"Nice to meet you, Mr. Hitler!"

Vorgestellt von Lutz Bunk · 12.05.2005
Martha Dodd kam 1933 nach Deutschland. Sie war die Tochter des amerikanischen Botschafters in Berlin. Sie arbeitete mit der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" zusammen und verhalf Emigranten wie Alma Mahler und Franz Werfel zur Flucht.
Selbst eine Art Jet-Set-Kommunistin, spionierte sie für den russischen Geheimdienst und flüchtete 1953 während der McCarthy-Ära aus den USA und ging nach Prag, wo sie 1990 starb. Ihre 1939 in den USA erschienene Autobiographie ist jetzt beim Eichborn Verlag Berlin erschienen.

""Hanfstaengl, Hitler's friend, had been calling up and wanting to arrange for me to meet Hitler. Hanfstaengl spluttered and ranted grandiosely: 'Hitler needs a woman!"

The first glance left me with a picture of a weak, soft face, with pouches under the eyes, full lips and a very little bony facial structure. As has often been said, Hitler's eyes were startling and unforgettable – they seemed pale blue in color, were intense, unwavering, hypnotic. The curious embarresment he showed in meeting me ... above him in station or wealth. He seemed modest, middle class, rather dull and self-conscious – yet with this strange tenderness and appealing helplessness. Only in the mad burning eyes could one see the terrible future of Germany."

Übersetzung:
"Hanfstaengel, Hitlers Freund, hatte angerufen und wollte ein Treffen zwischen Hitler und mir arrangieren. Hanfstaengel sprudelte vor Eifer und schwadronierte im großen Stil: "Hitler braucht eine Frau."

… als wir uns trafen, war mein erster Eindruck: …Er schien bescheiden, kleinbürgerlich, ziemlich langweilig und befangen zu sein. Diese Befangenheit führte bei ihm zu einer Scheu und einer Abneigung, mit Leuten zu tun zu haben, die ihm, was Herkunft und Stand anbelangten, überlegen waren.

… Er war ein verwöhntes, neurotisches Muttersöhnchen, das allen Leuten zutiefst zuwider war, … weil er zu nichts taugte; … ein untalentierter Versager, … der eine eigenartige Zartheit und eine entsprechende Hilflosigkeit besaß. Nur in den verrückten, brennenden Augen konnte man die schreckliche Zukunft Deutschlands sehen."

Geschehen 1934, veröffentlicht 1939. Aus Martha Dodds Erinnerungen "Nice to meet you, Mr. Hitler”, gelesen von der amerikanischen Journalistin und Martha Dodd-Spezialistin Shareen Brysac. Sie veröffentlichte vor zwei Jahren ein Buch über Martha Dodds beste Freundin mit dem Titel "Mildred Harnack und die Rote Kapelle". Mildred Harnack wurde 1943 von den Nazis geköpft.

Shareen Brysac verfügt über Kopien der kompletten, umfangreichen Akten, die das FBI und der KGB über Martha Dodd führten, denn Martha Dodd, von 1933 bis 1937 als Tochter des amerikanischen Botschafters in Berlin, arbeitete mit dem deutschen Widerstand zusammen und spionierte für die Sowjetunion. Nach dem Krieg erschienen ihre Memoiren, wenn auch in zensierter Form, in der DDR, in der Bundesrepublik hingegen nicht.

""I think that her being a communist hurt the book in the sense of being published in Westgermany, because, they say, it has been published in Eastgermany, and that would have been the reason not to publish it, it was published in Eastgermany so the Westgermans were not been interested.”"

Übersetzung:
" Dass sie Kommunistin war, machte ihr Buch in Westdeutschland grundsätzlich unerwünscht. Und als dann auch noch eine Fassung davon in der DDR erschien, interessierte sich dafür niemand mehr in der Bundesrepublik. "

Martha Dodd war eine schillernde Persönlichkeit. Während ihrer Zeit in Berlin hatte sie den Ruf einer Nymphomanin, hatte Affären mit Rudolf Diehls, Hitlers erstem Gestapo-Chef, mit Ernst Udet, dem 2. Mann nach Göring, dann aber mit ihrer großen Liebe, dem sowjetischen Botschaftsattaché Boris Winogradow, und mit, wie es scheint, allen deutschen Kommunisten und Widerstandskämpfern, derer sie habhaft werden konnte. Eine Ausnahme war allein der DDR-Historiker Jürgen Kuszinski.

