich zu behandeln, ist noch nicht unbedingt ein Beitrag dazu, dass sie auch die besten Entwicklungschancen bekommen. Wenn jemand besonderer Förderung bedarf, dann muss der eben mehr bekommen als andere oder anderes bekommen.
Timm: Also geht es weniger um eine geschlechtergerechte als um eine gute Schule, also einen guten Unterricht?
Horstkemper: Richtig. Wenn man eine gute Schule versteht als eine Schule, die individuell auf die Kinder guckt und zusieht, dass jeder nach seinen potentiellen Möglichkeiten gefördert wird und das erreicht, was er erreichen könnte.
Timm: Frau Horstkemper, noch im 19. Jahrhundert hieß es, ein mathematisch gebildetes Weib ist wider die Natur. Darüber sind wir Gott sei Dank hinaus. Das war eine frühe Forderung der Frauenbewegung, Jungen und Mädchen sollen gemeinsam erzogen werden, die Koedukation galt als große Errungenschaft. Haben wir sie überschätzt?
Horstkemper: Nein, ich denke, dass die Koedukation in der Tat ein Fortschritt ist, dass die Selbstverständlichkeit, mit der heutige Jungen und Mädchen gemeinsam lernen und es auch sehr ablehnen, sich sehr davon distanzieren, dass man sie trennen könnte, das ist ein Fortschritt. Die Frage ist nur, hat es schon gereicht, die Geschlechter nur in eine Schule und in gleiche Klassen zu geben, oder müssen eben Lehrkräfte nicht noch sehr viel sensibler dafür werden, welche zusätzlichen und subtileren Formen von Förderung notwendig sind für die einzelnen Jungen und die einzelnen Mädchen.
Timm: Was die Schullaufbahn angeht, haben die Mädchen die Jungen in den letzten Jahren sehr überflügelt. Beim Beruf und bei der Karriere von Frauen sieht es ganz anders aus. Was prognostizieren Sie denn für diese jetzige Schülergeneration, wo die Mädchen erfolgreicher sind als die Jungen, für später?
Horstkemper: Das ist genau das Traurige. Wenn man also sieht, wie heute die Türen, die die Mädchen durch ihre besseren Bildungsergebnisse bekommen, auf dem Arbeitsmarkt für sie und dem Studienmarkt dann eigentlich doch wieder zugeschlagen werden, da sehe ich die ganz große Bremse noch genau auf dem Gebiet der klassischen Rollenteilung: Da wo Mädchen, einfach weil sie zu den Frauen gehören, völlig unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen erstmal unterstellt wird, wir sind ohnehin zuständig demnächst für Nachwuchsproduktion, für die häusliche Arbeit - wenn wir diese Selbstverständlichkeit nicht überwinden, dann nützt auch die Bildung, die bessere Bildung den Mädchen nichts.
Timm: Also schulischen in Erfolg in Karriere ummünzen können die Mädchen immer noch nicht, aber die Jungs müssen jetzt gefördert werden?
Horstkemper: Richtig. Ich denke, bei den Mädchen geht es darum, dass ihnen auch die Führungspositionen eröffnet werden, das wäre die Förderung, die bei Mädchen noch nach wie vor nötig ist. Bei Jungen ist die Förderung auf einem ganz anderen Level. Da muss darauf geachtet werden, dass sie nicht in diese Risikogruppe absinken, wo ihnen die notwendigen Basisqualifikationen fehlen. Also insofern sind die Fördernotwendigkeiten bei den beiden Geschlechtern einfach auf unterschiedlichen Ebenen.