""I went to interview him and I interviewed him twice and he said and he was a good friend of Martha Dodd and she used to come to Eastgermany and they sort of hang out and he said Martha Dodd said to me: Jürgen, you are the only Widerstandskämpfer that I have never slept with. Ha ha, that was Martha Dodd. She was not beautiful, she was small and sort of dark blond hair, nice big blue eyes, but kind of buck teeth but she had a very sexy quality, people were really attracted to her, no one ever forgot Martha Dodd, she was notorious, the butler in the american embassy said: das war nicht ein Haus, das war ein maison.” "

Übersetzung:
"Ich habe ihn zwei Mal interviewt, er war ein guter Freund von Martha Dodd, und immer, wenn sie in die DDR fuhr, verbrachten die beiden ihre Zeit miteinander. Und einmal sagte sie zu ihm: Jürgen, du bist der einzige Widerstandskämpfer, mit dem ich nicht geschlafen habe. Das war Martha Dodd. Sie war nicht hübsch, sie war klein, hatte dunkelblonde Haare, große blaue Augen und Hasenzähne. Aber sie war unglaublich sexy. Der Butler in der amerikanischen Botschaft sagte, sie sei kein Frauenzimmer gewesen sondern eher schon ein ganzes Haus."

1937, zurück in den USA, heiratete Martha Dodd den amerikanischen Musikverleger und Millionär Alfred Stern, verkehrte aber weiter in der sowjetischen Botschaft. Die Akten, die das FBI über sie führte, umfassen 10500 Seiten.

Aus Angst, als Spionin verhaftet zu werden, floh sie mit ihrem Mann aus den USA nach Mexiko; als dort ein Auslieferungsantrag eintraf, kauften sich die beiden falsche Pässe und gingen nach Prag, wo Martha Dodd 1990 starb.

""In the United States Martha was actually a lazy person she liked to get up at 2 o'clock in the afternoon and then she went to a big dinner party or danced in the evening, so she was really too lazy to be very much of a spy, she did recrute three persons, her brother, her husband and woman named Jane Foster, who was in the OSS.”"

Übersetzung:
"In den USA war Martha eher zu faul zum Spionieren, sie stand erst nachmittags auf und ihr Leben bestand aus Partys, aber sie rekrutierte drei Personen für den russischen KGB, ihren Bruder, ihren Mann und eine unwichtige Frau beim amerikanischen Geheimdienst. "

Meine Jahre in Deutschland 1933 bis 1937 – Nice to meet you, Mr. Hitler! gibt, wie kein zweites Buch, einen intimen Einblick in das Berlin der 30er Jahre, in die vielfältige Psyche der Deutschen. Wie eine Ethnologin, dabei pointenreich, witzig und unterhaltsam, studierte sie das Sexual-Verhalten von Nazis und Anti-Nazis. Wie kaum eine andere analysierte sie den Menschen Hitler, las "Mein Kampf" und prophezeite schon 1939 den Holocaust. Martha Dodd, keine zweite Mata Hari, aber eine Zeitzeugin der besondern Art:

""You know Martha's way of learning things was by having affaires with people, she was interested in power, she was very interested in history and observing at first hand which is what I think makes the book fascinating that she was observing them first hand.”"

Übersetzung:
"Ihre Art zu kommunizieren war Sex, sie interessierte sich für Macht und für Geschichte, und sie saß in der ersten Reihe, darum ist das Buch so spannend. "

Martha Dodd: " Nice to meet you, Mr. Hitler!" - Meine Jahre in Deutschland 1933 bis 1937
Übersetzt von Ursula Locke-Gross und Sabine Hübner.
Eichborn Berlin 2005. 446 Seiten, 24,90 Euro.